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Anmerkungen zum Beamtenstatus von Lehrkräften (Teil 1)

Verbeamtung von Lehrern bisher kein Thema in Sachsen – nun aber doch?

Infos zum Beamtenstreikrecht

Warum werden Lehrer in den meisten Bundesländern (noch) verbeamtet?

Der bisherige Bundesvorsitzende des Beamtenbundes sagt es in einem seiner Abschiedsinterviews ganz ehrlich:

„… Lehrer sollten überall den Beamtenstatus haben, das schützt vor Abwanderung in andere Bundesländer und vor Arbeitskämpfen an Schulen.“ (dbb-Chef Klaus Dauderstädt am 14.10.2017 in einem Interview der NOZ).

Das sind letztlich die wahren Motive, warum die meisten Bundesländer am Beamtenstatus ihrer Lehrkräfte festhalten oder ihn aktuell wieder einführen. Treue und brave Staatsdiener in den Schulen zu haben, ist (aktuell)politisch offensichtlich ein so hohes Gut, dass die langfristig negativen Folgen für die Länderhaushalte immer noch in Kauf genommen oder verdrängt werden.

Vor allem das in Deutschland lange Zeit unumstrittene Streikverbot für Beamte wollen die öffentlichen Arbeitgeber um jeden Preis verteidigen. Ob ihnen das gelingt, werden wir schon sehr bald erfahren: Nach mehrjährigem Weg durch die Instanzen stehen nun die ersten Verfahren gegen das Streikverbot für beamtete Lehrer auf der Tagesordnung des Bundesverfassungsgerichtes. Am 17. Januar findet in Karlsruhe die mündliche Verhandlung zu vier Verfassungsbeschwerden von Lehrkräften aus Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein statt, die sich gegen das Streikverbot für Beamte richten (PM des BVerfG Nr. 91/2017 vom 19.10.2017). Sie stehen stellvertretend für rund 10 000 verbeamtete Lehrkräfte, die in den Jahren 2009 bis 2015 in ihren Bundesländern Streikaufrufen der GEW gefolgt sind und sich gegen Disziplinarmaßnahmen, die deswegen gegen sie verhängt wurden, zur Wehr gesetzt haben. Nachdem die Oberverwaltungsgerichte der Länder weitgehend an der bisherigen Rechtsprechung zum Streikverbot für Beamte festhielten, gab das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) der Nichtzulassungsbeschwerde der GEW statt. Im Februar 2014 stellte es in Leipzig (in der Verhandlung des Verfahrens einer Kollegin aus NRW) fest, dass es einen offensichtlichen Widerspruch zwischen dem für Deutschland bindenden internationalen Recht (EMRK) und dem nationalen Verfassungsrecht gebe. Diesen Widerspruch könne nur der Gesetzgeber auflösen. Bis dahin gelte das Beamtenstreikverbot fort. Die Bundesregierung wiederum erklärte, sie wolle dem Bundesverfassungsgericht nicht vorgreifen. Mehr dazu im unter [1].   

Verbeamtung von Lehrern bisher kein Thema in Sachsen – nun aber doch?  

Im Oktober 2017 hat nun auch die allerletzte Lehrerin, die zu Beginn des Schuljahres 1990/91 im zarten Alter von 20 Jahren nach einem IfL-Studium noch in den Schuldienst der DDR eingestellt und dann in Sachsen weiterbeschäftigt wurde, die sächsische Altersgrenze für die Verbeamtung erreicht. Jetzt kann sich die sächsische CDU sicher sein, dass kein*e Lehrer*in mit DDR-Berufszeit mehr den Beamtenstatus erreichen kann – es sei denn, die in Sachsen ohnehin schon hohe Altersgrenze wird noch weiter angehoben.

Ein Schelm, wer Arges dabei denkt? Oder wird das Thema seit geraumer Zeit wirklich nur wegen des zunehmend dramatischen Lehrermangels wieder offensiver diskutiert? Letzteres ist zwar aus dem Munde des neuen sächsischen Kultusministers und weiterer Befürworter der Verbeamtung von Lehrern in Sachsen vordergründig zu hören, aber mit Blick auf den bundesweit beklagten Lehrermangel kein wirklich überzeugendes Argument. Dass Beamte aufgrund ihres Dienst- und Treueverhältnisses zu ihrem Dienstherren hinsichtlich ihrer konkreten Verwendung leichter „zu handhaben“ seien – ein weiteres Argument – scheint da schon einleuchtender, ist aber ebenso wenig überzeugend, da auch den Beamten Rechtsmittel gegen unbequeme Entscheidungen ihres Dienstherren zur Verfügung stehen.  

Damit wären wir wieder bei den Motiven, die der gerade verabschiedete dbb-Chef benannt hat – Bindung an den Landesdienstherren und Streikverbot. Wer keinen echten Druck aufbauen kann, muss sich am Ende auch mehr Zumutungen gefallen lassen – angesichts der aufgrund des Lehrermangels immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen nicht gerade eine rosige Aussicht. Und dem Freistaat Sachsen war noch immer jeder Spaltpilz willkommen, der sich in die recht aufmüpfige, gut organisierte Lehrerschaft pflanzen ließ. Viele Beispiele ließen sich hier nennen – auch noch Statusunterschiede zu schaffen, stand bisher nicht ernsthaft zur Debatte. Das hat sich nun geändert.

