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Positionen der GEW Sachsen zur kunftigen Gestaltung eines modernen Hochschulwesens im Freistaat Sachsen

Das geltende sächsische Hochschulrecht bietet zu wenig Spielraum für notwendige Studienreformen und Eigeninitiative der Hochschulen. Des Weiteren kommt u.a. infolge der Föderalismusreform der Hochschulgesetzgebung auf Landesebene eine erhöhte Bedeutung zu. Gleichzeitig gilt es, der Tendenz hin zum marktwirtschaftlichen Wettbewerb im Bildungsbereich entschieden Widerstand entgegenzusetzen. Erforderlich ist ein modernes sächsisches Hochschulgesetz, das den heutigen und den künftig an die Hochschulen zu stellenden Anforderungen entspricht. Die GEW Sachsen unterstützt daher das Bestreben, mit der Neufassung des Sächsischen Hochschulgesetzes (SächsHG) die Autorität der Hochschulen durch eine weitere Verbesserung der Qualität von Lehre und Forschung zu sichern. Dazu stellt sie folgende Forderungen auf:

  • Die GEW will Hochschulen nicht als Wirtschaftsunternehmen organisieren und steuern, weil sie keine Wirtschaftsunternehmen sind, sondern Zentren schöpferischer und kooperativer Arbeit mit komplexen Aufgaben in Lehre und Forschung.
  • Die Personalhoheit für die Beschäftigten an den sächsischen Hochschulen muss beim Freistaat verbleiben. Die Gültigkeit der Tarifverträge für den Bereich der Länder muss für die Beschäftigten an sächsischen Hochschulen ebenso gesichert sein wie die Zuständigkeit des Hauptpersonalrates beim Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.
  • Die Selbstverwaltung der Hochschulen muss wirksam gestärkt werden; die Gremienstrukturen sind an die veränderten Bedingungen anzupassen - beides jedoch in untrennbarer Verbindung mit dem Ausbau der demokratischen Mitbestimmung aller Mitgliedergruppen der Hochschulen. Das ist nur erreichbar, wenn diese Faktoren in ihrer Einheit und Wechselwirkung beachtet werden und jede Einseitigkeit durch Veränderungen und Polarisierungen in der Grundstruktur ausgeschlossen wird. Insbesondere ist zu beachten, dass für die schnelle und effektive Entscheidungsfindung, ihre Durchsetzung und Akzeptanz an der Hochschule die Einbeziehung aller Mitgliedergruppen unverzichtbar ist. Dem stünde z.B. die Abschaffung des Konzils diametral entgegen.
  • Die GEW Sachsen tritt für eine funktionierende Hochschulautonomie gegenüber dem Freistaat bei gleichzeitiger Wahrung der öffentlichen Verantwortung des Staates für die Hochschulen sowie des entsprechenden Status der Hochschulen ein. Die Lösung dieser Probleme und der damit verbundenen komplexen Aufgaben verlangen den demokratischen Diskurs. Dieser wäre jedoch durch eine Konzentration der Verantwortung auf die Rektorate und externe Gremien nicht gewährleistet. Die GEW Sachsen tritt für die Autonomie der Hochschulen und nicht nur der Rektorate ein. Es sind also unabdingbar Eigenverantwortung, Kreativität, Flexibilität und Selbständigkeit der Hochschule zu gewährleisten und zu fördern. Das würde durch eine autokratische Führung der Hochschule verhindert werden.
  • Wenn sich der Freistaat aus seiner Verantwortung für die Detailsteuerung der Hochschulen zurückzieht und sich auf die Rechtsaufsicht sowie die Steuerung der Hochschulentwicklung über Zielvereinbarungen und Hochschulverträge konzentriert, ist auch hier die gleichberechtigte Einbeziehung aller Mitgliedergruppen der Hochschule unabdingbar. Die in der Diskussion vorgeschlagene Leitung der Hochschulen durch ein mit bedeutenden Vollmachten ausgestattetes Rektorat und durch einen mit Eingriffsrechten in den inneren Entwicklungsprozess ausgestatteten Hochschulrat ist nicht zu akzeptieren. Die GEW Sachsen tritt dafür ein, dass es für die innere Entwicklung der Hochschulen verantwortliche Organe (Konzil, Senat und Rektorat) gibt. Ein mehrheitlich aus externen Mitgliedern bestehendes den Einfluss der Öffentlichkeit auf die Hochschulen unterstützendes Organ (Hochschulrat/ Kuratorium) darf keine Möglichkeit haben, in die inneren Prozesse der Hochschulentwicklung entscheidend einzugreifen.
