Schule
GEW Sachsen: „Die Behauptung, die Arbeitszeit von Lehrkräften sei eine Black Box, ist schlicht falsch”
Das Sächsische Kultusministerium hat heute in Dresden die Pläne zur Durchführung einer sächsischen Studie zur Lehrkräftearbeitszeit vorgestellt. Die GEW Sachsen hat das Kultusministerium aufgefordert, die Lehrkräfte für die immense Mehrbelastung durch die verpflichtende Teilnahme im Nachgang zeitlich oder finanziell zu entschädigen. Vor allem fordert die GEW Sachsen, die bisherigen wissenschaftlichen Studien ernst zu nehmen und endlich für Entlastung zu sorgen.
Dazu Burkhard Naumann, Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW Sachsen: „Die Behauptung, die Arbeitszeit von Lehrkräften sei eine Black Box, ist schlicht falsch. Bundesweit gibt es bereits mehrere repräsentative Studien. Sie alle zeichnen ein einhelliges Bild: Lehrkräfte haben während der Schulwochen im Durchschnitt eine 50-Stundenwoche. Selbst wenn sie in den Ferien komplett frei nehmen würden, können sie diese Überstunden nicht abbauen. Nicht nur die Arbeitszeit, auch die Belastung ist über alle Schularten so hoch, dass viele Lehrkräfte nach wissenschaftlichen Standards Burnout gefährdet sind. Eine neue Studie in Sachsen bringt sicherlich noch mehr Erkenntnisse. Sie entbindet das Kultusministerium aber nicht von seiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber, endlich für mehr Entlastung zu sorgen.“
Auf Basis von umfangreichen Erhebungen hat die Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen unter Leitung von Dr. Frank Mußmann 2022 eine repräsentative Studie zu Arbeitsbelastung und Arbeitszeit sächsischer Lehrkräfte durchgeführt, an der sich 1.473 Lehrkräfte von 300 sächsischen Schulen beteiligten. Demnach haben Lehrkräfte in Sachsen in den Schulwochen im Durchschnitt eine 50-Stundenwoche (49:58 – hh:mm), an Gymnasien sogar 51 Stunden (51:06). Ein Drittel der Vollzeitkräfte in Sachsen arbeitet während der Schulzeit mehr als 48 Stunden pro Woche, was gegen geltende Arbeitsschutznormen verstößt. Zentrale Treiber der Mehrarbeit sind neue und zusätzliche Aufgaben. Im Ergebnis führt dies bei einem Teil hochbelasteter Lehrkräfte zu deutlich erhöhten Burnoutwerten mit entsprechenden gesundheitlichen Risiken. Die GEW Sachsen fordert deshalb Entlastung durch die Streichung von Aufgaben oder die Abgabe an andere Berufsgruppen und damit den deutlichen Ausbau der multiprofessionellen Teams mit zusätzlichem Personal an allen Schulen.
„Wenngleich wir begrüßen, dass das Kultusministerium auf wissenschaftliche Erkenntnisse setzt, sind wir dennoch irritiert, dass die bisherigen Ergebnisse aus der Wissenschaft offenbar ignoriert werden. Für die ausgewählten Lehrkräfte ist die neue Studie zudem eine immense Mehrbelastung, insbesondere, da sie sich ihre Teilnahme nicht aussuchen können. Deshalb haben wir das Kultusministerium aufgefordert, dass die Lehrkräfte im Nachgang der Studie entweder eine zeitliche oder eine finanzielle Entschädigung für die Teilnahme erhalten”, erklärt Naumann abschließend.
Die Universität Göttingen hat unter Leitung von Dr. Frank Mußmann bisher neben der sächsischen Studie folgende repräsentative Arbeitszeitstudien durchgeführt:
- In Niedersachsen erfassten 2.869 Lehrkräfte an allen Schularten ihre Arbeitszeit für das gesamte Schuljahr 2015/16
- In Frankfurt a.M. erfassten 2020 1.199 Lehrkräfte ihre Arbeitszeit, 1.477 Lehrkräfte nahmen zudem an einer entsprechenden Befragung teil
- Im Rahmen einer bundesweiten Studie zur Digitalisierung im Schulsystem wurde 2021 auch die Arbeitszeit der 2.750 teilnehmenden Lehrkräfte in allen Bundesländern untersucht
- In Berlin werden aktuell in einer umfangreichen Studie die Arbeitsbelastung und Arbeitszeit von Lehrkräften, Schulleitungen, Fachpraxislehrkräften, pädagogischen Unterrichtshilfen etc. an allen Schularten für ein Schuljahr erfasst, Zwischenergebnisse liegen bereits vor
- In Hamburg läuft parallel eine ähnliche Untersuchung in diesem Schuljahr
Eine Übersicht und die einzelnen Ergebnisse sind hier zu finden: https://kooperationsstelle.uni-goettingen.de/projekte.