Daniels Tarif-1x1
Was ist ein Tarifvertrag?
Was regelt ein Tarifvertrag, und warum sind Gewerkschaften dabei so wichtig? In seinem Beitrag zeigt unser Autor, wie spannend und entscheidend Tarifverträge wirklich sind.
Wenn es 2003 nach dem ehemaligen Industrieverbandsfürsten Michael Rogowski, (Bundesverbandes der Deutschen Industrie) gegangen wäre, dann würde es erstmal kräftig lodern und die gewerkschaftlichen Tarifbroschüren würden als glühende Asche in den Nachthimmel wehen: „Man müsste Lagerfeuer machen und erstmal die ganzen Flächentarifverträge verbrennen.“ Daran sieht man, dass das Thema Tarifvertrag polarisiert, um es mal diplomatisch auszudrücken.
Aber was ist eigentlich ein Tarifvertrag?
Ein Tarifvertrag ist ein zweiseitiger Vertrag. So wie ein Kaufvertrag, ein Arbeitsvertrag oder ein Abo-Vertrag für einen Strea-mingdienst. Also zwei Leute unterschreiben und binden sich. Ja, nun nicht auf ewig. Kündigung ist möglich. Beim Serien gucken wie beim Arbeiten. Auf der einen Seite des Tarifvertrages unterschreibt die Gewerkschaft und auf der anderen der Arbeitgeber. Also die Gewerkschaft ist Vertragspartner und nicht der einzelne Beschäftigte. Bei einem Tarifvertrag verhandelt die Gewerkschaft für ihre Mitlieder. Vereint ist man durchsetzungsfähiger als alleine. Das ist die Idee. Seit über einhundert Jahren. Solange gibt es in Deutschland schon Tarifverträge.
Die Beschäftigten schließen sich in Gewerkschaften zusammen, damit sie gemeinsam stärker sind. Auch diese Idee ist nicht neu. Aber Achtung: Die Arbeitgeber wissen dies auch und schließen sich ihrerseits in Arbeitgeberverbänden zusammen, um den Gewerkschaften und ihren Mitgliedern bei den Tarifverhandlungen und später im Arbeitskampf – man kann auch Streik sagen, klingt dann weniger martialisch – etwas entgegensetzen zu können.
In einem Tarifvertrag kann ganz viel vereinbart werden. Es gibt Regelungen zum Entgelt, zur Arbeitszeit, zum Urlaub. Und vieles, wirklich vieles mehr.
Es gibt auch verschiedene Arten von Tarifverträgen: Manteltarifverträge, Entgelttarifverträge, Eingruppierungstarifverträge. Im Manteltarifvertrag sind solche zentralen Dinge wie Arbeitszeit und Urlaub aber auch die Jahressonderzahlung geregelt. Und wir hatten mal eine Zeit im Osten, nach der Wende, da haben wir viele Beschäftigungssicherungstarifverträge geschlossen. Doch auch vermeintlich kleine Dinge werden festgezurrt: Geltungsbereich, Versetzung, Arbeitsbefreiung.
In den Eingruppierungstarifverträgen spielt jedoch die Musik, denn dort wird festgelegt, welche Tätigkeit in welche Entgeltgruppe und damit welchen Lohn man bekommt.
Ich sage immer: Was nützt uns die schönste Tabelle mit den schönsten Zahlen, wenn wir nicht wissen, wo wir eingruppiert sind.
Aber diese Eingruppierungstarifverträge gelten – wie ich finde zu Unrecht – als sperrig, langweilig und trocken.
Kleine Kostprobe? In der Entgeltgruppe 8 sind eingruppiert:
„1. Tierpfleger mit einschlägiger Ausbildung nach Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1 des Abschnitts 1 als Revierpfleger. 2. Tierpfleger mit einschlägiger Ausbildung nach Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1 des Abschnitts 1, die verantwortlich Menschenaffen oder Korallenfische pflegen, sowie Tierpfleger mit einschlägiger Ausbildung nach Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1 des Abschnitts 1, deren Tätigkeit wegen der Schwierigkeit der Aufgaben und der Größe der Verantwortung ebenso zu bewerten ist wie die verantwortliche Pflege von Menschenaffen oder Korallenfische.“
Ich mag die Eingruppierungstarifverträge, denn da ist die bunte Welt des öffentlichen Dienstes und des Lebens abgebildet. Diese exotische Form eines Tarifvertrages steht selten mal im Rampenlicht. Aber alle paar Jahre holen wir sie hervor, wie zum Beispiel bei den Aufwertungsrunden im Sozial- und Erziehungsdient 2009, 2015 und 2022.
Für die Beschäftigten sind meistens die Entgelttabellen am interessantesten. Diese Tabellen sind als Anlage an den Tarifvertrag drangehängt und haben auch den Rang eines Tarifvertrages. Bei den Entgelttabellen dreht sich alles um die „Kohle“. Und nach jeder hart erkämpften Erhöhung gibt es auch eine neue Tabelle. Kennt ihr ja: „Hey Boss, ich brauch mehr Geld.“ Singen wir wieder. Versprochen. Spätestens bei der nächsten Tarifrunde.
Es gibt im öffentlichen Dienst zwei wichtige Tarifverträge. Für die Landesbeschäftigten gilt der „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder“, kurz TV-L, und für die Beschäftigten beim Bund und den Kommunen gilt der „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst“, kurz TVöD. Der TV-L und der TVöD sind Flächentarifverträge, da sie mit einem Arbeitgeberverband vereinbart werden und einen großen räumlichen Geltungsbereich umfassen im Gegensatz zu einem Haustarifvertrag, der nur für einen einzelnen Arbeitgeber gilt. Freie Träger haben leider oft keinen Tarifvertrag. Aber das können wir ändern. Gemeinsam.
04229 Leipzig