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Schule

Erwartungshorizont für die Gestaltung der Arbeit des Kultusministeriums

Mehrere Schulen in Sachsen haben gemeinsam einen Erwartungshorizont für die Gestaltung der Arbeit des Kultusministeriums verfasst und uns zur Veröffentlichung geschickt. Als GEW Sachsen können wir uns diesem vollkommen anschließen.

Seit 1990 hat das Kultusministerium in Sachsen vielfältige Erfahrungen mit der Gestaltung des Schulwesens im Freistaat sammeln können. Zwar sind die technischen, räumlichen und personellen Voraussetzungen von Schule zu Schule unterschiedlich schlecht. Trotzdem gelang es den meisten Lehrer*innen trotz massiver Fehlplanungen, die Schüler*innen in den Schulen kontinuierlich anzuleiten und zu betreuen. Die allermeisten Lehrerinnen und Lehrer zeigen hierbei ein außerordentliches Engagement und hohe Kreativität. Von diesen werden nun berechtigte Ansprüche an das Ministerium angemeldet. Alle sind objektiv erfüllbar. Wunschdenken kann und soll Lehrkräfte nicht ersetzen.

Die sächsischen Lehrer*innen leben seit Bestehen des Freistaates im bildungspolitischen Ausnahmezustand; zuerst nutzte das Ministerium den vorübergehenden Schüler*innenmangel zu Zwangsteilzeit und zur Schließung vieler Schulen. Wenige Jahre später platzten die Schulen aus allen Nähten und die Kollegien kümmerten sich in übervollen Klassen auch um die Ausbildung der Seiteneinsteiger*innen. Dazu wuchs das Aufgabenfeld von Jahr zu Jahr: Inklusion, moderne Unterrichts- und Aufgabenkultur, Ganztagsschulen, DaZ-Klassen, Digitalisierung – alles trugen die Schulen und Lehrer*innen in Eigenregie, ohne hinreichende Fortbildungsangebote, ohne Unterstützung durch notwendiges Fachpersonal, ohne hinreichende Anrechnungsstunden. Zum Dank wurde ein Großteil des Kollegiums von der Verbeamtung ausgeschlossen oder wurden bei Brüchen in der Erwerbsbiografie nachteilig eingruppiert.

In der Corona-Pandemie tragen die Lehrer*innen die gesundheitlichen und politischen Lasten der Krise. Kurz vor den Schließungen der Schulen betrug die Inzidenz an den Schulen über 1.000, dennoch war der Krankenstand außerordentlich gering. Durch den Fernunterricht wird die Arbeitszeit entgrenzt, Wochenenden und freie Arbeiten wurden durch globale Erreichbarkeit ersetzt. Innerhalb einer Klasse liegen neben der bereits bestehenden Heterogenität unterschiedliche technische Voraussetzungen vor und dennoch soll ein Unterricht für alle stattfinden. Die geringe Verlässlichkeit der Lernplattformen erfordert weiterhin die doppelte und dreifache Planung jeder Stunde. Hinzu betreuen viele Lehrer*innen selbst die eigenen Kinder zu Hause. Es liegt in der Hand des Kultusministeriums, endlich kurz-, mittel- und langfristig für die technische, personelle und räumliche Infrastruktur zu sorgen, dass Lehrer*nnen die Verantwortung für die Schüler*innen wahrnehmen können – ein ganzes Arbeitsleben hindurch.

Der folgende Rahmen umreißt auf der Basis der bisher an den Schulen gesammelten Informationen und Empfehlungen wichtige Standards für die Gestaltung der Ministeriumsarbeit. Diese Aspekte bedürfen seitens des Kultusministeriums besonderer Aufmerksamkeit und entsprechender Berücksichtigung:

1. Verlässliche Strukturen und Verbindlichkeit sichern

Trotz entsprechender Warnungen aus den Schulen wurden die Sommer- und Herbstmonate nicht genutzt, um die digitalen Lernplattformen fernunterrichtsfest zu machen. Die Funktionsfähigkeit ist für die Zukunft zu gewährleisten.

Unabhängig vom Geldbeutel der Eltern müssen alle Schüler*innen die technischen Voraussetzungen zur Teilnahme an einem interaktiven Digitalunterricht erfüllen können. Die Leihgeräte der Schüler*innen müssen die Teilnahme an Videokonferenz in Wort und Bild ermöglichen. Es ist sicherzustellen, dass Schulen, Lehrer*innen und Schüler*innen über einen zuverlässigen und bedarfsgerechten Internetanschluss verfügen.
Die Regelungen über Schulschließungen und -öffnungen sind entsprechend der gültigen Verordnungen verbindlich einzuhalten, um allen am Schulleben Beteiligten eine sichere Planungsgrundlage zu geben.

