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Schule

Treffpunkt Schule: Engagement in der Migrationsgesellschaſt

Schulsozialarbeiter*innen und Lehrer*innen aus Ostsachsen trafen sich auf Einladung des Deutschen Gewerkschaſtsbundes (DGB), des Netzwerkes für Demokratie und Courage (NDC) und der GEW Sachsen am 5. und 6. Oktober 2021 in Markersdorf bei Görlitz zu einem intensiven Austausch über die Themen Kommunikation und Filmpädagogik.

Die Idee für das Seminar war schon vor dem Beginn der Coronapandemie entstanden. Im November 2019 hatte in Leipzig die bundesweite GEW-Konferenz „Haltung zeigen“ stattgefunden. Es ging um Strategien und Methoden, die dabei helfen sollen, sich menschenverachtenden und antidemokratischen Einstellungen und Handlungen aktiv und wirkungsvoll entgegenzustellen. Die E&W berichtete dazu 12/2019. Auf dieser Tagung war schnell deutlich geworden, dass Pädagog*innen hierzulande unter sehr unterschiedlichen gesellschaſtlichen Bedingungen „Haltung zeigen“ und sich zu rechtem Verhalten positionieren müssen:

An Gesamtschulen und Gymnasien (westdeutschen) Großstädten kann häufig nach wie vor ein breiter Konsens in Bezug auf Ablehnung rechtpopulistischer Positionen bei Kolleg*innen, Schüler*innen und Eltern vorausgesetzt werden. In Projekten und Aktivitäten wird in Schulgemeinschaſten erfolgreich Bezug genommen auf offensive politische Konzepte wie Antifaschismus, Antirassismus, internationale Solidarität und Zivilcourage. Migrierte und geflüchtete Schüler*innen werden von der Schulgemeinschaſt häufig aktiv unterstützt und gegen Abschiebungen wirkungsvolle Proteste organisiert.

In ländlichen (ostdeutschen) Regionen dagegen riskieren gerade Lehrkräfte an Oberschulen und Berufsschulen die rechtspopulistische Äußerungen kritisieren, nicht selten ihre Isolation im Kollegium oder sogar Angriffe und Bedrohungen durch rechte Eltern und Schüler*innen. Von zerkratzten

Autos und Mobbing im Kollegium war auf der Tagung berichtet worden. Teilweise stellen hier sogar rechte Kolleg*innen unter Berufung der Meinungsfreiheit die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage und werben aktiv für die Positionen der AFD oder der Reichsbürger. Rechte Eltern kritisieren schulische Initiativen für Weltoffenheit und Toleranz und rechte Schüler*innen stören die Durchführung von Projekttagen zu Zivilcourage und Demokratie.

Seit 2019 ist die Situation an den Schulen nicht einfachen geworden

Um Kolleg*innen, die auch in einem schwierigen politischen Umfeld an ihrer Schule „Haltung zeigen“ zu unterstützen, hat das Referat „Antidiskriminierung, Migration und Internationales“ (REFAMI) gemeinsam mit dem DGB Ostsachsen und dem NDC am ersten Novemberwochenende ein Austausch- und Vernetzungsseminar im Hotel Marschall DuRoc bei Görlitz organisiert. Die Planungen für diese Veranstaltung hatten wegen Corona fast zwei Jahre auf Eis gelegen. Ziel des Seminares war es, dass engagierte Kolleg*innen Wertschätzung und neue Impulse erfahren, die ihnen Energie und Zuversicht geben, den Schulalltag auch weiterhin zu bewältigen.

Seit 2019 ist die Situation an den Schulen nicht einfacher geworden. Zusätzlich zu den Konfliktlinien Migration und Antirassismus spaltet die Kollegien die Einstellung zu den Coronamaßnahmen, zum Testen, zum Maskentragen und Impfen. Eingeladen war für Sonnabend die Erziehungswissenschaſtlerin, Supervisorin und Deeskalationstrainerin Silke Klewe für einen Workshop mit dem Titel:

Wann sage ich nichts? Wann sage ich was? Und wenn ja, wie? Workshop zum Umgang mit Vorurteilen und Konflikten im Kollegium.

