Zum Inhalt springen

Ganztag

Noch 20...19...18... Monate bis zum Inkrafttreten des Ganztagsfördergesetzes

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie ihr bereits der letzten Ausgabe unserer E&W lesen konntet, ist uns die Ausgestaltung eines guten „sächsischen“ Ganztages wichtig. Eure Resonanz auf die Online-Auftaktveranstaltung im März und unseren Fachtag zum Thema im September zeigte deutlich, dass wir mit unseren Ideen zu Ausgestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des zukünftigen gesetzlichen Anspruchs richtig liegen. Im Dialog mit euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, kristallisieren sich immer konkretere Fragestellungen heraus.
Heute möchten wir euch ein Stück in die inhaltliche Auseinandersetzung mitnehmen und gleichzeitig zum Nachdenken anregen. Wir wollen keine „GEW Lösung“ präsentieren, sondern mit euch weiter im Gespräch bleiben.
Unsere westlich gelegenen Bundesländer blicken gen Osten nach Sachsen und sind neidisch: weil hier 86 % der Grundschulkinder nach dem Unterricht in den Hort gehen und nicht nach Hause. Und weil Sachsen einen hohen Geldbetrag in die Ausgestaltung der Ganztagsangebote steckt. Das Kultusministerium hebt beide Tatsachen gern hervor. Noch besser als Nachmittagsbetreuung im Hort ist ein rhythmisierter Ganztag, der das langfristige Ziel für die sächsischen Kinder sein sollte.

Warum? In einem „rhythmisierten Ganztag“ erleben Kinder einen gesunden Wechsel zwischen Phasen der Anspannung (Schule) und Entspannung (Freizeit – Hort). Hinzu käme die Aufhebung von räumlicher Trennung zwischen Schule und Hort mit dem Ziel eines gemeinsam gestalteten Lebens- und Lernraumes. Auch dem Thema Inklusion ist dieses Modell zuträglich. Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte würden sich ein gemeinsames Bildungsverständnis erarbeiten und im Sinne der Kinder die unterschiedlichen Bildungsbereiche miteinander verknüpfen. Um dies zu erreichen, sind verschiedene Ansätze denkbar, beispielsweise:
Alle Lehrkräfte sowie die pädagogischen Fachkräfte im Hort werden unter einer gemeinsamen Trägerschaft geführt.
Hier wäre jedoch zu bedenken, dass derzeit unterschiedliche Tarifverträge zur Anwendung kommen. Lehrkräfte sind Landesbedienstete, es gilt der TV-L. Pädagogische Fachkräfte in den Einrichtungen sind entweder kommunal Beschäftigte, dann gilt der TVöD. Vielleicht sind sie Angestellte bei Freien Trägern.

Hier werden Haustarifverträge angewendet. Manche haben gar keinen Tarifschutz. Sofern die pädagogischen Fachkräfte in den TV-L wechseln würden, bedeutete dies bspw. andere Entgelttabellen, die nicht 1:1 mit denen des TVöD gleichzusetzen sind. Kolleginnen und Kollegen aus dem kommunalen Erzieherbereich sind dann finanziell schlechter gestellt als zum jetzigen Zeitpunkt.

Bei einem Wechsel müssten Überleitungsregelungen geschaffen werden, um finanzielle Einbußen zu verhindern. Zwar ist es im TV-L im Jahr 2023 gelungen, die Stufenlaufzeiten der S-Tabelle an die allgemeine Entgelttabelle anzugleichen, aber die Zulagen aus dem TVöD-Bereich wurden nicht übernommen.
Weiterhin würden Entlastungs- und Umwandlungstage sowie verschiedene Zulagen für schwierige erzieherische Tätigkeiten entfallen.

Ausbildungsinhalte, -abläufe und -abschlüsse müssten aufeinander abgestimmt werden. Dazu wären u.a. gesetzliche Änderungen (Schulgesetz) erforderlich.

Ganztagsangebote, so wie sie aktuell in Sachsen praktiziert werden, sind, abgesehen von eventuell anfallenden Materialkosten, beitragsfrei. Die Hortbetreuung wird im Gegensatz dazu durch Elternbeiträge mitfinanziert. Im „rhythmisierten Ganztag“ entfielen die Kosten für die Eltern. Oder nicht?

Alles bleibt, wie es ist, doch die Kooperation von Schule und Hort wird neu definiert.

Der „Ganztag“ würde durch ein Leitungsteam, bestehend aus Mitarbeitenden des Lehrkörpers und des Hortes als gleichberechtigte Partner, organisiert und koordiniert werden. Damit würde die Einhaltung von Qualitätsstandards, die Abstimmung von Bildungsinhalten, die zeitliche Ausgestaltung, die Durchführung (gemeinsamer) Aus-, Fort- und Weiterbildung usw. sichergestellt werden können.

Um einen reibungslosen Ablauf im Ganztagsmodell zu gewährleisten und Erziehungspartnerschaften im Zusammenspiel von Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften, Elternhäusern und Kindern weiterzuentwickeln, sind Absprachen der verschiedenen Professionen notwendig. 
Dafür bedarf es entsprechender Zeitreserven, die wiederum nur mittels gesetzlicher Anpassungen im Schulgesetz und im Sächsischen Kitagesetz erforderlich (Anteil VNZ, Personalschlüssel/Unterrichtsverpflichtung, …) geschaffen werden können.

In seiner Sitzung Mitte November hat sich der Landesvorstand der GEW mit einem Antrag zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung befasst. Da derzeit nicht klar ist, welche Richtung eingeschlagen werden wird, oder ob es womöglich noch ganz andere Ideen zur Umsetzung gibt, hat der Landesvorstand den Beschluss gefasst, das Sächsische Staatsministerium für Kultus aufzufordern, einen runden Tisch mit Vertreter*innen von SMK, SMS, SMF, Kommunen, Trägern und gewerkschaftlichen Interessenvertretungen einzuberufen. Mit Beginn des Kalenderjahres 2025 erwarten wir, dass innerhalb dieses Gremiums Vorbereitungen getroffen werden, ab dem Schuljahr 2026/27 die qualitativen und quantitativen Voraussetzungen für die Ganztagesbetreuung zu schaffen.

Übrigens planen wir für Ende Januar ein weiteres Angebot für interessierte Mitglieder. In einer Online-Veranstaltung wollen wir mit euch diskutieren und uns auf den neuesten Stand unserer inhaltlichen Befassung bringen und weitere Impulse für Gespräche unseres Vorstandes mit dem/der Kultusminister/in von euch einsammeln. 

Kontakt
Astrid Axmann
Stellv. Landesvorsitzende Jugendhilfe und Sozialarbeit
Adresse Nonnenstraße 58
04229 Leipzig
Mobil:  0172 4726706