1) Politische Bildung ist eine Querschnittsaufgabe aller Schularten und Fächer. Es muss dabei klar sein, dass Schule nur ein Baustein des lebenslangen Lernens ist.
In einer durch Technologie und Wissenschaft geprägten Welt muss und kann jeder Gegenstand in seiner politischen Dimension bearbeitet werden. Politische Bildung ist somit die Aufgabe aller Beteiligten in Schule und Unterricht. Politische Bildung beginnt unserer Auffassung nach bereits auf der Ebene des Unterrichts und der Schulkultur. Demokratie endet nicht vor dem Schulgebäude! Schon hier sollen Schülerinnen und Schüler nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten mitbestimmen und Verantwortung übernehmen. Alle Kolleg*innen zusammen mit den Schüler*innen müssen sich darin einig werden, welche Art der Mitbestimmung das Zusammenleben in der Schule prägen soll. Gelebte Demokratie ist die beste Grundlage für die Bildung von demokratischen und lebenslang für Neues offenen Persönlichkeiten.
2) Die GEW Sachsen begrüßt jedes Bestreben zur Intensivierung der politischen Bildung im Freistaat Sachsen. Die Einführung des Faches "Gemeinschaftskunde" ist im Rahmen der Überarbeitung und Modernisierung von Lehrplänen und Stundentafeln ein Mittel. Die Wochenstunden für Politik und Sozialkunde sind insgesamt zu erhöhen.
Wie mehrere Studien nachweisen, erfolgt in Sachsen der Unterricht in „Gemeinschaftskunde, Recht und Wirtschaft“ im Bundesvergleich recht spät und zudem innerhalb weniger Stunden. Die GEW steht dafür ein, dass sich dies dringend ändert. Auch wenn die politische Dimension von Sachverhalten stets berücksichtigt wird, müssen politisches Grundwissen und aktuelle politische Fragen zusammenführend in einem eigenständigen Fachunterricht für Politik und Sozialkunde behandelt werden. Auch hier ist aufzuzeigen, welche Rolle Fachkenntnisse zum Beispiel in Mathematik oder Geographie für ein geschärftes, politisches Urteil spielen. Wir fordern die Einführung von mindestens 2 Wochenstunden für politische Bildung ab Klasse 5 sowie die Berücksichtigung in den Lehrplänen für Sachkundeunterricht in der Grundschule.
3) Schule ist kein unpolitischer Ort. In diesem Sinne sind auch Lehrkräfte politische Menschen. Es gehört zu unserem professionellen Selbstverständnis als Pädagog*innen, eigene Meinungen auch als solche zu markieren.
Politische Urteile lassen sich indes nicht allein aus der Faktenlage heraus beurteilen. Es gesellt sich immer ein wertender Teil hinzu, der letztlich den Schüler*innen überlassen bleibt. Es ist dabei keine Lösung, Wertungen aus dem Unterricht auszuklammern. Demokratie besteht nicht aus der Summe von Einzelmeinungen, sondern lebt gerade von der Auseinandersetzung und Anerkennung verschiedener Perspektiven. In diesem Sinne lehrt guter Gemeinschaftskundeunterricht, dass es in der Politik immer Alternativen gibt. In diesem Prozess des Meinungsaustauschs und der -neubildung halten wir es für den falschen Weg, wenn Lehrer*innen ihre eigene politische Position verheimlichen. Sie sollen vielmehr vorbildlich ihre Meinung ohne Überwältigung einbringen und Sach- von Werturteil am eigenen Beispiel unterscheiden.
4) Der "Beutelsbacher Konsens" bindet Schulsystem, Lehrkräfte und Kooperationspartner innerhalb der politischen und sonstigen schulischen Bildung. Dabei dürfen die Grundsätze politischer Bildung nicht weiter Anlass dafür sein, politischen Themen aus dem Weg zu gehen.
Der "Beutelsbacher Konsens" formuliert Grundsätze dazu, wie politische Themen zielgruppengerecht behandelt werden sollten. Er ist gerade kein Aufruf kontroverse Themen bzw. Wertungen und Meinungen auszuklammern. In Sachsen wurde lange die Losung ausgegeben, dass Meinungsstreit und echte politische Auseinandersetzungen nichts im Unterricht verloren hätten. Dem ist vehement zu widersprechen. Gerade die Verbannung von Politik aus den Klassenzimmern ist ein Merkmal autokratischer Regime. Vielmehr müssen Schule, aber auch Behörden durch eigenes Handeln beweisen, dass Menschenrechte und die freiheitlich-demokratische Grundordnung unverzichtbare Werte sind, die die Anerkennung jedes Menschen und politische Meinungen überhaupt erst ermöglichen. Intensive, politische Bildung verstärkt also nicht die Indoktrination, sondern bietet neue Räume für Meinungsstreit und politische Erfahrungen.
5) Friedenserziehung ist der Kern der politischen Bildung und der Demokratie- und Toleranzerziehung. Die Bundeswehr ist kein Träger der politischen Bildung.
Die Lehrer*innen entscheiden im Rahmen ihrer pädagogischen Freiheit eigenständig, welche Kooperationspartner am Unterricht teilnehmen. Militärische Berufswerbung ist kein Bestandteil des Schullebens an den staatlichen Schulen des Freistaates Sachsen!
