Faire Lehre, Vergütungen und Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Lehrbeauftragten an den sächsischen Hochschulen
Die GEW Sachsen setzt sich bei der Staatsregierung dafür ein, dass diese mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten die erforderlichen Maßnahmen für eine deutliche Verbesserung der Situation der Lehrbeauftragten an den sächsischen Hochschulen durch die unverzügliche Schaffung fairer Beschäftigungsbedingungen und Vergütungen zu ergreifen und hierzu insbesondere die notwendigen Vorkehrungen zu treffen sowie dem Landtag die erforderliche Gesetzesinitiative vorzulegen, damit künftig
- die Vertragsverhältnisse zwischen Hochschule und Lehrbeauftragten durch eine rechtsklare gesetzliche Formulierung als Honorarverträge bzw. als freie Dienstverträge freiberuflicher Tätigkeit rechtsverbindlich ausgestaltet werden,
- grundständige Lehre nicht durch Erteilung von Lehraufträgen, sondern durch die Begründung von Arbeitsverhältnissen wahrgenommen wird,
- die Vergütungen für die Lehrbeauftragten an den sächsischen Hochschulen vorerst auf mindestens 75 Euro/Unterrichtsstunde erhöht werden. Diese Festlegung der Vergütung von Lehrbeauftragten entspricht dem Lohnäquivalent einer oder eines vergleichbaren Tarifbeschäftigten zusätzlich der erforderlichen Vor- und Nachbereitung und des organisatorischen Aufwandes und des Risikos eines selbständigen Unternehmers. Künftig müssen die Vergütungen entsprechend der Entwicklung der Besoldung und der Vergütung im öffentlichen Dienst angepasst werden.
- den Lehrbeauftragten mitgliedschaftliche Rechte an den Hochschulen gewährt werden, um demokratische Teilhabe an den Entscheidungsprozessen der Hochschulen zu garantieren.
Dafür organisiert die GEW Sachsen die betroffenen Lehrbeauftragten, um ihre Interessen gewerkschaftlich zu vertreten und gemeinsam mit den Lehrbeauftragteninitiativen an sächsischen Kunst- und Musikhochschulen durchzusetzen. Wir unterstützen dabei die Vernetzung mit Lehrbeauftragten an andern Hochschultypen und Bildungseinrichtungen.
Beschluss GT/2023/18 - 2. Arbeitsmarkt-, Tarif- und Sozialpolitik
Begründung des Antragstellers (Referat Hochschule und Forschung) zum entsprechenden Antrag – nicht Bestandteil des Beschlusses -:
An den sächsischen Kunst- und Musikhochschulen werden seit mehr als 30 Jahren Lehraufträge vergeben, welche den Lehrenden keine angemessene Bezahlung oder Lebensabsicherung bieten. Momentan befinden sich unter den Lehrbeauftragten an den Musikhochschulen nur 15 % festangestellte Orchestermusiker*innen, die durch ihre Festanstellung abgesichert sind. Der größte Teil sind freischaffende Dozent*innen und Musiker*innen. Für die Lehrbeauftragten braucht es endlich gute Arbeitsbedingungen. Das heißt einerseits eine Vertragsgestaltung auf Augenhöhe und andererseits eine faire Vergütung, die auch die nicht sichtbare Arbeit berücksichtigt.
Die Lehrbeauftragten an den Kunst- und Musikhochschulen decken einen Großteil grundständiger Lehre ab (bis zu 50%), werden aber nicht dementsprechend bezahlt. An den Musikhochschulen wird nur die gehaltene Unterrichtseinheit vergütet, Vor- und Nachbereitungszeit jedoch nicht. Dabei werden sämtliche Abgaben und Nebenkosten eine*r Angestellten eingespart. Hinzu kommt, dass das komplette Risiko der freischaffenden Tätigkeit bei den Lehrenden liegt, ohne dass die Hochschulen dies durch eine faire Bezahlung kompensieren.
