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Wie können die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zur Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beitragen?
Das ArbZG wurde 1994 erlassen, um die „EU-Richtlinie 93/104/EG in Bezug auf die Arbeitszeitgestaltung“ umzusetzen und nach dem Fall der Mauer das Arbeitszeitrecht in der Bundesrepublik zu vereinheitlichen.
In Westdeutschland war die Arbeitszeit in der Arbeitszeitordnung (AZO) und in unterschiedlichen Spezialgesetzen geregelt, während in der DDR das 8. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der Arbeitszeit gewidmet war. Das ArbZG soll den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmenden gewährleisten (§ 1). Deswegen sind im Gesetz zum Beispiel die Höchstarbeitszeiten (§ 3), Pausenzeiten (§ 4), Mindestruhezeiten (§ 5), und die Sonn- und Feiertagsruhe (§ 9) detailliert geregelt.
Aktuell wird das ArbZG überarbeitet, da in Umsetzung der „EU-Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung“ und der diesbezüglichen EU-Rechtsprechung Ausnahmeregelungen für verschiedene Personengruppen (u. a. für Lehrkräfte im öffentlichen Dienst) überprüft werden; die Pflicht zu Erfassung sämtlicher Arbeitszeit aufgenommen und Vorgaben für die Art und Weise der Arbeitszeiterfassung konkretisiert werden müssen. Es lohnt sich auch für Lehrkräfte, sich mit den Regelungen des ArbZG zu beschäftigen, da nicht auszuschließen ist, dass eine Vielzahl der Schutzvorschriften des ArbZG in Zukunft auch für sie unmittelbar gelten werden. Noch besteht in der Politik jedoch keine Einigkeit, ob die Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen aufgrund der Besonderheiten des Berufes von der Pflicht der Arbeitszeiterfassung ausgenommen sein könnten.
Für wen gilt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)?
Es gilt verbindlich für fast alle Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Ausgenommen sind nur spezielle Personengruppen wie Selbstständige, Führungskräfte, Beamt*innen sowie Arbeitnehmende, denen von den zuständigen Behörden die Regelungen über die Arbeitszeit übertragen worden sind, die eigentlich nur für die Beamt*innen gelten (§ 19). Ausgenommen von der Geltung des Gesetzes sind daher sowohl verbeamtete als auch angestellte Lehrkräfte im öffentlichen Dienst (vgl. auch § 44 Abs. 2 TV-L). Die letztgenannten Gruppen können sich auf die „EU-Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung“ als Schutzvorschrift in Arbeitszeitfragen beziehen. Die genauen Rechtsfolgen dieser EU-Richtlinie sind derzeit aber noch umstritten. Eine Neuregelung im ArbZG war bereits angekündigt, lässt aber auf sich warten.
Trifft das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) auch Aussagen über die Bezahlung von Überstunden?
Das ArbZG trifft keine Aussagen über die Vergütungsansprüche in Bezug auf die Arbeitszeit. Regelungen hierzu sind für Arbeitnehmende in den individuellen Arbeitsverträgen und kollektiven Tarifverträgen enthalten. In diesen ist auch geregelt, wie viele Stunden eine Vollzeitstelle sind und ob die Arbeitgebenden Überstunden anweisen dürfen sowie ob und ggf. wie sie diese vergüten.
Wie viele Stunden dürfen Arbeitnehmende gemäß des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) höchstens arbeiten (§ 3)?
Die maximale Arbeitszeit pro Tag beträgt acht Stunden. Sie darf allerdings auf zehn Stunden erhöht werden, wenn innerhalb von einem halben Jahr der Durchschnitt von acht Stunden nicht überschritten wird. Da das ArbZG von einer 6-Tage-Woche ausgeht, ergibt sich eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 60 Stunden, wenn der entsprechende Ausgleich innerhalb eines halben Jahres erfolgt. In einer 5-Tage-Woche würden auch die arbeitsfreien Samstage zum Ausgleich herangezogen werden können. Das Überschreiten der 40-Stundenwoche bis zu maximal 60 Stunden ist daher möglich, solange die Ruhepausen und Ruhezeiten eingehalten werden und im Laufe eines halben Jahres ein Ausgleich erfolgt.
Welche Vorschriften gibt es in Bezug auf die Ruhepausen (§ 4) im Arbeitszeitgesetz (ArbZG)?
