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Betriebsratswahlen 2022

Zusammen weiter gehen!

„In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt.“ Das ist der erste Satz des vor genau 50 Jahren novellierten Betriebsverfassungsgesetzes, das getreu dem Leitziel „Mehr Demokratie wagen” der damaligen Bundesregierung die Rechte von Arbeitnehmer*innen grundlegend stärkte und die betriebliche Mitbestimmung ausbaute.

2022 stehen in einem Großteil der Betriebe wieder Betriebsratswahlen an – und mit dem im vergangenen Jahr verabschiedeten Betriebsräte­modernisierungsgesetz sowie der Novellierung der Wahlordnung sollen Betriebsratswahlen und die Arbeit von bestehenden Betriebsräten vereinfacht und besser geschützt werden.

Die Modernisierung des Gesetzes kommt für Beschäftigte und Gewerkschaften keinesfalls zu früh, denn noch immer sind Betriebe nicht flächendeckend von Arbeitnehmer*innen mitbestimmt. Repräsentative Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigen, dass nur etwa 47 % der Beschäftigten in Betrieben in Westdeutschland und nur etwa 43 % der Beschäftigten in Betrieben in Ostdeutschland mit betrieblicher Mitbestimmung tätig sind. In Sachsen lässt sich das deckungsgleich ablesen: Hier haben 44 % der Beschäftigten einen Betriebsrat. Betrachtet man die Gesamtheit der sächsischen Betriebe mit mindestens fünf Beschäftigten, kommt man zu dem ernüchternden Ergebnis, dass lediglich 13 % der Betriebe eine betriebliche Interessenvertretung haben. Je weniger Beschäftigte, desto seltener gibt es einen Betriebsrat – so die Ergebnisse der Studie. Daraus lässt sich ableiten, dass private Einrichtungen des Bildungswesens häufiger eine betriebliche Interessenvertretung haben, als andere Arbeitsbereiche, da es in diesen schlichtweg mehr Personal gibt. [1]

Das bedeutet allerdings nicht, dass Arbeitnehmer*innen wenig Interesse an betrieblicher Mitbestimmung haben. Generell schätzen die meisten Beschäftigten Mitbestimmung im Betrieb als positiv ein und wünschen sich einen größeren Einfluss. Sichtbar ist jedoch, dass es große Wissenslücken um die Beteiligungsrechte in Betrieben gibt und beispielsweise nur ca. ein Drittel der Beschäftigten weiß, was Betriebsräte eigentlich sind. [2] Ebenfalls ist es unstrittig, dass Arbeitgeber*innen immer wieder die Neugründung von Betriebsräten be- und verhindern. Gewerkschaften berichten dabei von einer Vielzahl an Maßnahmen, unter anderem die Einschüchterung möglicher Kandidat*innen, die Verhinderung der Bestellung von Wahlvorständen oder die Unterstützung arbeitgebernaher Kandidat*innen. [3]

Mit der Überarbeitung der Wahlordnung soll der Wahlvorgang erleichtert werden. So haben Wahlvorstände unter anderem ab sofort die Möglichkeit, ihre Sitzungen als Video- oder Telefonkonferenzen abzuhalten, was eine enorme Arbeitserleichterung bedeutet. Außerdem wurde der Rahmen für die Briefwahl erweitert – eine weitere positive Entwicklung in der Organisation von Wahlen. Auch von der Bundesregierung wird angehenden Betriebsräten ab sofort mehr Rückendeckung bei der Gründung zugesichert: Mit der Verschärfung des Strafrechts sollen die Störung und Behinderung von Betriebsratsgründungen erschwert werden. Künftig sollen die Behörden schon bei Kenntnis von Behinderungen ermitteln, das Stellen einer Anzeige soll nicht mehr nötig sein.

Ob und inwiefern diese Reformen die anstehenden Wahlen vereinfachen, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Eine bloße Gesetzesänderung wird Arbeitgeber*innen nicht zu einem Umdenken in der Bewertung von und in der Zusammenarbeit mit Interessenvertretungen bewegen. Daher ist es wichtig, die Beschäftigten zu informieren und über ihre Rechte aufzuklären. Je mehr Kolleg*innen ihr Mitwirkungsrecht im Betrieb wahrnehmen, desto wirksamer ist ein Betriebsrat! Die GEW unterstützt ihre Mitglieder bei der Gründung von Betriebsräten und berät bestehende Betriebsräte bei ihrer Arbeit.

Mehr Informationen und die Kontaktdaten eurer GEW-Ansprechpartner*innen findet ihr hier: 
https://www.gew-sachsen.de/mitbestimmung/betriebsraete
 

Susanne Richter
Gewerkschaftssekretärin
susanne.richter(at)gew-sachsen(dot)de

Quellen:
[1] IAB Betriebspanel, Befragungswelle 2019. Teilgesamtheit:
Nur Betriebe mit mind. 5 Beschäftigten
[2] Werner Nienhüser, Heiko Hoßfeld, Esther Glück, Lukas Gödde:
Was Menschen über Mitbestimmung denken. Empirische Analysen,
Study der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 408, Dezember 2018
[3] Martin Behrens, Heiner Dribbusch: Umkämpfte Mitbestimmung:
Ergebnisse der dritten Befragung zur Be- und Verhinderung von Betriebsratswahlen.
In: WSI-Mitteilungen 4/2020.

Kontakt
Susanne Richter
Gewerkschaftssekretärin BV Leipzig
Adresse Nonnenstraße 58
04229 Leipzig
Telefon:  0341 4947-474
Mobil:  0173 3928602
Fax:  0341 4947-471