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Volksantrag Gemeinschaftsschule

Einführung der Gemeinschaftsschule soll im Juli beschlossen werden

Überschattet von Corona fand am 25. Mai im Schulausschuss des Landtages die Anhörung zum Volksantrag „Längeres gemeinsames Lernen in Sachsen“ statt. Uschi Kruse war dazu als Sachverständige geladen und warb für die unveränderte Annahme des Volksantrages. Im Juli entscheidet der Landtag nun abschließend über den Volksantrag.

Nachdem der Landtag den Volksantrag Ende Januar in 1. Lesung beraten hatte, sollte die Anhörung im Ausschuss für Schule und Bildung bereits am 3. April stattfinden. Coronabedingt fand sie dann schließlich erst am 25. Mai unter strengsten Auflagen und Halbierung der Redezeiten statt.

Zusammen mit den Vertrauenspersonen des Volksantrages sowie weiteren Sachverständigen, warb Uschi Kruse für die unveränderte Annahme des Volksantrages und damit für die Einführung der Gemeinschaftsschulen als zusätzliche, op­tionale Schulart: „Bildung ist in unserer Gesellschaft eine wichtige Determinante für individuelle Lebenschancen, Selbstverwirklichung, beruflichen Erfolg sowie soziale, politische und kulturelle Teilhabe. Deshalb sorgen Entscheidungen über die weitere Schullaufbahn für so viele Debatten in den Familien. Deshalb melden viele Eltern ihre Kinder am Gymnasium an: nicht, weil alle sicher sind, dass ihr Kind erfolgreich Abitur machen wird, sondern weil sie die Möglichkeiten so und nur so tatsächlich offenhalten können. Gemeinschaftsschulen halten den Weg und alle Abschlüsse offen.“

Diskutiert wurde auch, inwiefern Binnendifferenzierung tatsächlich gelingen kann und welchen Beitrag die Gemeinschaftsschule bei der Bildungsgerechtigkeit spielen kann. Während sich die geladenen Wissenschaftler uneins waren, zeigten insbesondere die Praktiker*innen auf, dass beides gelingt, wenn man die nötigen Voraussetzungen dafür schafft. Heiko Vogel, Schulleiter der Kurfürst-Moritz-Schule, die als Modellschule bei den Schulversuchen zur Gemeinschaftsschule 2006 bis 2016 teilnahm und noch heute weitgehend nach dem Konzept arbeitet, berichtete, dass sich regelmäßig Lehrerinnen und Lehrer für Besuche und Hospitationen anmelden, um sich anzuschauen, welche Voraussetzungen das sind und wie Unterricht mit verschiedensten Lernvoraussetzungen gelingen kann.

Heiko Vogel stellte außerdem fest, dass seine Schule mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen weder Gemeinschaftsschule noch Oberschule+ werden könnte. Bereits während der Koalitionsverhandlungen und anschließend in der Ergänzungsvereinbarung zum Koalitionsvertrag, haben CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD genaue Regelungen für den nun vorgelegten Änderungsantrag zum Volksantrag verabredet (E&W Sachsen berichtete in der Januar-Ausgabe). Diese enthalten insbesondere drei Kernpunkte:

  1. Gemeinschaftsschulen müssen in der 5. Klassenstufe mindestens vierzügig sein. Im ländlichen Raum (außerhalb von Oberzentren) können sie abweichend über drei Jahre auch dreizügig sein. Der Volksantrag sah generell die Zweizügigkeit ab der 1. Klasse und die Möglichkeit auf Einzügigkeit im ländlichen Raum (außerhalb von Oberzentren) vor.
  2. Die Gemeinschaftsschule enthält immer eine Sekundarstufe II, während der Volksantrag auch die Varianten 1. bis 10. Klasse und 5. bis 10. Klasse enthält (jeweils fehlende Schulstufen werden durch Kooperationen mit Grundschulen/Gymnasien ergänzt).
  3. Die im Volksantrag enthaltene Variante 1. bis 10. Klasse für die Gemeinschaftsschule möchte die Koalition stattdessen als „Oberschule+“ einführen. Diese darf nur außerhalb von Ober- und Mittelzentren und maximal zweizügig eingerichtet werden.

Der Änderungsantrag der Koalition wurde bei der Anhörung von vielen Seiten kritisiert. Auch der Landeselternrat, der den Volksantrag befürwortet und Mitglied im Bündnis Gemeinschaftsschule in Sachsen ist, äußerte Verwunderung über die Regelung der Oberschule+. Dr. Matthias Ritter, Erziehungswissenschaftler an der TU Dresden, kritisierte die von der Koalition vorgesehene Zügigkeit, durch die der ländliche Raum nicht erreicht werden kann:
„Gerade in den ländlichen Gemeinschaftsschulen in Thüringen, die ich begleitet habe, ist die Gemeinschaftsschule als Erfolgsmodell zu bezeichnen. Sie stärken das Schulnetz und bieten die Möglichkeit an, alle Abschlüsse zu erreichen. Aber auch anderen innovativen Schulen wird es sehr schwergemacht, sich als Gemeinschaftsschule zu entwickeln, wenn der Änderungsantrag der Regierungskoalition angenommen wird.“
Uschi Kruse ermutigte die Abgeordneten vor Ort, dem Volksantrag letztlich seine Zustimmung zu geben, denn es soll vor Ort entschieden werden und in Sachsen überall gleichsam möglich sein, Gemeinschaftsschulen einzurichten – oder alles beim Alten zu belassen.

Weiterhin lag zur Anhörung auch ein Änderungsantrag der AfD vor, der die Gemeinschaftsschule des Volksantrages als ergänzende Schulform größtenteils lediglich in „Technische Oberschule“ umbenennen soll, während der Schultyp weitgehend dem der jetzigen Oberschule gleicht. Die große Mehrheit der Sachverständigen lehnte diesen Vorschlag ab.

Nach der Anhörung und nach Abschluss der Beratungen im Ausschuss für Schule und Bildung werden der Volksantrag sowie die Änderungsanträge voraussichtlich am 15./16. Juli in 2. Lesung im Landtag behandelt und beschlossen. Es ist klar, dass die Gemeinschaftsschule – in welcher Form auch immer – kommen wird.
Das ist ein großer Erfolg aller Beteiligten, insbesondere vom Bündnis Gemeinschaftsschule in Sachsen. Beschließt der Landtag den Änderungsantrag der Koalition, dann gilt der Volksantrag formell als abgelehnt. Das ist auch richtig so: Über 50.000 Bürger*innen haben für eine breite Ermöglichung von Gemeinschaftsschulen mit geringen Hürden unterschrieben. Dennoch wäre die Einführung von Gemeinschaftsschulen ohne den Volksantrag auch in den nächsten Jahren in Sachsen nicht möglich gewesen.

Burkhard Naumann
 Referent für Tarif- und Beamtenpolik