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Interview

Der erste studentische Personalrat in Sachsen

Steffen Scholz hat es getan. Als studentisch Beschäftigter ist er über die GEW-Liste in den Gesamtpersonalrat der Universität Leipzig eingezogen. Ein historisches Ereignis. Schließlich vertritt er als einziger Student an einer sächsischen Hochschule die besonders prekäre Gruppe der studentischen „Hilfskräfte“ (kurz: SHK). Was ihn motiviert hat und weshalb studentisch Beschäftigte äußerst selten in Personalräte eintreten, erzählt er uns im Interview.

Steffen Scholz (28, M.A. Kulturwissenschaften)

e&w: Hallo Steffen, wie kam es dazu, dass du dich dafür entschieden hast, für den Gesamtpersonalrat der Uni Leipzig zu kandidieren?
Steffen: Hallo! Ich bin schon seit längerem Mitglied der GEW und habe nach Möglichkeiten gesucht, die schwächeren Glieder der universitären Gesamtstruktur zu unterstützen. Mit besonders viel Aufmerksamkeit habe ich die Initiativen für den universitären Mittelbau verfolgt, die für mich die notwendige und späte Reaktion auf den katastrophalen Beschäftigungszustand an der Uni darstellen. Die dauernde Abfolge von befristeten Verträgen und erzwungenen Standortwechseln ist eine Herausforderung für die individuelle Lebensplanung. Die gesellschaftlich wichtige wissenschaftliche Arbeit wird damit nicht nur in ihrer Qualität bedroht, sondern ist mit beinahe unzumutbaren Kosten für die jeweils Betroffenen verbunden. Die Kandidatur für den Gesamtpersonalrat war so für mich die kurzfristige Möglichkeit, einen tieferen Einblick in die politischen Abläufe der Universität zu bekommen und gleichzeitig dort auch auf die Situation von den ebenfalls stets befristet angestellten SHKs aufmerksam zu machen.

e&w: Welche Probleme beschäftigen gerade die studentisch Beschäftigten?
Steffen: Die studentisch Beschäftigten sind im Bereich SHK/WHK in ihrem Lebenslauf schon früh von den Problemen der oben angesprochenen Organisation universitärer Beschäftigung betroffen. Eine Garantie der dauerhaften Anstellung gibt es selten und in den meisten Fällen wird extrem viel unbezahlte Arbeit verlangt, was jedoch unter dem Deckmantel der idealistischen Vorstellung von Selbstbildung zumeist unsichtbar verbleibt. Davon sind besonders die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen betroffen, die sich auf ihre Promotion vorbereiten. Durch diese Perspektive entscheiden sich schon viele, wissenschaftlich durchaus sehr fähige Personen, dazu, auf eine längerfristige Anstellung bzw. die Suche danach zu verzichten.

e&w: Welche Erfahrungen hast du im „Wahlkampf“ bzw. im Vorfeld der Wahlen gemacht?
Steffen: Da es sich um vorgezogene Neuwahlen handelte, hat es keinen größeren Wahlkampf gegeben. Es stand nur eine geringe Zahl an Personen zur Verfügung und die notwendigen Informationen waren nicht ausreichend verbreitet. Bei den mir Bekannten studentisch Beschäftigen ist noch niemand wirklich in der GEW organisiert, die/der sich unter anderem an den Personalratswahlen beteiligt hat. Eines der größten Probleme bezüglich der Informationsverbreitung stellt jedoch die Uni selbst dar. Von ihrer Seite aus erfolgte keinerlei Aufklärung über die Möglichkeit der Teilnahme an Wahlen oder gar der Existenz der Personalräte überhaupt.  Die Möglichkeit sich als SHK selber zur Wahl zu stellen, wurde selbstverständlich auch nicht erwähnt. Laut Nachforschungen weigert sich die Uni bei den Vertragsunterzeichnungen der SHKs den zukünftigen Beschäftigten eine entsprechende Information zukommen zu lassen, was zumindest die Chance auf eine höhere Wahlbeteiligung vermindert.

e&w: Welche Erfahrungen hast du seit deinem Amtsantritt im Personalrat gemacht? Was sind deine Arbeitsbereiche dort?
Steffen: Da erst zwei Sitzungen stattgefunden haben, kann ich dazu noch nicht viel sagen. In erster Linie beschäftige ich mich derzeit mit den Aufgaben der personellen Interessensvertretung überhaupt, also ihren Möglichkeiten aber auch Begrenzungen. Aufgrund meiner Situation als studentisch Beschäftigter habe ich natürlich vor, mich für Verbesserungen in diesem Bereich einzusetzen und eine Übersicht über die jeweils unterschiedlichen Situationen der Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen an der Uni zu bekommen. Studentisch Beschäftigte unterstützen ja nicht nur Professoren und Professorinnen, sondern arbeiten in den Laboren, pflegen Tiere in den Tierkliniken oder halten die Bibliothek am Laufen.

e&w: Du bist der erste studentische Beschäftigte in Sachsen, der in einen Personalrat gegangen ist. Warum, denkst du, stellen sich studentische Beschäftigte so äußerst selten auf?
Steffen:
Neben den schon angeführten fehlenden Informationen – sei es nun selbstverursacht oder stellenweise aktiv blockiert, stellt eine weitere Hürde für die SHKs die Voraussetzung dar, länger als ein Jahr in Folge als SHK beschäftigt zu sein. Deren Verträge gelten häufig jedoch nur ein halbes Jahr oder ein Jahr und werden im Anschluss meist nicht direkt verlängert, von Ausnahmen abgesehen.

e&w: Siehst du auch in Sachsen den Bedarf für eigene studentische Personalräte, wie es sie in Berlin gibt?
Steffen:
Für mich hat sich der Gesamtpersonalrat bislang als sehr offen für studentische Interessen gezeigt. Eine größere Beteiligung studentisch Beschäftigter an den bestehenden Personalräten dürfte also ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Falls sich jedoch ein anderes Bild andeuten sollte als bislang, stelle ich mir jedoch auch die Schaffung eines eigenen studentischen Personalrats als wichtiges Ziel vor.

Das Interview führte Paul Fietz, Sprecher der Jungen GEW.

Kontakt
Paul Fietz
Tarifreferent der GEW Mecklenburg-Vorpommern
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