Die Teilnehmer*innen bekamen zunächst einen Einblick bzw. eine Auffrischung zu kommunikativen Möglichkeiten, um angemessen und souverän auf Kolleg*innen zu reagieren, die Positionen vertreten, die nicht dem eigenen Wertesystem entsprechen: Verwendung von Ich-Botschaften; Zielklarheit; bewusster Einsatz von Fragetechniken; Perspektivwechsel; Sensibilisierung in Bezug auf Wertungen, Reizformulierungen und negativen Beziehungsbotschaften; Impulskontrolle als Voraussetzung für die eigene Handlungsfähigkeit.

Hart in der Sache, weich zu Menschen

In der Diskussion wurde schnell deutlich, dass auch die Teilnehmer*innen nicht frei von Vorurteilen sind und wie wichtig ein reflektierter Umgang damit ist. Einigkeit herrschte darüber, dass Impulskontrolle und die Vermeidung von Reizformulierungen nicht dazu führen müssen, dass das Gegenüber den Eindruck bekommt, dass diskriminierenden Äußerungen toleriert werden. Vielmehr soll das bewusste Kommunizieren einerseits die Selbstsicherheit (das eigene „Standing“) verbessern und andererseits dem anderen ermöglichen, gesichtswahrend die eigenen Positionen zu überdenken, weil Abwertungen und gegenseitige Verletzungen reduziert werden. Es fiel in diesem Zusammenhang die einprägsame Formulierung: Hart in der Sache, aber weich zu Menschen.

Der Einstieg in das Seminar erfolgte am Freitag durch einen Film und eine Einführung zum Thema Filmpädagogik. In „Zu weit weg“ wird die Geschichte des zwölfjährigen Ben erzählt, der mit seiner Familie sein Heimatdorf verlassen muss, weil dieses zur Braunkohlegewinnung abgerissen werden soll. Der gleichaltrige Tariq aus Syrien ist genauso wie Ben neu in der Schule und im Fußballverein. Der berührende, aber auch humorvolle Film von Sarah Winkenstette zeigt, wie es den beiden Kindern – trotz manchmal wenig hilfreichen Verhaltens von Lehrer*innen und Eltern – gelingt, die eigenen Vorurteile und Abgrenzungsreflexe zu überwinden. Sie entdecken nach und nach Gemeinsamkeiten und stehen schließlich füreinander ein. Kinder werden hier auch kommunikativ zu Vorbildern für die Erwachsenen. Im Vortrag von Kevin Meinel vom Projekt „play fair – Filme für Demokratie & Toleranz“ bekamen die Teilnehmer*innen nicht nur einen Überblick zur Umsetzung von filmpädagogischen Projekten im Unterricht, sondern – durch viele Filmbeispiele auch sehr anschaulich vermittelt – ein Kompaktwissen zum Thema Filmanalyse.

Die angenehme Atmosphäre im Lausitzer Familienhotel Marshall DuRoc trug maßgeblich dazu bei, dass die beiden halben Seminartage von den Teilnehmenden tatsächlich als Gelegenheit zum Kraſtschöpfen empfunden werden konnte. Besonders positiv wurde in der Auswertung auch der Austausch zwischen den beiden Professionen Schulsozialarbeit*innen und Lehrer*innen empfunden, da dieser an vielen Schulen viel zu kurz kommt. Als Referat „Antidiskriminierung, Migration und Internationales“ (REFAMI) wurden wir in diesem Sinne quasi beauftragt, unbedingt weitere Veranstaltungen in diesem Format zu organisieren. Wer Interesse hat, beim nächsten Seminar teilzunehmen oder sogar bei REFAMI mitzuarbeiten, meldet sich gern unter:
kontakt.refami(at)gew-sachsen(dot)de

Für die finanzielle Unterstützung des Seminares danken wir dem Bezirksverband Dresden und der Jungen GEW.

Juri Haas
ehrenamtliches REFAMI-Leitungsteam
juri.haas(at)gew-sachsen(dot)de

Kontakt
Juri Haas
Leitungsteam Referat Antidiskriminierung, Migration und Internationales Adresse (Lehrer an der 135. Grundschule Dresden & Mitglied im Lehrer-Hauptpersonalrat)
Adresse Schützenplatz 14
01067 Dresden