Es sind letztlich die Lehrer*innen, die sicherstellen müssen, dass alle außerschulischen Kooperationspartner*innen nach dem "Beutelsbacher Konsens" handeln. Die Hilfe von zivilgesellschaftlichen Vereinen ist aus der politischen Bildungsarbeit kaum wegzudenken. Unserer
Überzeugung nach und der UN-Kinderrechtscharta gemäß, hat die Berufswerbung der Bundeswehr nichts an Schulen verloren. Zudem ist das Angebot der politischen Bildung zu Fragen der internationalen Sicherheitspolitik der Bundeswehr nicht unabhängig. Die kommunikativ geschulten Jugendoffiziere werden dazu angehalten, die sicherheitspolitischen Positionen des Bundesministeriums für Verteidigung zu vermitteln. Sie sollen deshalb nicht in der Schule auftreten. Die GEW steht dafür ein, dass die herausgehobene Stellung der Jugendoffiziere in der politischen Bildung beendet wird. Die Kooperationsvereinbarung mit dem Kultusministerium ist aufzukündigen. Gleichwohl ist nichts dagegen einzuwenden, dass militärische Angestellte oder Soldat*innen mit Auslandserfahrung in die Schule eingeladen werden. Ein eigenständiges Bildungsangebot sollte von ihnen nicht ausgehen. Ebenso darf keine Werbematerial verteilt werden. Werden Angehörige der Bundeswehr eingeladen, ist Kontroversität zu gewährleisten. Eher angebracht wäre es, die zuständigen Politiker*innen zu den Themen Verteidigung, Militär und Außenpolitik einzuladen.
Die GEW spricht sich für eine konsequente Friedenserziehung aus, die sicherheitspolitische Fragen im Kontext der Menschenrechte und globaler Gerechtigkeit verhandelt.
6) Politische Bildung lebt vom Diskurs mit den unmittelbar Beteiligten. Maßgabe des Umgangs mit Kooperationspartnern muss dabei aber der "Beutelsbacher Konsens" sein.
Es darf keine Vereinbarungen geben, die einzelnen Organisationen einen bevorzugten Zugang zur Schule geben.
Des Weiteren ist dem Lobbyismus verschiedenster anderer Organisationen durch Unterrichtsmaterialien, Lerntechnologie (z.B. Tablets und Lernprogramm) und andere Mittel kritisch entgegenzuwirken. Der staatliche Bildungsauftrag ist ausreichend im Bereich der personellen und sachlichen Ausstattung abzusichern. Dies stärkt die Selbstständigkeit von Schulen und immunisiert sie gegen die unlautere Einflussnahme von außen. Den größten Aufholbedarf besitzen Schulen in Hinblick auf die Digitalisierung. Große Firmen, wie Google oder Apple, verfolgen den Ausbau ihrer Plattform-Monopole, wenn sie Schulen klassenweise mit ihren Geräten versorgen. Dem muss endlich durch ein angemessenes staatliches Angebot begegnet werden.
7) In allen Schularten und -stufen sind die Achtung des Prinzips der Heterogenität der Lebensläufe und der Abbau von Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung das bestimmende Prinzip.
Politische Bildung im Sinne von umfassender Demokratiebildung nimmt sich den Abbau unterschiedlicher Diskriminierungs- und Ausgrenzungsformen zum Auftrag. Gemeinschaftskunde darf nicht nur Politik als abstraktes Thema behandeln, sondern muss das Demokratie-Leben der ganzen Schule unterstützen. Dazu gehört die Anerkennung von Heterogenität und Sensibilisierung über Ausgrenzungsmechanismen in Sprache und Gesellschaft. Politische Bildung ergreift hier insoweit Partei, als dass diese Mechanismen aufgedeckt und gefestigte Stereotypen wirksam irritiert werden müssen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit darf nicht ignoriert, sondern muss als solche angesprochen und behandelt werden.
8) Politische Bildung lebt vom offenen Diskurs. Für die Auseinandersetzung mit aktuellen und für die Schüler*innen relevanten Themen sind die nötigen Freiräume zu schaffen.
Wie oben ersichtlich geworden ist, lebt politische Urteilsfindung von einer Vielzahl an Fachwissen und Kompetenzen. Aktuelle politische Kontroversen eignen sich daher hervorragend für projektorientierten und fachübergreifenden Unterricht, in denen Schüler*innen ihre Kenntnisse mit dem Fokus auf einen Problemkomplex integrieren müssen. Solche tagesaktuellen Projekte brauchen Zeit und Raum. Sie können wegen ihrer Aktualität nicht von Lehrplänen vorgegeben werden, sollten aber integraler Bestandteil des schulischen Bildungsauftrags sein. Für die Planung und Durchführung solcher Projekte sind den Schulen die entsprechenden Zeitressourcen durch die Entschlackung der Lehrpläne einzuräumen.
9) Junge Menschen beziehen ihre Informationen zunehmend nicht mehr über die klassischen Medienkanäle. Eine kritische und zeitgemäße Medienbildung muss daher deutlich gestärkt werden.
Bisher geben die Lehrpläne der kritischen Medienerziehung insbesondere in Deutsch und GRW einen gewissen Raum. Kaum Erwähnung finden dort allerdings die Dynamiken, die sich durch soziale Netzwerke und andere Formen neuer Medien im politischen Diskurs zeigen. Junge Menschen informieren sich hingegen immer weniger über die klassischen Wege, wie überregionale Zeitungen oder etwa die Tagesschau. Dem muss Schule mit guter politischer Bildung Rechnung tragen. Die GEW setzt sich dafür ein, dass an passender Stelle neue Medien und die dahinter liegenden Strukturen im Unterricht behandelt werden können. Hierbei muss noch mehr als zuvor die Seriosität von journalistischen Texten und Videos beachtet werden. Zudem sollten die Funktionalität der Algorithmen und die Manipulationsmöglichkeiten für Stimmungen und Trends in den Netzwerken Berücksichtigung finden. Datenschutzrechtliche Aspekte aufzugreifen, ist natürlich auch hier mehr als angebracht. Das Thema Nachrichtenkompetenz in der neuen Medienwelt muss Teil einer großen Weiterbildungsoffensive zur schulischen Digitalisierung sein.