Nun hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 10. Oktober 2017 festgestellt, dass die gegenwärtigen Regelungen des Personenstandsrechts mit den grundgesetzlichen Anforderungen „insoweit nicht vereinbar“ sind, als § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG) neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen.
Kläger*in Vanja hatte im Sommer 2014 bei einem Standesamt bei Hannover einen Antrag gestellt, das Geschlecht von "weiblich" zu "inter/divers" zu ändern. Die Behörde lehnte dies unter Verweis auf die fehlenden Rechtsvorschriften ab. Auch die darauf folgenden Klagen der intersexuellen Person waren erfolglos geblieben, bis Vanja vor das Verfassungsgericht zog.
In der Pressemitteilung Nr. 95/2017 vom 8. November 2017 verweisen die Richter auf verschiedene Möglichkeiten, die Verfassungsverstöße des bisherigen Rechts zu beseitigen.
„So könnte der Gesetzgeber auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichten. Er kann aber stattdessen auch für die betroffenen Personen die Möglichkeit schaffen, eine weitere positive Bezeichnung eines Geschlechts zu wählen, das nicht männlich oder weiblich ist. Dabei ist der Gesetzgeber nicht auf die Wahl einer der von der antragstellenden Person im fachgerichtlichen Verfahren verfolgten Bezeichnungen beschränkt.“
Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2018 eine Neureglung zu schaffen.
Damit ist höchstrichterlich festgestellt, dass das nach wie vor weit verbreitete rein binäre Denken der Vergangenheit angehören muss. Es gibt halt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde… (frei nach Shakespeares Hamlet).
Intersexuelle Menschen „entsprechen“ mit der Ausbildung ihrer „primären“ Geschlechtsmerkmale nicht den medizinisch „gängigen“ und „erwarteten“ ausschließlich männlich oder weiblich definierten Erscheinungen. In der Pathologisierung ihres Besonders-Seins wird ihnen oft „volles Menschsein“ verwehrt. Darin besteht die Diskriminierung.
Und sie leben unter uns und sie leben mit uns, oftmals unerkannt und unbenannt.
Leid erfuhren viele wegen fremdbestimmter Eingriffe zur medizinischen „Anpassung“ in die sogenannte „gesellschaftliche Norm“. Neues Denken ist auch hier von Nöten.
In einer geschlechtersensiblen Sprache geben uns Stern „*“ oder Unterstrich „_“ die Möglichkeit, auf eine dritte Option hinzuweisen und damit jene Menschen einzuschließen. Die neueste (27.) Auflage des DUDEN (Die Deutsche Rechtschreibung) führt immerhin schon folgenden Eintrag: Gendergap, Gender-Gap (S. 484), als Beispiel lesen wir „Lehrer_in“.
Menschenrechte sind nicht teilbar.