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Schule

Diskussionspapier der GEW Sachsen zu Schulen

Welche Möglichkeiten gibt es, Schulen verantwortungsvoll zu öffnen und wie kann der Bildungsbenachteiligung von Schüler*innen begegnet werden? Dazu hat der Landesvorstand der GEW Sachsen am 27. Januar ein Diskussionspapier beschlossen.

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Foto: GEW / Shutterstock

Diskussionspapier des Landesvorstandes der GEW Sachsen 

Zur aktuellen Situation im schulischen Bereich und zu möglichen Lösungen

1.    Die Rückkehr zu verlässlichem Präsenzunterricht und zu verlässlich geöffneten Kindertageseinrichtungen wäre auch aus unserer Sicht außerordentlich wichtig.

2.    Auch uns beunruhigen die mit den Kita- und Schulschließungen sowie mit Einschränkungen der aufsuchenden sozialen Arbeit verbundenen diversen negativen Folgen für Kinder und Jugendliche sehr.

3.    Wir erkennen die großen Probleme von Eltern und Betrieben an, die mit Einschränkungen der Bildungsangebote einhergehen. Auch für Lehrkräfte stellt die Parallelität von Fernunterricht und Sorge für eigene Kinder oder pflegebedürftige Angehörige eine große Belastung dar. 

4.    Die aktuellen Inzidenzwerte in unserem Land, die Notwendigkeit, aktuell auch Vorsorge gegen Virusmutationen zu treffen und die Ende 2020 gemachten Erfahrungen lassen allerdings derzeit keinen Spielraum für die Öffnung von Bildungseinrichtungen. Erforderlich ist es vielmehr, den Notdienst in Kitas und Grundschulen restriktiver zu regeln.

5.    Auch bei Erreichen eines Inzidenzwertes von 50 (+) sind die Empfehlungen des RKI zum Schulbetrieb (Verkleinerung der Klassen durch Teilung oder Wechselunterricht; Mindestabstand von 1,5 m; Prüfung kurzzeitiger, lokaler Schulschließung mit Distanzunterricht) einzuhalten und weitergehende (schul-) organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, einem erneuten Anstieg der Infektionen vorzubeugen.

6.    Vor der Rückkehr zum vollen Präsenzbetrieb ist eine Phase des sog. Wechselbetriebes bzw. des sog. eingeschränkten Regelbetriebes erforderlich.

7.    Mit der Schließung von Bildungseinrichtungen im Frühjahr 2020, mit dem Infektionsgeschehen seit Beginn des Schuljahres und mit den Schließungen von Kitas und Schulen im Winter 2020/21 sind trotz aller Bemühungen der Beschäftigten Bildungsdefizite und Ungleichheiten bei Kindern und Jugendlichen entstanden, die nicht durch kurzfristige Maßnahmen oder zeitweilige Kürzungen von Lerninhalten ausgeglichen werden können.

8.    Zu große Klassen, fehlende Lehrkräfte, mangelhafte (digitale) Ausstattungen, der Verzicht auf alternative Konzepte und das viel zu lange Festhalten am Präsenzunterricht trotz steigender Infektionszahlen haben dazu geführt, dass die mit den Schließungen verbundenen Einbußen unverhältnismäßig hoch waren und sind. 

9.    Die Defizite reichen von der Schulvorbereitung bis hin zu den in diesem Jahr zu vergebenden Abschlüssen an Allgemeinbildenden und Berufsbildenden Schulen.

10.    Verzögerte Einschulungen, die erzwungene oder freiwillige Wiederholung dieses Schuljahres durch einen Großteil der Kinder und Jugendlichen ist wegen des fehlenden Personals nicht möglich. Der erforderliche Aufwuchs käme zu den Notwendigkeiten hinzu, die sich aus dem prognostizierten Anstieg der Schülerzahlen in den kommenden Jahren ohnehin ergeben. 

11.    Wegen der damit verbundenen Beschämung und wegen des weiteren Verlustes sozialer Beziehungen ist das erzwungene Wiederholen dieses Schuljahres keine pädagogisch sinnvolle Option. 

12.    Schüler*innen, bei denen zu den nicht aufgearbeitete Lernrückständen des vergangenen Schuljahres Wissenslücken durch die Schließungen in diesem Jahr hinzukommen, drohen indes ggf. langfristige schulische Misserfolge und Benachteiligungen im weiteren (beruflichen) Leben.

13.    Auch wenn kompetenzorientierter Unterricht seit der Einführung der KMK-Bildungsstandards in den Jahren 2003 und 2004 an Gewicht gewonnen hat, ist nicht damit zu rechnen, dass die Stoffzentrierung in Sachsen kurzfristig aufgegeben wird/ aufgegeben werden kann.

14.    Es wird für Lehrkräfte kaum oder nicht möglich sein, einigen bzw. allen Schüler*innen zu helfen, die entstandenen oder sich gar potenzierten Defizite auszugleichen und parallel dazu in der Vermittlung neuer Unterrichtsinhalte voranzuschreiten. 

15.    Auch sog. Sommerschulen ändern daran nichts, zumal mit diesem Angebot benachteiligte Schüler*innen nur sehr schlecht oder nicht erreicht werden können.     

16.    Ziel aktueller schulischer Arbeit kann es nicht sein, ausgefallenen Stoff schnellstmöglich nachzuholen und dabei Gefahr zu laufen, für benachteiligte Schüler*innen noch größere Hürden aufzubauen und damit auch Misserfolge zu organisieren. 

17.    Gerade in der aktuellen gesellschaftlichen Situation, in der Werte als Basis für sozialen Zusammenhalt gestärkt werden müssen, stellt auch die Konzentration auf die sog. Kernfächer keine Lösung dar, weil damit Einschränkungen in der politischen Bildung, in der Medienbildung, in der musischen, ästhetischen Bildung u.a.m. verbunden wären. 

