Arbeits- und Schulrecht in der Praxis
Wer ständig in der Schulzeit mehr als 45 Stunden pro Woche arbeiten muss, sollte eine Klage in Betracht ziehen
FAQ: Was muss ich beachten, um im öffentlichen Dienst als Lehrkraft mit einer Arbeitszeitklage erfolgreich zu sein?
Bereits im Jahr 2022 hat die von Frank Mußmann und Thomas Hartwig im Auftrag der GEW durchgeführte Arbeitszeitstudie ergeben, dass Vollzeitlehrkräfte in Sachsen auch im Jahresdurchschnitt - also trotz Ausgleich der in den Schulwochen angefallenen Arbeitszeit in den Ferien - auf eine Arbeitswoche von 44-45 Stunden kommen. 36% der sächsischen Vollzeitlehrkräfte überschritten nach Ergebnissen der beiden Forscher sogar die 48-Stunden-Grenze der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Auch die vom Kultusministerium selbst in Auftrag gegebene Arbeitszeitstudie für das Schuljahr 2024/25 kommt im Zwischenbericht für die ersten fünf Monate zu dem Ergebnis, dass ein großer Teil der sächsischen Lehrkräfte signifikant mehr als vorgeschrieben arbeitet. Die – zugegeben etwas verwirrende - Auswertung der Prognos AG zeigt nämlich, dass in den ersten fünf Monaten des Schuljahres 2024/25 für Beschäftigte im öffentlichen Dienst aufgrund der Feiertage eine Sollarbeitszeit von 35,27 Stunden pro Woche gilt. Die Befragung ergab jedoch, dass 29,8 Prozent der Lehrkräfte in diesem Zeitraum jedoch mindesten 40 Stunden pro Woche, also fünf Stunden mehr gearbeitet haben.
Insofern nicht unerwartet erreichen uns als Landesrechtsschutzstelle immer wieder Anfragen von Kolleg:innen, die die immer neuen Aufgaben und die die viele Arbeit in Nächten, Abenden und Wochenenden satthaben und am liebsten gegen den Freistaat vor Gericht ziehen wollen - um einen angemessenen Ausgleich für die viele zusätzliche Arbeit zu bekommen und zukünftig entlastet zu werden. Auf einige der Fragen an uns wollen wir antworten. Zur Sicherheit sei nochmal vorweggestellt, dass durch die aktuell geltende Sonderregelung für Lehrkräfte gemäß § 44 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) die Arbeitszeitregelungen der Beamt:innen auch für tarifbeschäftigte Lehrkräfte gelten.
1) Warum gibt es neuerdings die Einschätzung, dass eine Klage gegen die Zuvielarbeit an Schulen erfolgreich sein könnte?
Im Februar 2025 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg ein Urteil gefällt (Az. 5 LC 193/20, noch nicht rechtskräftig), das die zeitlich überlasteten Lehrkräfte in ihren Rechten erstmals unmissverständlich stärkt. Ein pensionierter Grundschulrektor aus Hannover erhielt eine Entschädigung in Höhe von 31.435,59 Euro für Arbeit, die er in mehreren Jahren über seine reguläre Arbeitszeit hinaus geleistet hatte.
Von den durchschnittlich 8 Stunden und 42 Minuten wöchentlicher Zuvielarbeit pro Jahr, die der Schulleiter geltend gemacht hatte, erkannte das Gericht 5 Stunden und 48 Minuten an. Bemerkenswert an diesem Fall ist, dass das OVG die im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie erfolgten Selbstaufzeichnungen des Schulleiters als Nachweis für die zu viel geleistete Arbeit akzeptierte. Bisherige Arbeitszeitklagen waren oft daran gescheitert, dass die Gerichte Selbstaufzeichnungen von Lehrkräften und Schulleitungen für nicht ausreichend empirisch und objektiv befanden.
2) Welche Rolle spielt die Prognos-Arbeitszeitstudie für das Schuljahr 2024/25 für die Erfolgsaussichten einer Klage?
