
Die GEW Sachsen vertritt den Standpunkt, dass bei den Planungen für das neue Schuljahr auch die Option einer Kombination von Präsenz- und Fernunterricht (rotierendes System) und auch die komplette Rückkehr in den Fernunterricht berücksichtigt und vorbereitet sein müssen. Der Landesvorstand der GEW Sachsen hat dazu einen umfassenden Beschluss gefasst, der sich mit einer Aufarbeitung der Versäumnisse der Vergangenheit, dem Schutz der Beschäftigten, der Erweiterung des Unterrichtsangebotes in den Ferien und den Auswirkungen auf Arbeitszeit und Arbeitsorganisation auseinandersetzt. Außerdem werden pädagogische Schlussfolgerungen und Forderungen für den Datenschutz und den Fortbildungsbedarf gefasst.
Die Pandemie hat viele der Probleme, vor denen das sächsische Schulsystem aktuell steht, nicht geschaffen, sondern nur offenbart. Z.T. jahrelange Versäumnisse in der Personalpolitik, bauliche und hygienische Mängel, die unzureichende Vorbereitung der Schulen auf Online-Lernformen oder fehlende digitale Infrastruktur stehen gleichen Bildungschancen nun in besonderem Maße entgegen und werden sich nicht so schnell und so zufriedenstellend beseitigen lassen, wie es erforderlich wäre.
Allein eine „pädagogische Bestandsaufnahme“, das „Erfassen der wichtigsten Defizite“ und das „[Ableiten] entsprechender Maßnahmen für den Unterricht im neuen Schuljahr“- wie im Schreiben des Kultusministers vom 17.Juni 2020 gefordert- reichen nicht aus, um mit den entstandenen und vor allem den ggf. erneut entstehenden Defiziten verantwortlich umzugehen, wenn gleichzeitig an einem gleichschrittigen, auf Stoffvermittlung ausgerichteten Unterricht festgehalten wird. Benötigt werden vielmehr geeignete zusätzliche Förderangebote, die auch angesichts von Unterbrechungen eigenständiges Lernen ermöglichen und Methodenkompetenz stärken.
Die Schulen müssen jetzt bei der Entwicklung tragfähiger pädagogischer Konzepte für einen Mix aus Präsenz- und Fernunterricht unterstützt werden, die ihren Gegebenheiten entsprechen. Dafür benötigen sie Zeit, pädagogische Freiräume und schulinterne Fortbildungsangebote, um das für ihren Standort sinnvolle Gesamtkonzept zu entwickeln.
Die GEW Sachsen hält daran fest, dass dem präventiven Schutz der Beschäftigten in Bildungseinrichtungen, der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Angehörigen vor einer Infektion mit dem Corona-Virus höchste Priorität eingeräumt werden muss. Solange für alle gesellschaftlichen Bereiche besondere Schutzkonzepte erforderlich sind, darf der Infektionsschutz nicht mit Hinweisen auf
facto aufgegeben werden. Darum lehnt die GEW Sachsen die einseitige Festlegung der KMK und des SMK auf Rückkehr zum Regelbetrieb durch Preisgabe von Abständen (und festen Gruppen) ab.
Die GEW Sachsen orientiert sich an den von der Bundesorganisation in Auftrag gegebenen Gutachten des Arbeitsrechtlers Wolfhard Kohte und wird sie auch bei der Bewertung des von der KMK angekündigten „gemeinsamen Rahmen[s] für aktualisierte Schutz- und Hygienemaßnahmen an Schulen“ zu Grunde legen.
Die GEW Sachsen hält an Ihrer Forderung nach Schutz der Risikogruppen und regelmäßigen Testmöglichkeiten für alle Beschäftigten fest, die in Kindertageseinrichtungen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Schulen oder Hochschulen Kontakt zu Kindern, Jugendlichen, deren Angehörigen sowie Studierenden haben.