Ruhepausen sind Unterbrechungen der Arbeitszeit von mindestens 15 Minuten. Arbeitgebende dürfen niemanden länger als sechs Stunden beschäftigen ohne mindestens 30 Minuten Ruhepause zu gewährleisten. Über neun Stunden darf niemand ohne mindestens 45 Minuten Ruhepause beschäftigt werden. Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgebenden und Arbeitsnehmenden über einen Verzicht der Ruhepausen wäre gesetzeswidrig und damit ungültig (§ 134 BGB). Das ArbZG schreibt nicht vor, was als Ruhepause gilt. Aus der Rechtsprechung zum ArbZG ergibt sich jedoch, dass die Arbeitsnehmenden sich während der Ruhepausen nicht für den Dienst bereithalten müssen und frei entscheiden können, wie und wo sie diese Pausen verbringen (Wirlitsch 2023, S. 69).
Wie ist das Recht auf eine zusammenhängende Ruhezeit (§ 5) zwischen den Arbeitstagen im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geregelt?
Arbeitnehmende müssen zwischen zwei Arbeitstagen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben. Bereitschaftsdienst darf nicht als Ruhezeit gerechnet werden. Es gibt auch keine „Bagatellgrenze“ für die Unterbrechung der Ruhezeit. Selbst das nur kurzzeitige Lesen oder Schreiben von Nachrichten oder Emails auf dem Handy oder anderen elektronischen Geräten hätte zur Folge, dass eine Wiederaufnahme der Arbeit erst 11 Stunden später erlaubt ist (Wirlitsch 2023, S. 75). Ausnahmen von der Regelung zur Ruhezeit sind nur für bestimmte Branchen (Medizin, Pflege- und Betreuung, Gaststätten, Verkehr, Medien und Landwirtschaft) oder aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung möglich. Im letzten Fall müssen dringende betriebliche Gründe nachgewiesen werden (z. B. Störungen der Betriebsabläufe oder außergewöhnliche Reparaturarbeiten), um eine Verkürzung der Ruhezeit zu rechtfertigen. Der Arbeitgebende darf die Ruhezeit einseitig nur dann verkürzen, wenn ein Notfall vorliegt, d. h. ein Ereignis, das die Existenz des Betriebes bedroht (Brand, Überschwemmung u. ä.) und dieses nur durch die Verkürzung der Ruhezeit beseitigt werden kann.
Erlaubt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die Arbeit an Sonn- und Feiertagen (§ 9)?
Nein. Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist grundsätzlich verboten, verboten sind auch: Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Fort- und Weiterbildung und Arbeitsvorbereitungsmaßnahmen. Auch die freiwillige Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist unzulässig. Die Arbeitgebenden dürfen diese nicht dulden. Ausnahmen sind genau definiert für die Branchen, in den auch Ausnahmen von den Ruhezeiten möglich sind sowie für Kirchen, Sicherheitsdienste, Kultureinrichtungen und Tourismusanbietern. Falls Arbeit an Sonn- und Feiertagen aufgrund der gesetzlichen Ausnahmen erlaubt ist, müssen innerhalb von konkreten Fristen Ersatztage für die Erholung gewährt werden.
Was gibt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in Bezug auf die Arbeitszeiterfassung vor?
Die Einhaltung sämtlicher Schutzvorschriften des ArbZG wird von den zuständigen Aufsichtsbehörden (§ 17) – in Sachsen ist das die Landesdirektion Dresden – sowie den Personal- oder Betriebsräten kontrolliert. Aus diesem Grund sieht das Gesetz vor, dass die Arbeitgebenden auch die Mehrarbeitszeiten erfassen und diese Aufzeichnungen 2 Jahre lang aufbewahren müssen (§ 16 Abs. 2).
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 19.09.2022 entschieden, dass sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sogar die Pflicht für die Arbeitgebenden ergibt, die gesamte tägliche Arbeitszeit zu erfassen (1 ABR 22/21) und nicht nur die Mehrarbeit. Für die ordnungsgemäße Erfassung der Arbeitszeit sind grundsätzlich die Arbeitgebenden zuständig. Wenn die Erfassung auf eine andere Person oder die Arbeitnehmenden selbst übertragen wird, müssen die Arbeitgebenden regelmäßig kontrollieren, ob die Aufzeichnungen korrekt sind. Sie behalten damit die Überwachungs- und Kontrollpflicht (Wirlitsch 2023, S. 195).
Was ist bei der Anzeige eines Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zu beachten?