Teilnehmer:innen an der sächsischen Arbeitszeitstudie hätten eine grundsätzlich geeignete empirische Grundlage für eine Arbeitszeitklage, denn: Die Aufzeichnung erfolgt über ein gesamtes Schuljahr, sodass bei der Berechnung der Mehrarbeit sowohl die schuljahrestypischen Spitzenbelastungen als auch die möglichen Entlastungen durch die Ferien berücksichtigt werden. Die Aufzeichnung soll minutengenau und lückenlos erfolgen. Außerdem sind die Aufgabenbereiche differenziert, sodass die Gerichte die Plausibilität prüfen können. Die Methode der Aufzeichnung ist somit zumindest durch das Ministerium anerkannt. Wenn die von der Prognos AG erhobenen und ausgewerteten Daten ergeben sollten, dass die sächsischen Lehrkräfte insgesamt nennenswert Zuvielarbeit leisten, wäre das auch für ein hiesiges Gericht ein starkes Indiz dafür, dass in Sachsen strukturelle Gründe für die Überlastung an den Schulen vorliegen. In einem Verfahren hätte es der Freistaat dann schwerer zu argumentieren, dass die individuelle Zuvielarbeit durch Ineffizienz und Überengagement der überlasteten Lehrkraft selbst verschuldet sei.
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Kultusministerium in Auftrag gegebene Prognos-Untersuchung zu anderen Ergebnissen kommt als die bisher vorliegenden Arbeitszeitstudien. Zudem ist es möglich, dass das Gericht Mängel in der Methodik der Prognos-Arbeitszeituntersuchung erkennt. Auch seitens der GEW wurde immer wieder auf Dysfunktionalitäten bei der eingesetzten Erfassungssoftware, auf ungeeignete und verwirrende Kategorien sowie auf mögliche Verzerrungen in der statistischen Auswertung hingewiesen. Aus diesem Grund kann es hilfreich sein, zusätzlich zur Selbstaufzeichnung weitere Beweismittel wie Einsatz- und Jahresablaufpläne sowie Protokolle von Beratungsgesprächen etc. zu sammeln.
3) Welche rechtlichen Grundlagen für eine Klage gibt es?
Die aus Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) abgeleitete Fürsorgepflicht verpflichtet die dienstvorgesetzte Behörde, die Beamt:innen nicht über ihre physischen und psychischen Kräfte hinaus zeitlich zu belasten. Eine dauerhafte Überschreitung der gesetzlich geregelten Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche gemäß § 1 Abs. 1 Sächsische Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung (SächsLKAZVO) kann eine Verletzung dieser Pflicht darstellen.
Aus der allgemeinen Fürsorgepflicht der dienstvorgesetzten Behörde und dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) ergibt sich zudem ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch. Aufgrund dieses Anspruchs kann die dienstvorgesetzte Behörde dazu verpflichtet werden, Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitszeit der Beamt:innen in Zukunft innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen zu halten. Hieraus leitet sich auch das Recht auf einen nachträglichen Ausgleich für nachgewiesene Zuvielarbeit ab.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verbietet eine unverhältnismäßige zeitliche Belastung einzelner Beamt:innen oder Gruppen von Beamt:innen im Vergleich zu anderen Beamt:innen im Landesdienst. Eine Klage kann also damit begründet werden, dass der Umfang der aktuell den Lehrkräften zugewiesenen Aufgaben im Vergleich zu den Beamt:innen in anderen Behörden gleichheitswidrig ist.
Die EU-Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) konkretisiert das in Art. 31 der EU-Grundrechtecharta verankerte Recht auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit, welches grundsätzlich für alle Beschäftigten gilt. Nach Art. 17 der Richtlinie 2003/88 muss der Arbeitgeber bzw. die dienstvorgesetzte Behörde nachweisen bzw. plausibilisieren können, dass die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten in der Praxis eingehalten werden. Ein Verstoß gegen diese Vorgaben kann ebenfalls Grundlage für eine Klage sein.
4) Worin besteht der Unterschied zwischen "Mehrarbeit" und "Zuvielarbeit"?
