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Recht

Was tun, wenn ein akuter Pflegefall in der Familie eintritt?

In den seltensten Fällen sind die Familienmitglieder darauf vorbereitet, wenn in der Familie ein akuter Pflegefall auftritt.


Wir wollen im Folgenden einen Überblick über Ihre Rechte im Arbeitskontext geben, wenn eine solche Situation überraschend auftritt. Welche Rechte haben Sie nun Ihrem Arbeitgeber gegenüber? In diesem Beitrag soll es zunächst nur um die kurzzeitige Arbeitsverhinderung gehen. In folgenden Beiträgen werden andere, längerfristige Möglichkeiten der Freistellung oder Arbeitszeitreduzierung wegen Pflege beschrieben.

Die Voraussetzungen der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 Pflegezeitgesetz

Was viele Betroffene nicht wissen: bei einer plötzlich auftretenden Pflegesituation von nahen Angehörigen haben Sie die Möglichkeit, sich bis zu 10 Tage kurzfristig freistellen zu lassen. Diese Zeit dient dazu, sich auf die neue Pflegesituation einzustellen oder die notwendige pflegerische Versorgung während dieses Zeitraums zu gewährleisten. Wie bereits erwähnt, muss die Pflegesituation akut sein, was gemäß dem Pflegezeitgesetz bedeutet, dass sie unerwartet und ohne Vorwarnung eintritt. Eine bereits bestehende, unveränderte Pflegebedürftigkeit reicht demnach hierfür nicht aus.

Die Voraussetzungen für den Anspruch auf die Freistellung sind, dass eine Pflegebedürftigkeit vorliegen muss, die mindestens dem Pflegegrad 1 entspricht. Der Pflegegrad muss dabei noch nicht durch den Medizinischen Dienst ermittelt worden sein. Es muss zudem eine akute Veränderung in der Pflegesituation vorliegen. Darüber hinaus müssen Sie ein naher Angehöriger sein.

Zu den nahen Angehörigen einer pflegebedürftigen Person zählen Ehe- und Lebenspartner*innen, Partner*innen in einer eheähnlichen Gemeinschaft, Eltern, Geschwister und Kinder sowie Stief-, Schwieger- und Großeltern, Adoptiv-, Pflege-, Schwieger- und Enkelkinder sowie Schwägerinnen und Schwäger.

Es ist hierbei nicht Voraussetzung, dass die 10 Tage am Stück oder von der gleichen Person genommen werden. Die 10 Tage sind nur an die zu pflegende Person gebunden und können daher von verschiedenen pflegenden Angehörigen in Anspruch genommen und aufgeteilt werden.
Der Anspruch besteht unabhängig von der Betriebsgröße des Arbeitgebers. Denknotwendig gibt es auch keine Ankündigungsfrist dem Arbeitgeber gegenüber. Allerdings müssen die Beschäftigten dem Arbeitgeber den Verhinderungsgrund und die voraussichtliche Dauer der Verhinderung mitteilen. Zudem kann der Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit des Angehörigen verlangen. 
Es besteht zwischen Ankündigung und Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung ein Sonderkündigungsschutz, damit darf in der Zeit das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig nicht gekündigt werden.

Finanzieller Ausgleich?

Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann bei der Pflegekasse das sog. Pflegeunterstützungsgeld in Höhe von in der Regel 90 % des entgangenen Netto-Arbeitsentgelts in Anspruch genommen werden, siehe § 44a Abs. 3 SGB XI. Es muss – bei Vorliegen der Voraussetzungen – umgehend bei der Pflegekasse des pflegebedürftigen Angehörigen beantragt werden. Diese Lohnersatzleistung kann seit 01.01.2024 jährlich genutzt werden. Auch geringfügig Beschäftigte haben Anspruch auf das  Pflegeunterstützungsgeld. Während der kurzfristigen Arbeitsbefreiung bleiben die Beschäftigten kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversichert, selbst wenn kein Arbeitsentgelt gezahlt wird.

Besonderheiten für Tarifbeschäftigte und Beamt*innen

Beschäftigte im öffentlichen Dienst können unabhängig von dem Freistellungsanspruch auch gemäß § 28 TVöD bzw. § 28 TV-L bei Vorliegen eines wichtigen Grundes Sonderurlaub ohne Entgeltfortzahlung beantragen. Diese beiden Freistellungsansprüche stehen nebeneinander. Für den Sonderurlaub nach dem Tarifvertrag ist keine Höchstdauer vorgesehen. Während dieses Sonderurlaubs besteht jedoch weder der Sonderkündigungsschutz, noch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Pflegeunterstützungsgeld.

Für Beamt*innen gilt der Anspruch nicht unmittelbar, denn in § 2 Pflegezeitgesetz ist von „Beschäftigten“ die Rede. Für sächsische Beamt*innen richtet sich die Freistellung daher nach der Sächsischen Urlaubs- Mutterschutz- und Elternzeitverordnung.

Fazit

Wenn Sie plötzlich vor der Situation stehen, dass ein Pflegefall in der Familie aufgetreten ist, informieren Sie Ihren Arbeitgeber und nutzen Sie die Möglichkeit der kurzzeitigen Freistellung, um sich auf die neue Situation einzustellen und die weitere Pflege zu planen. Pflegesituationen verlangen auch von den Angehörigen und Pflegenden einiges ab, sowohl emotional und körperlich. Daher ist es wichtig, dass Sie auch auf Ihre eigene Gesundheit achten und z.B. auch Beratungsangebote zur Entlastung in Anspruch nehmen.

 

Kontakt
Landesrechtsschutzstelle
Adresse Nonnenstraße 58
04229 Leipzig
Telefon:  0341 4947-324
Fax:  0341 4947-323