18.    Um Schüler*innen davor zu bewahren, zu den größten Verlierer*innen der Pandemie zu werden, ist es nötig, ihnen längerfristig und verlässlich geeignete Unterstützung über den Unterricht hinaus anzubieten.

19.    Für diese Unterstützung werden nicht nur zusätzliche Investitionen in die sächliche Ausstattung, sondern insbesondere zusätzliche personelle Ressourcen gebraucht. Die vollständige Ausreichung des Ergänzungsbereiches und sein an den neuen Erfordernissen orientierter Ausbau ist nur in den Schularten und Regionen eine Lösung, in denen genügend Lehramtsabsolventinnen zur Verfügung stehen. 

Deswegen fordert der Landesvorstand der GEW Sachsen den Freistaat auf, mindestens im kommenden Doppelhaushalt ein Förderprogramm aufzulegen, aus dem die gezielte Förderung von Kindern und Jugendlichen finanziert werden kann. Die Mittel sind den Schulträgern bzw. Landkreisen anhand vorhandener Sozialdaten, z.B. zur Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen oder zur Quote der Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen der sozialen Mindestsicherung, zu übertragen und von diesen vor allem entsprechend sozialer Herausforderungen vor Ort zu verwenden. Gefördert werden können verschiedene Maßnahmen wie Schulvorbereitungshilfe, Hausaufgaben- und Nachhilfe in der Schule, Gutscheine für private Nachhilfe, Förderunterricht für Kleingruppen durch zusätzliches Assistenzpersonal, schulpsychologische Unterstützung, Sprachförderung für Kinder und Jugendliche mit nichtdeutscher Herkunftssprache u.a.m. 
Aus dem genannten Programm sind den Schulen personelle Ressourcen für die Beratung von Eltern und Schüler*innen sowie zur Koordinierung der gezielten Förderungen zur Verfügung zu stellen. 

20.    Durch den Lockdown im Frühjahr und Winter und die coronabedingten Einschränkungen in den Schulen und in der Berufswelt sind die meisten Angebote zur Berufsorientierung stark reduziert worden oder weggefallen. Das betrifft Praktika genauso wie die schulische Berufsorientierung und die Beratung durch die Agentur für Arbeit. Gleichzeitig sind viele Ausbildungsstellen verloren gegangen.

Deswegen fordert der Landesvorstand der GEW Sachsen nach Absprache mit dem DGB staatlich geförderte Ausbildungsprogramme, wenn sich die daraus resultierenden Probleme im jetzigen System nicht auffangen lassen.

21.    Mit der Rückkehr der Abschlussklassen und -kurse ist ein hohes Infektionsrisiko verbunden. Es ist nicht nur erforderlich, die bisherige Entscheidung zu überprüfen, sondern auch Vorsorge für den Fall zu treffen, dass sich der Präsenzunterricht nicht kontinuierlich aufrechterhalten lässt.

22.    Grundsätzlich sind in Hinblick auf die Abschlussprüfungen folgende Regelungen zu begrüßen:
Oberschulen

  • Konzentration auf den Unterricht in den schriftlichen und mündlichen Prüfungsfächern ab dem 03. Mai,
  • Arbeitszeitverlängerung für alle schriftlichen Prüfungen von jeweils 15 Minuten,
  • Möglichkeit zur freiwilligen Wiederholung der Abschlussklasse und Nichtanrechnung der Verweildauer an der Schule, 

Gymnasien und berufliches Gymnasium

  • Wahlmöglichkeit bei Prüfungsterminen,
  • Zweit- und ggf. Drittkorrekturen der Abiturprüfungen an der jeweiligen Schule, 
  • Arbeitszeitverlängerung bei allen schriftlichen Abitur- und Ergänzungsprüfungen um 30 Minuten, 
  • Möglichkeit in der gymnasialen Oberstufe zur freiwilligen Wiederholung der Abschlussklasse und Nichtanrechnung der Verweildauer an der Schule. 

23.    Begrüßt werden auch 

  • Aussetzen der Kompetenztests in den Klassenstufen 3 und 8, 
  • Entfallen der zentralen Vergleichsarbeiten an beruflichen Gymnasien in Klassenstufe 11,
  • Modifizierung der Besonderen Leistungsfeststellung in Klassenstufe 10 der allgemeinbildenden Gymnasien. 
  • Wegfall der zentralen Vergleichsarbeiten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch am Beruflichen Gymnasium und an der Fachoberschule in Klassenstufe 11.
  • Möglichkeit in den Leistungskursfächern von der vorgegebenen Zahl der Klausuren abzuweichen und 
  • Möglichkeit der Notenermittlung in den Grundkursfächern im 2. Schulhalbjahr auf Grundlage sonstiger Leistungen. 

24.    Dass zu Schuljahresbeginn Themen benannt wurden, die nicht Schwerpunkt der zentralen schriftlichen Prüfungen sein werden, löst die nunmehr entstandenen Probleme nicht ausreichend. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe ging das SMK davon aus, dass nur die Defizite aus 2019/20 auszugleichen wären und das Schuljahr 2020/21 störungsfrei ablaufen würde. 

Deswegen fordert der Landesvorstand der GEW Sachsen, dass bei Beibehaltung zentraler Prüfungen die Schulen wegen der höchst unterschiedlichen Ausgangsbedingungen die Möglichkeit erhalten, aus einem großen Pool gleichwertiger Aufgaben auswählen zu können. 

Kontakt
GEW Sachsen
Adresse Nonnenstraße 58
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