Mehrarbeit und Zuvielarbeit sind zwei unterschiedliche arbeitsrechtliche Begriffe, die sich sowohl in ihrer rechtlichen Grundlage als auch in ihren Konsequenzen unterscheiden. In Sachsen ist die Mehrarbeit in § 95 Sächsisches Beamtengesetz (SächsBG) geregelt. Mehrarbeit liegt nur dann vor, wenn konkrete, abgrenzbare zusätzliche Arbeit von den Dienstvorgesetzten angeordnet oder explizit genehmigt worden ist. Die anerkannte Mehrarbeit wird für Beamt:innen – wenn möglich - durch Freizeit ausgeglichen. Für Lehrkräfte in Sachsen besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf finanzielle Vergütung von Mehrarbeit – allerdings in sehr geringem Umfang und ausschließlich für zusätzlich gehaltene Unterrichtsstunden sowie nur gemäß den geltenden Mehrarbeitsvergütungssätzen gem. Sächsische Erschwerniszulagen- und Mehrarbeitsvergütungsverordnung (SächsEMAVO), die deutlich geringer sind, als es eine reguläre anteilige Stundenvergütung wäre.
Der Begriff Zuvielarbeit stammt dagegen aus der Rechtsprechung. Zuvielarbeit liegt vor, wenn Beamt:innen ohne dienstliche Anordnung oder Genehmigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus arbeiten, weil die ihnen von den Dienstvorgesetzten übertragenen Aufgaben innerhalb der regulären Arbeitszeit nicht zu bewältigen sind. Zusätzliche Arbeit, die implizit durch die ausgeweitete Eigenständigkeit der Schulen, durch gestiegene pädagogische Anforderungen, durch geänderte Verordnungen und neue Erlasse entsteht und dazu führt, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden regelmäßig überschrittet wird, ist also keine Mehrarbeit im beamtenrechtlichen Sinne, sondern Zuvielarbeit im Sinne der Rechtsprechung. Gerichtlich anerkannte Zuvielarbeit würde ebenfalls zunächst durch Freizeit abgegolten und nur dann, wenn dies zum Beispiel durch eine bereits erfolgte Pensionierung nicht mehr möglich ist, durch eine finanzielle Ausgleichzahlung.
5) Ab wie viel Zuvielarbeit während der Schulzeit könnte eine Klage auf Ausgleich erfolgreich sein?
Wer während der Schulzeit konstant mehr als 45 Stunden pro Woche arbeitet, sollte eine Klage in Betracht ziehen. Dazu folgt hier eine Beispielrechnung, die sich an der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg orientiert:
Im Schuljahr 2024/25 müssen Lehrkräfte zum Beispiel unter Abzug von elf Feiertagen und 30 Tagen Urlaub an 220 Tagen arbeiten. Bei einem 8-Stunden-Tag bzw. einer 40-Stunden-Woche sind das insgesamt 1 760 Stunden. Dies wäre in einem ersten Schritt die Jahresarbeitszeit von Lehrkräften in Stunden. Unter der theoretischen Annahme, dass Lehrkräfte in den Ferien nicht arbeiten, müssten sie diese 1 760 Stunden in den 187 Unterrichtstagen erbringen. Im Schuljahr 2024/25 übersteigen die Ferien die 30 Tage Urlaub nämlich um 33 Tage. Damit müssten sie in der Schulzeit 47,06 Stunden pro Woche arbeiten, um auf ihre Jahresarbeitszeit von 1 760 Stunden bzw. eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden im Jahresdurchschnitt zu kommen.
Unter der praxisnäheren Annahme, dass von den gut 6,5 urlaubsfreien Ferienwochen immerhin zwei Wochen in Vollzeit für Korrekturen bzw. Vor- und Nachbereitungen genutzt werden, müssten Lehrkräfte in den Schulwochen 44,67 Stunden arbeiten (1 760 Stunden : 197 Tage x 5 Tage). Tatsächlich steht beispielsweise in der Lehrkräftearbeitszeitverordnung Mecklenburg-Vorpommerns bereits, dass Lehrkräfte in den Unterrichtswochen 45 Stunden arbeiten müssen.
In Sachsen ist in § 1 Abs. 1 SächsLKAZVO geregelt, dass die regelmäßige Arbeitszeit von Lehrkräften im Durchschnitt 40 Stunden pro Woche beträgt. Gemäß § 95 Abs. 2 Sächsisches Beamtengesetz kann jedoch innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit eine entsprechende Dienstbefreiung gewährt werden. Der Ausgleichzeitraum, um wieder auf eine durchschnittliche 40-Stunden-Woche zu kommen, ist damit ein Jahr.