2. Regelmäßige und transparente Kommunikation des Ministeriums mit den Kolleg*innen

Erwartungen des Ministeriums an das Personal haben zukünftig erst in direkter Kommunikation mit den Beschäftigten zu erfolgen und erst später über die Medien. Die Haltung der Kolleg*innen und ihrer Vertretungen sind gleichberechtigt mit der Haltung des Ministeriums darzustellen.

3. Standards für das pädagogische Handeln ermöglichen sowie Gestaltungsspielräume und Methodenvielfalt sicherstellen

Die Verwaltung der digitalen Infrastruktur muss durch entsprechendes Fachpersonal erfolgen und darf nicht auf die Informatiklehrer*innen abgewälzt werden. Für die Betreuung und Wartung der schulischen Infrastruktur muss jede Schule daher mit qualifiziertem IT-Personal verstärkt werden. Es ist bei zunehmender Arbeitsbelastung nicht tragbar, dass Informatik-Lehrer*innen diese Last alleine schultern. Die Sekretariate der Schulen sind personell so auszustatten, dass diese auch in Krisenzeiten handlungsfähig bleiben.

Die Lehrplananpassungen müssen zeitnah im Frühjahr 2021 erfolgen, um das restliche Schuljahr effektiv und zielführend für alle Beteiligten planen zu können. Lehrplanstreichungen dürfen zudem nicht nur kosmetischer Natur sein, sondern müssen eine tatsächliche Erleichterung für Schüler*innen darstellen. Insbesondere muss in der Sekundarstufe I eine Verlässlichkeit hinsichtlich der zu unterrichtenden Inhalte erfolgen, um auch im kommenden Schuljahr angemessen anknüpfen zu können. Für die Lernstandserhebungen sind einheitliche Standards zu setzen.

Die Schulen müssen personell so ausgestattet werden, dass sie Schüler*innen mit Problemen verlässlich zur Seite stehen können. Das SMK hat auch öffentlich zu machen, dass mit der zu geringen Lehrer*innenstellenzahl und der damit verbundenen Streichung des Ergänzungsbereiches politisch entschieden wurde, dass die Schüler*innen vor, während und ggf. nach der Pandemie nicht ausreichend individuell gefördert werden können.

4. Sachliche Dokumentation statt populistischer Vorurteile

Das Kultusministerium dokumentiert den tatsächlich geleisteten Aufwand und sichert ab, dass der Fernunterricht in seinem ganzheitlichen Prozess evaluiert wird. An der Evaluation sind Gewerkschaften und Personalräte zu beteiligen. Gerade im Fernunterricht verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Lehrer*innen sind häufig bis in die späten Abendstunden oder am Wochenende für die Schüler*innen erreichbar. Unterricht muss häufig doppelt und dreifach geplant werden, da die technische Infrastruktur nicht zuverlässig ist. Bestehende Unterrichtsplanungen werden zeitaufwändig in digitale Formate übertragen. Ohne eine sachliche, kriteriengeleitete und ganzheitliche Evaluation hat das Ministerium kein Urteil über die geleistete Arbeit des Personals zu fällen.

5. Anforderungen an den künftigen politischen Prozess

  • Neben der Schnelltestung ist die Entwicklung des Infektionsgeschehens an den Schulen durch Hinzuziehung epidemiologischer und statistischer Expert*innen zu verfolgen.
  • Der Unterricht im Wechselsystem stellt eine Doppelbelastung für Kolleg*innen dar. Diese ist bei allen künftigen Planungen und Äußerungen des Kultusministeriums zu berücksichtigen.
  • Es ist ein Konzept zu entwickeln, welches die Persönlichkeitsrechte von Lehrer*innen und Schüler*innen im digitalen Unterricht wahrt.
  • Zur Erleichterung des digitalen Unterrichts hat das Land Sachsen eine zentrale Sammlung bisher erstellter digitaler Unterrichtsmaterialien anzulegen.
  • Das Kultusministerium hat bereits vor den Abschlussprüfungen ein Konzept auszuarbeiten, um zu gewährleisten, dass die aktuellen Abschlussklassen nicht auf dem Arbeitsmarkt oder bei den Hochschulzulassungen benachteiligt werden.

Kontakt
GEW Sachsen
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