Zuständige Behörde für die Kontrolle der Einhaltung des ArbZG ist in Sachsen die Landesdirektion Dresden mit den Außenstellen in Chemnitz, Leipzig, Bautzen und Zwickau. Bei Verstößen gegen das ArbZG besteht keine Anzeigepflicht. Es können jedoch alle Personen, die Kenntnis von einem Verstoß haben, diesen formlos anzeigen. Im Sinne der vertrauensvollen Zusammenarbeit sollten Betriebs- und Personalräte vor einer Anzeige den Arbeitgebenden durch entsprechende Informationen die Chance geben, Verstöße selbst abzustellen.
Was passiert bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG)?
Bei Verstößen gegen die Schutzvorschriften des ArbZG (z. B. Höchstarbeitszeit, Ruhepausen und -zeiten, Sonn- und Feiertagsarbeit, Pflicht zur Arbeitszeiterfassung) ist zu prüfen, ob es sich um eine Ordnungswidrigkeit (§ 22) oder eine Straftat (§ 23) handelt. Bei Ordnungswidrigkeiten sind Bußgelder bis 30.000 Euro gegen die Arbeitgebenden möglich. Als Straftaten gelten Verstöße gegen die Schutzvorschriften dann, wenn eine Gefährdung der Gesundheit der Beschäftigten vorliegt oder eine beharrliche Wiederholung des Verstoßes. In diesem Fall ist eine Freiheitstrafe bis zu einem Jahr möglich. Die Arbeitnehmenden und die Personal- oder Betriebsräte können nicht wegen des Verstoßes gegen das ArbZG sanktioniert werden (§ 22 Abs. 1 S. 1).
Welche Rechte haben Betriebs- und Personalräte in Bezug auf die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und welche Folgen haben diese Rechte für die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?
Sowohl in § 80 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) als auch in § 73 Abs. 1 Nr. 2 des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes (SächsPersVG) ist festgeschrieben, dass Betriebs- und Personalräte die Aufgabe haben, darüber zu wachen, dass sämtliche Vorschriften und Gesetze zu Gunsten der Beschäftigten auch eingehalten werden. Verstöße können von den Gremien nur kontrolliert werden, wenn ihnen die Aufzeichnungen der Arbeitgebenden über die Mehrarbeit bzw. seit dem BAG-Urteil 2022 der gesamten Arbeitszeit vorliegen. Die Herausgabe der Aufzeichnungen können sie per Beschlussverfahren erzwingen. Damit könnten Betriebs- und Personalräte sozusagen „über Bande“ die Arbeitgebenden verpflichten, eine Arbeitszeiterfassung einzuführen, falls es diese bisher nicht gibt (Engelmann 2024, S. 22).
Welche Konsequenzen könnte die Übertragung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) auf die Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen haben?
Für die Lehrkräfte würde sich bei einer Arbeitszeit (inkl. GTA, Elterngespräche etc.) von über 6 Stunden ein Recht auf eine störungsfreie Pause von 30 Minuten (oder 2 x 15 Minuten) ergeben. Die durchgehende Aufsicht bei Klassenfahrten oder Lesenächten wären mit den Mindestruhezeiten in den wenigsten Fällen vereinbar. Bei einer Anwesenheit zur 1. Stunde um 7:15 Uhr wäre das Lesen und Schreiben von Nachrichten mit dienstlichem Bezug nach 20:15 Uhr nicht mehr möglich. Zu diesem Zeitpunkt müssten auch Elternabende und Schulfeste spätestens enden. Vorbereitungszeit vom Sonntag dürfte nicht als Arbeitszeit erfasst werden bzw. müsste von der Schulleitung unterbunden werden. Da im – auch für die Lehrkräfte geltenden – § 1 der Sächsischen Arbeitszeitverordnung (SächsAZVO) geregelt ist, dass die wöchentliche Höchstarbeitszeit von Beamt*innen in einem Bezugszeitraum von vier Monaten im Durchschnitt 48 Stunden nicht überschritten werden darf, ist die aktuell geltende Höchstarbeitszeitregelung bereits günstiger als die im ArbZG.
Literatur:
Andreas Engelmann: Update: Arbeitszeiterfassung, in: Der Personalrat 4 (2024), S. 20-22.
Michael D. Wirlitsch/Anja Reinke/Simone Breyer: Arbeitszeit in Frage und Antwort. Die wichtigsten Fragen aus der Praxis der Betriebs- und Personalräte, Frankfurt am Main 2023.
04229 Leipzig