Das heißt im Umkehrschluss, dass diejenigen Lehrkräfte, die in den Ferien weniger als zwei Wochen Vollzeit schulische Aufgaben bearbeiten und in der Schulzeit (nur?) durchschnittlich 45 Zeitstunden arbeiten, damit rechnen müssen, dass sie aufgefordert werden, ihre Zuvielarbeit der Schulzeit in der restlichen Ferienzeit auszugleichen.
6) Welche Schritte sind notwendig, wenn ich dem Beispiel des niedersächsischen Grundschulleiters folgen und wegen zeitlicher Überlastung klagen möchte?
Zunächst ist es wichtig, die Überlastung auf dem Dienstweg schriftlich geltend zu machen, entweder per E-Mail oder Brief. Dies ist die Voraussetzung für den beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch. Bei dieser ersten Rüge ist es noch nicht notwendig, alle zu viel geleisteten Stunden im Detail zu dokumentieren. Es reicht aus anzugeben, dass die Arbeitszeit die gesetzlich vorgesehene Wochenarbeitszeit dauerhaft überschreitet, und die Gründe hierfür zusammenfassend zu nennen. Die Dienstvorgesetzten müssen die Möglichkeit bekommen, Maßnahmen zur Entlastung zu organisieren. Die möglichen Ausgleichsansprüche entstehen erst ab dem auf die Geltendmachung folgenden Monat.
In einem zweiten Schritt ist es wichtig, die tatsächliche Arbeitszeit ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung detailliert und möglichst fehlerfrei zu erfassen und zu dokumentieren. Dies sollte über einen längeren Zeitraum, idealerweise sogar über ein gesamtes Schuljahr, erfolgen. Für diejenigen, die nicht an der Arbeitszeitstudie teilgenommen haben, kann die Nutzung eines handelsüblichen Zeiterfassungssystems hilfreich sein. Die Arbeitszeit sollte zudem mindestens in die folgenden Kategorien unterteilt werden: Unterricht, Funktionsaufgaben und weitere Aufgaben. Eine noch detailliertere Zuordnung der Arbeitszeit zu einzelnen Aufgabenbereichen ist jedoch günstig, um die Zuvielarbeit vor Gericht auch plausibel darlegen zu können. Es empfiehlt sich daher, die Arbeitszeit zum Beispiel in folgende Kategorien zu unterteilen: I. Unterricht (Regelstunden, Vertretungsstunden), II. unterrichtsnahe Tätigkeiten (Vor- und Nachbereitung, Erstellung von Unterrichtsmaterialien, Korrekturen und Diagnostik, Beratung und Förderung von Schüler:innen, Elternarbeit, Prüfungen), III. unterrichtsferne Tätigkeiten (Aufsichten, Schulfahrten und Ausflüge, Verwaltungstätigkeiten, Konferenzen und Gremien, Schulentwicklung und Projektarbeit, Fort- und Weiterbildungen), IV. dauerhaft übertragene Funktionen (Fachberatung, Schulleitung, Klassenleitung, Pitko, Bücherverantwortung etc.). Alternativ wäre auch eine Unterteilung in A. bestimmte Arbeitszeit (Unterricht, Aufsicht, Prüfungen, Klassenfahrten, Konferenzen, Sprechstunden, Tag der offenen Tür, Fortbildungen etc.) und B. unbestimmte Arbeitszeit (Vor- und Nachbereitungen, Korrekturen, Kommunikation, Verwaltung, Schulentwicklung, Projektarbeit) denkbar.
Als weitere Beweismittel ist es beispielsweise sinnvoll, Konferenzbeschlüsse und Jahresarbeitspläne zu dokumentieren, aus denen sich Aufgaben ableiten lassen. Zudem sollten die verfügbaren Entlastungsangebote des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (SMK), des Landesamtes für Schule und Bildung (LASUB) und der Schulleitung dokumentiert und geprüft werden. Warum sind die Entlastungen im Schulalltag nicht funktional? In welchem Umfang war es möglich, sie in Anspruch zu nehmen? Welche Gründe gab es, sie ggf. nicht zu nutzen? Wenn die Schulleitung nach der Arbeitszeitrüge keine effektive Entlastung organisieren kann und die Überlastung durch Zuvielarbeit durch die eigene Dokumentation weiterhin bestätigt wird, ist es sinnvoll, sich in einem dritten Schritt rechtlich in Bezug auf eine Klage beraten zu lassen, zum Beispiel durch die Landesrechtsschutzstelle der GEW.