Das Berufsbild der Absolvent*innen an den sächsischen Musikhochschulen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert: Einerseits wurden immer mehr Planstellen in den Orchestern und Theatern gestrichen und andererseits ist die Zahl der Studierenden, besonders in den Studiengängen Lehramt, Jazz/Rock/Pop, neue Musik, Komposition u. a., deutlich gestiegen. Heutzutage findet nur jede*r fünfte Student*in im Bereich Orchestermusik eine Stelle im Orchester. Somit werden ein Großteil der Studierenden nach dem Studium einer freischaffenden Tätigkeit auf der Bühne und/oder in der Lehre entgegensehen. Diese Perspektive können und müssen die Lehrenden an den Musikhochschulen vermitteln.
Problematisch ist zudem die derzeitige rechtliche Ausgestaltung der Lehraufträge als einen Verwaltungsakt, mit dem ein Über-/Unterordnungsverhältnis begründet wird. Das lässt für eine Inhaltskontrolle nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechts und des Arbeitsrechts, d. h. für eine Sicherstellung ausgewogener Rechte und Pflichten für beide Seiten keinerlei Raum.Die Absurdität dieser Praxis findet auch in der arbeitsrechtlichen Fachliteratur ein Echo: „Bedenklich ist, dass mit dieser Konstruktion der öffentliche Dienst im Hochschulbereich die Bindungen des Arbeitsrechts beiseiteschieben kann. Dies gilt selbst dann, wenn fehlerhaft ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis begründet wurde. Zuständig für den Rechtsschutz sind die Verwaltungsgerichte, die aber kein Arbeitsrecht anwenden.“ (Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, BGB § 611a Rn. 133). Daher bedarf es einer künftig rechtsklaren gesetzlichen Formulierung der Vertragsverhältnisse zwischen Hochschule und Lehrbeauftragten als Honorarverträge bzw. als freie Dienstverträge freiberuflicher Tätigkeit.
Darüber hinaus müssen auch Daueraufgaben in der Lehre in reguläre Dienstverhältnisse überführt werden, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben gemäß Artikel 91 Absatz 1 Sächsische Verfassung („Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.“) nachzukommen.
Da bisher eine „angemessene Vergütung“ allein unter dem Aspekt der budgettechnischen Ausstattung der Hochschulen betrachtet wurde, muss die Vergütung der Lehre endlich rechtlich kraft Gesetzes gesichert und an das Tarifrecht gebunden werden.
Als eine angemessene Vergütung gilt grundsätzlich das Lohnäquivalent eine*r vergleichbaren Tarifbeschäftigten. An den Hochschulen werden die künstlerischen Mitarbeiter*innen in der Entgeltgruppe E 13 beschäftigt. Dabei ist regelmäßig das Dreifache der Zeit der Lehrveranstaltung als Arbeitszeit für die Vor- und Nachbereitung, für die Erstellung von Lehrmaterialien sowie Organisation und Koordination zu veranschlagen. Bei der Festsetzung der Höhe der Lehrauftragsentgelte ist die Entwicklung der Vergütung im öffentlichen Dienst zu berücksichtigen. Die Anerkennung des Lehrauftrages als einschlägige Berufserfahrung der Protokollerklärung § 16 Absatz 2 TV-L (Erfahrungsstufe) muss darüber hinaus gewährleistet werden.
Vor dem Hintergrund, dass die Lehrbeauftragten an den sächsischen Musikhochschulen inzwischen die zweitgrößte Mitgliedergruppe an ihrer jeweiligen Institution bilden, braucht es für diese Gruppe die gesetzlich verankerte Mitgliedschaft bzw. die Gewährung derselben mitgliedschaftlichen Rechte. Dieser Anteil an Lehrenden darf aufgrund seiner Einordnung in die Personalkategorie „Lehrbeauftragte“ nicht länger von demokratischen Prozessen der Hochschule ausgeschlossen sein. Eine zukunftsfähige Entwicklung der Kunst- und Musikhochschulen kann nur dann gewährleistet werden, wenn die Angehörigen der Gruppe der Lehrbeauftragten insbesondere über künstlerische Entwicklungsvorhaben und über Berufungen mitbestimmen können und auch für diese Tätigkeiten vergütet werden.