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Berufsbildung

Corona-Ausbildungsstudie

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Berufsausbildung bzw. die Auszubildenden stark getroffen. Die DGB-Jugend stellt dies in einer aktuellen Studie auf der Basis einer Online-Befragung dar. In der Folge der Studie ist eine Evaluation der letzten beiden Ausbildungsjahre durch alle Beteiligten an beruflicher Bildung dringend angeraten.

Insgesamt betrachtet zeigt sich, dass die Pandemie junge Menschen spürbar belastet – immerhin 72 Prozent der Befragten äußern sich dahingehend.­[1] Innerhalb von beruflichen Ausbildungen haben 34,6 Prozent Sorgen, die Ausbildung nicht erfolgreich abzuschließen. [2] Das betrifft insbesondere Auszubildende, die in Kleinst- oder Kleinbetrieben ausgebildet werden. [3] Zudem leidet fast jeder zehnte Befragte unter moderat bis schwer ausgeprägten depressiven Symptomen. [4]
Zum schulischen Teil der Ausbildung finden sich in der Studie diese Ergebnisse:

„Fachliche Qualität der Berufsschule während Corona:

  • Fast alle Auszubildenden waren von Homeschooling bzw. Distanzunterricht betroffen (94,9 Prozent).
  • Fast ein Drittel der Befragten (30,1 Prozent) war der Ansicht, dass sich die fachliche Qualität des Berufsschulunterrichts seit Beginn der Corona-Pandemie verschlechtert hat.
  • Ein Drittel (34,5 Prozent) war der Auffassung, dass in den Homeschooling-Phasen der notwendige Unterrichtsstoff eher nicht vermittelt wurde und weitere 8,5 Prozent sagen, dass der Stoff gar nicht vermittelt wurde.
  • Bei knapp 70 Prozent (69,2 Prozent) der Auszubildenden standen die Berufschullehrer_innen immer oder häufig als Ansprechpartner_innen zur Verfügung. Lediglich 6,6 Prozent der Befragten gaben an, dass die Lehrer_innen selten (5,7 Prozent) oder nie (0,9 Prozent) zur Verfügung standen.
  • Die Infrastruktur der Berufsschulen hinkt den Anforderungen hinterher: Mehr als die Hälfte (52,7 Prozent) der Befragten bemängelt die digitale Ausstattung der Berufsschulen.
  • Insgesamt betrachtet, ist mehr als die Hälfte (52,9 Prozent) der Befragten nicht zufrieden mit der Qualität von Homeschooling und Distanzunterricht.“[5]

Rückblickend sind die Ergebnisse aus schulischer Sicht nachvollziehbar und erscheinen durchaus repräsentativ. Die zweite Phase der Schulschließungen startete im Dezember und Januar u. a. mit massiven Ausfällen der LernSax-Plattform. Die Klassen der dualen Ausbildung waren oft gerade erst angelegt und sowohl den Auszubildenden als auch den Lehrkräften fehlten häufig praktische Erfahrungen im Umgang mit LernSax. Viele Lehrkräfte hatten noch keinen Zugang zu inhaltlichen Fortbildungen für die Arbeit mit digitalen Lernplattformen im Homeschooling.
Zudem hat gerade in der schulischen Ausbildung im Blockmodell die Verlegung der Winterferien zu regelrechtem organisatorischen Chaos und nicht mehr aufzuholenden Schieflagen geführt. Es ist eine Tatsache, dass die pauschale und kommentarlose Übernahme von organisatorischen Entscheidungen für allgemeinbildende Schulen an BSZ nicht funktioniert. Das hat die GEW Sachsen im Lehrerhauptpersonalrat (LHPR) deutlich zu verstehen gegeben.
Es ist positiv, dass Lehrkräfte trotz schlecht funktionierender Lernplattformen, fehlender oder geringer schulischer digitaler Ausstattung und organisatorischer Mängel im Schulablauf die Auszubildenden zumindest auf verschiedenen Kommunikationswegen erreicht haben.

Über inhaltliche Aspekte der schulischen Ausbildung muss geredet werden. Gleichermaßen über die schnellstmögliche Umsetzung des Digitalpaktes. Themen sind dabei u. a. die Ausstattung mit Endgeräten plus Software für die Auszubildenden und Lehrkräfte und die Netzanbindung der Schulen.
Ein weiteres Thema sind die Abschlussprüfungen, speziell in der dualen Ausbildung, wo u. a. gestreckt geprüft wird. Insbesondere die Auszubildenden im dritten Ausbildungsjahr schätzen ein, dass sie von Kammern und Betrieben nur mangelhaft über Prüfungstermine und -abläufe informiert werden. Nur 48,5 Prozent fühlen sich hier (sehr) gut informiert.[6] Das ist bedenklich, da die Abschlussprüfungen in der Oberhoheit der Kammern durchgeführt werden. In der erlebten Praxis an den BSZ ist dies aber kein „neues“ Thema.

Übrigens war im zweiten Lockdown ab Dezember 2020 zu beobachten, dass Teilen der Auszubildenden erneut der Zugang zum Online- bzw. Fernunterricht versagt wurde. Anscheinend sah ein Teil der Ausbildungsbetriebe in der rechtlich sicherlich schwierigen Situation die Chance, die Auszubildenden wieder als eher preiswerte Arbeitskräfte zu nutzen. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an „immer“ oder „häufig“ als volle Arbeitskraft/Fachkraft eingesetzt zu werden, trotz laufender Ausbildung.[7]  
Es stellt sich die Frage, ob Kultusbehörden und Kammern der Mut oder das Interesse fehlte, um sich für eine gute Ausbildung im Sinne der Einhaltung von Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrplänen einzusetzen.
Insbesondere das Verhalten der Kammern erscheint fragwürdig, da mit ihnen die Ausbildungsordnungen entwickelt wurden. Ein deutliches Interesse, die Ausbildung in diesem Sinne auch in der Praxis durchzusetzen, wäre also erwartbar. Die rechtswidrige Ausgestaltung der Arbeit an den Wochenenden und die regelmäßige und überbordende Verpflichtung zu ausbildungsfremden Arbeiten wird allerdings von den Auszubildenden im vertrauensvollen Gespräch mit Lehrkräften immer wieder thematisiert.
Fest steht, dass diese Probleme den Beteiligten an der Ausbildung bekannt sind. Die GEW-Fraktion im LHPR hatte bereits vor dem zweiten Lockdown deutlich darauf hingewiesen und im aktuellen Ausbildungsreport des DGB ist das Problem als Schwerpunkt nachzulesen.

Es ist zwingend geboten, dass sich alle Partner der Berufsbildung (im Kern Ausbildungsbetriebe, Kammern, Schulen, Kultusministerium und LaSuB) an einen Tisch setzen und die Erfahrungen der letzten beiden Jahre offen und ehrlich evaluieren.  Das wäre ein Zeichen, wie ernst es den Beteiligten im Freistaat Sachsen ist, eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung abzusichern. An den Lehrkräften unserer BSZ wird es nicht scheitern.

Carsten Müller
Referatsleiter Schulische Bildung
Mitglied im Lehrer­haupt­personalrat – FG Berufliche Schulen


Quellen:
[1] Abteilung Jugend- und Jugendpolitik (Hrsg.): Corona-Ausbildungsstudie. Sonderstudie zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die duale Ausbildung, Berlin 2021, S, 9.
[2] Ebenda.
[3] Ebenda.
[4] Ebenda.
[5] A.a.O., S.16.
[6] A.a.O., S. 37.
[7] A.a.O., S. 35.