7) Welche Fristen muss ich beachten?
Grundsätzlich ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ausgleichsansprüche für Zuvielarbeit erst ab dem auf die Anzeige der Überlastung folgenden Monat entstehen. Solange die Vorgesetzten nicht über die Zuvielarbeit in Kenntnis gesetzt wurden, können sie diese nicht abstellen und es kann daher auch kein Anspruch entstehen, so die Argumentation.
8) Worauf muss ich mich einstellen? Welche Argumente könnten SMK und LASUB gegen meine Klage vorbringen?
Zunächst könnte versucht werden, sowohl die Güte als auch die Plausibilität der Aufzeichnungen zu erschüttern. Anlass könnten versehentliche Eintragungen von Unterricht am Wochenende oder unplausible Arbeitszeiten in den Ferien oder an Feiertagen sein. Auch der Umfang der Arbeitszeit in den verschiedenen Kategorien wird genau geprüft und mit den Durchschnittswerten bereits erfolgter Arbeitszeituntersuchungen verglichen. Sind hier extreme Abweichungen erkennbar, könnten zusätzlich Erklärungen gefordert werden. Wenn die Dokumentation als solche nicht mehr infrage gestellt werden kann, könnte die Verantwortung der Schulbehörde für die Zuvielarbeit negiert werden. Es könnten korrekt dokumentierte Aufgaben herausgesucht und deren Erledigung als sogenanntes überobligatorisches Engagement gewertet werden. Beim niedersächsischen Schulleiter waren es beispielsweise Vernetzungstreffen mit anderen Schulleitungen, um im Austausch Lösungen für spezifische Probleme zu finden, die vom Amt als überobligatorisch kritisiert wurden.
Wenn deutlich wird, dass sehr viel Zeit für Aufgaben aufgewendet wird, die sich durch einen großen zeitlichen Spielraum und Eigenverantwortung auszeichnen – beispielsweise die Unterrichtsvorbereitung –, könnte mangelnde Effektivität kritisiert werden. Denn Beamt:innen hätten schließlich die Pflicht, besonders sparsam mit öffentlichen Ressourcen – und damit auch ihrer eigenen Arbeitszeit – umzugehen. Eine in Niedersachsen eingesetzte Expert:innenkommission für die Analyse der Lehrkräftearbeitszeit kam 2018 zu dem Schluss, dass die in einer GEW-Studie regelmäßig festgestellte Zuvielarbeit von Lehrkräften zu 2/3 strukturelle Gründe hat und zu 1/3 auf Überengagement und Ineffektivität zurückzuführen sei. Dieser Einschätzung ist das Niedersächsische Oberlandesgericht im Falle des Grundschulleiters gefolgt. Es ist nicht auszuschließen, dass auch in Sachsen entsprechend argumentiert wird. Schließlich kann die Behörde Maßnahmen vorbringen, die sie als Entlastung für die Lehrkräfte und Schulen gedacht hat, zum Beispiel die Digitalisierung von Fachverfahren, die Reduzierung schriftlicher Beurteilungen oder die Möglichkeit, die Vorbereitungswoche in den Ferien zu reduzieren. Es sollte sich also auf jeden Fall auf ein längeres Verfahren eingestellt werden. Das Beispiel des Schulleiters zeigt jedoch, dass sich die Ausdauer lohnen könnte.
Hinweis: Die Antworten in diesem Artikel wurden in einem internen Verfahren geprüft. Neue Urteile können die rechtliche Lage verändern. Die Antworten ersetzen nicht eine einzelfallbezogene, rechtliche Beratung. GEW-Mitglieder können sich direkt bei der Landesrechtsschutzstelle beraten lassen: rechtsschutz@gew-sachsen.de
Zitiertes Urteil: OVG Niedersachsen, 11.02.2025 - 5 LC 193/20 (Arbeitszeit von Lehrkräften, Zuvielarbeit eines Grundschulrektor), noch nicht rechtskräftig
04229 Leipzig