Die GEW Sachsen fordert die Arbeitgeber/ Dienstherren auf, die Beschäftigten auch vor psychischen Problemen infolge der Pandemie und vor dem Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben im Homeoffice durch geeignete Maßnahmen schützen.
Die Ausdehnung des Unterrichts auf samstags, verpflichtende Unterrichtsangebote in den Ferien bzw. die (befristete) Erhöhung des Regelstundenmaßes bzw. lehnt die GEW Sachsen grundsätzlich ab. Gleiches gilt für (weitere) Über- bzw. Mehrarbeitsstunden in Schulen und in anderen Bildungsbereichen. All diese Maßnahmen erfordern zusätzliche Anstrengungen aller Beteiligten, die ohnehin enormen Belastungen ausgesetzt sind.
Die von der KMK öffentlich erklärte flächendeckende Rückkehr zum Normalbetrieb erfordert bei „[Anpassung] der Wochen-, Tages- und Unterrichtsabläufe [infolge] der Entwicklung des Infektionsgeschehens“, wegen der erforderlichen besonderen Unterstützung der Schüler*innen und wegen des erforderlichen Schutzes der Risikogruppen mehr Personal als bisher zur Verfügung stand.
Die GEW Sachsen fordert den Freistaat auf, die erforderlichen Mittel für zusätzliches Personal (außerschulische Partner, Vereine, freiberufliche Künstler*innen, Übungsleiter*innen, Lernbegleiter*innen, Therapeut*innen u.a.) zur Verfügung zu stellen oder die begrenzten Bildungsmöglichkeiten öffentlich darzustellen, da sonst unrealistische Erwartungen bei Eltern geweckt werden, die die Bildungseinrichtungen objektiv nicht erfüllen können und die geeignet sind, die Beschäftigten unberechtigter Kritik auszusetzen.
Die Planungen des neuen Schuljahres sollten deshalb nicht von einer Wiederkehr des gewohnten „schulischen Regelbetriebs“ ausgehen. Vielmehr müssen bei der Organisation des kommenden Schuljahres drei Szenarien ernsthaft berücksichtigt werden:
Sofern aufgrund der Corona-Pandemie das Lehren und Lernen auf digitalen Wegen bzw. der Fernunterricht den Schul- und Arbeitsalltag auf längere Sicht bestimmen, ist der Gestaltung der Arbeit und der Arbeitszeit sowie der Erleichterung von Arbeitsabläufen besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Die Digitalisierung darf nicht zur Entgrenzung der Arbeitszeit führen und die gesetzlichen und tariflichen Regelungen zu Höchstarbeitszeiten, Arbeitszeitkorridoren, Ruhepausen sind anzuwenden.
Um pädagogische Konzepte, Lerninhalte und Bewertungsmaßstäbe anzupassen, Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligenden Verhältnissen besonders zu unterstützen, die Zusammenarbeit mit externen Partnern zu organisieren, sich fortzubilden, das Zusammenspiel von Präsenz- und Fernunterricht zu organisieren und auch Ansprechperson für Schüler*innen und Eltern zu sein, sind Schulleitungen und Lehrer*innen sofort von anderen Aufgaben zu entlasten. Das Regelstundenmaß ist (mindestens) für die Dauer des kommenden Schuljahres abzusenken.
Da das Infektionsgeschehen im nächsten Schuljahr unklar ist und niemand weiß, wie sich die Öffnungen von Bildungseinrichtungen auswirken und ob sie dauerhaft verantwortet werden können, sind Überlegungen zum Fernunterricht, zu Kürzungen der Unterrichtsinhalte, zu Prüfungen u.a. von Beginn an zwingend erforderlich.
*Gutachten zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, Gutachten zu Risikogruppen, Gutachten zu Schutzabständen, Gutachten zum Arbeits- und Gesundheitsschutz an Kindertagesstätten und an Einrichtungen der Jugendhilfe, Gutachten zum Arbeits- und Gesundheitsschutz an Hochschulen