  • Die GEW Sachsen hält eine Mehrheit von Professorinnen und Professoren nur bei unmittelbar die Lehre und Forschung betreffenden Fragen erforderlich, wie sie im Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 benannt sind, und setzt sich für gruppenparitätisch zusammengesetzte Gremien bei der Behandlung aller anderen Angelegenheiten ein.
  • Es wird vorgeschlagen, in das Hochschulgesetz die Möglichkeit der Präsidialverfassung an den Hochschulen als Alternative zur Rektoratsverfassung aufzunehmen.
  • Die GEW tritt in allen Bildungsbereichen für Chancengleichheit ein. Beim Zugang zur Hochschule bedeutet das für uns, dass alle Bewerber/innen, die die allgemeine Zugangsvoraussetzung besitzen, auch einen chancengleichen Zugang zu den Hochschulen haben müssen. Dabei müssen die vorhandenen Kapazitäten vollständig ausgenutzt werden. Sofern Auswahlentscheidungen notwendig sind, sind sie transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Alle Bachelor-Absoventinnen und -absolventen müssen die Möglichkeit erhalten, einen Masterstudiengang zu absolvieren.
  • Die GEW bekräftigt ihre Ablehnung von Studiengebühren jeder Art und tritt für die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums ohne Wenn und Aber ein. Studiengebühren schrecken insbesondere junge Menschen aus einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten von der Aufnahme eines Studiums ab und führen zu einer Erhöhung der Abbruchquote. Unsere Gesellschaft braucht aber nicht weniger, sondern deutlich mehr Akademikerinnen und Akademiker.
  • Die GEW Sachsen kann nicht akzeptieren, dass die Rechtsaufsicht über die Studierendenschaften vom Freistaat auf die Rektorate übertragen wird.
  • Bei einem wichtigen Grund, wie z.B. Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen usw., muss den Studierenden und den Studienbewerber/innen die Möglichkeit auf ein Teilzeitstudium eingeräumt werden.
  • Die GEW Sachsen erwartet, dass in das sächsische Hochschulgesetz spezifische Regelungen zur Promotion, zur Notwendigkeit bzw. zum Wegfall des Rigorosums, zur eindeutigen Bestimmung der Promotion als erste Phase wissenschaftlicher Arbeit sowie zum Ausschluss von Studiengebühren auch für Promovierende und von Gebühren für die Promotion aufgenommen werden.
  • Die GEW hält tarifvertragliche Regelungen für alle Beschäftigten in Hochschul- und Forschungseinrichtungen für das geeignete Mittel, um Strukturveränderungen im Wissenschaftsbereich durchzusetzen. Solche Regelungen können leistungsorientierte Zulagen vorsehen, die auf der Grundlage von Zielvereinbarungen und ausgehandelten Kriterien vergeben werden.
  • Die GEW plädiert für den Auf- und Ausbau eines Personalmanagements, das für eine ausbalancierte Altersstruktur, für Geschlechtergerechtigkeit, für eine Perspektiven eröffnende Nachwuchsförderung und eine individuell wie institutionell förderliche Weiterbildung sorgt. Die GEW fordert neben der Qualifikationsbeschäftigung mehr Dauerbeschäftigung, in derem Rahmen "Wissenschaft als Beruf" betrieben werden kann. Die Kontinuität der wissenschaftlichen Arbeit ist eine Voraussetzung für ihre Qualität.
  • Eine grundlegende Diskussion über die Platzbestimmung der Fachhochschulen ist dringend erforderlich. Die bisherige Definition, wonach die Fachhochschulen und Kunsthochschulen den angewandten Wissenschaften und der angewandten Kunst dienen und überwiegend praxisorientierte Lehr- und Forschungsaufgaben wahrnehmen, widerspricht der Definition, dass diese Hochschulen andersartig aber gleichwertig sind. Ihre weitere wissenschaftliche Entwicklung wird erheblich behindert, wenn es zu keiner grundlegenden Verbesserung des Status der Fachhochschulen kommt. Einschränkungen bezüglich der Promotion von Absolventinnen und Absolventen dieser Hochschulen und ihre niedrigere Einstufung gegenüber Universitätsabsolventen sind zu korrigieren bzw. zu modifizieren.
  • Sehr wichtig ist für die GEW Sachsen, dass die personellen und finanziellen Kapazitäten der Hochschulen den durch die Gesellschaft an sie gestellten Anforderungen entsprechen müssen. Es ist nicht hinnehmbar, wenn der Gesetzgeber dafür, wie z.B. im Falle der Auswahlverfahren, keinerlei Vorkehrung trifft.
  • Die GEW Sachsen fordert, auf die im Rahmen der Vereinbarung zwischen Staatsregierung und den Hochschulen geplante weitere Stellenreduzierung zu verzichten.

Beschluss GT/2007