Wir lassen die Motive mal dahingestellt und wenden uns lieber den Fakten zu – d.h. den aktuellen Regelungen im sächsischen Beamtenrecht, das seit 2013 grundlegend reformiert wurde.

Wer entscheidet in Sachsen über den Beamtenstatus und seine konkrete Ausgestaltung?

Seit der Föderalismusreform 2006 regeln die Bundesländer die Angelegenheiten ihrer jeweiligen Landesbeamten in eigener Zuständigkeit. Lediglich die statusrechtlichen Grundstrukturen sowie einige Statusrechte und -pflichten der Beamten sind seit 2009 noch bundeseinheitlich in einem Beamtenstatusgesetz geregelt.

Um sich ein Bild über den Beamtenstatus in Sachsen zu verschaffen, muss man die dafür in Sachsen geltenden Gesetze und Verordnungen kennen, denn über die Angelegenheiten der Beamten in den Ländern (und deren Kommunen) entscheidet grundsätzlich der jeweilige Gesetzgeber – in Sachsen also der Landtag. Mit der konkreten Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen beauftragt er i.d.R. die Staatsregierung, die die Federführung in Beamtenfragen dem SMI übertragen hat. Und ohne Einvernehmen mit dem SMF läuft ohnehin nichts, was Geld kostet. Das SMK als Fachministerium der Lehrkräfte hat dagegen nur sehr eingeschränkte Befugnisse, zu deren Wahrnehmung es ausdrücklich per Gesetz ermächtigt sein muss.

Das ist schon der erste gravierende Unterschied zum Arbeitnehmerstatus: Nicht die Tarifpartner handeln die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Beamten aus, sondern der Gesetzgeber, der im öffentlichen Dienst letztlich auch der Arbeitgeber ist, verordnet sie einseitig. Die Spitzen­organisationen der Beamten (DGB und dbb) werden lediglich im Wege der Anhörung zu Gesetz- und Verordnungsentwürfen beteiligt.

Welche Lehrkräfte könnten in Sachsen verbeamtet werden?

Eine Verbeamtung von Lehrkräften – so sie denn politisch gewollt ist – wird in Sachsen auf der Grundlage der für Beamte des Freistaates geltenden Gesetze und Verordnungen erfolgen. Einige davon sind den sächsischen Lehrer*innen bereits gut bekannt, weil sie per Verweisung im TV-L auch auf tarifbeschäftigte Lehrkräfte Anwendung finden – z. B. die Arbeitszeitverordnung der Beamten, die Mehrarbeitsvergütungsregelungen, die Reisekostenregelungen. Für die Eingruppierung der Lehrkräfte mit einer vollständigen Lehramtsausbildung nach neuem Recht verweist der TV EntgO-L auf die Besoldung der entsprechenden Beamten und die dafür in der sächsischen Besoldungsordnung ausgebrachten Ämter für Lehrkräfte.

Zur Einschätzung der Wirkung einer politischen Entscheidung, Lehrkräfte auch in Sachsen zu verbeamten, sind jedoch andere beamtenrechtliche Regelungen zu betrachten:      

Altersgrenze für eine Verbeamtung

Die Beamtengesetze aller Bundesländer sehen Altersgrenzen für die Verbeamtung vor. Sie sollen sicherstellen, dass ein Beamter bis zum Eintritt in den Ruhestand auch noch die Anwartschaft auf eine seinem Amt angemessene Altersversorgung für sich und seine Familie „erdienen“ kann. In Sachsen liegt diese Altersgrenze seit 2013 bei 47 Jahren und ist damit im Vergleich der Bundesländer relativ hoch. Nach Sächsischem Beamtengesetz ist es darüber hinaus möglich, durch Rechtsverordnung des SMI im Einvernehmen mit dem SMF für einzelne Beamtengruppen eine abweichende Altersgrenze bis zur Vollendung des 52. Lebensjahres festzulegen. Davon ist in den Verlautbarungen von politischer Seite aber bisher nichts zu hören gewesen – im Gegenteil, es wird zumeist nur der Beamtenstatus für neu eingestellte und aus anderen Bundesländern zurückkehrende Lehrkräfte thematisiert, was aber verfassungsrechtlich angreifbar wäre, da über die Besetzung einer Beamtenstelle nach Eignung und Befähigung zu entscheiden ist, wenn es mehrere Bewerber*innen gibt.  

Bei der aktuellen Altersstruktur der sächsischen Lehrerschaft könnte derzeit im Rahmen der Altersgrenze von 47 Jahren nur rd. ein Drittel der Lehrer*innen verbeamtet werden – sofern sie auch die Laufbahnvoraussetzungen erfüllen und persönlich geeignet sind.  Selbst bei Erhöhung der Altersgrenze für Lehrkräfte auf 50 Jahre wären rein altersmäßig immer noch weniger als 40 % der Lehrerschaft verbeamtungsfähig – wobei sich dieser Anteil sehr unterschiedlich auf die Schularten verteilt.

Neben der Altersgrenze gibt es aber weitere Faktoren, die diesen Anteil noch deutlich weiter verringern.

Laufbahnvoraussetzungen

Angesichts der Einstellungspolitik der letzten Jahre kann man getrost davon ausgehen,  dass  rd. ein Drittel der Lehrkräfte, die die Altersgrenze noch nicht erreicht haben, nicht die für die jeweilige Beamtenlaufbahn erforderlichen Voraussetzungen erfüllt – d.h. entweder keine vollständige Lehramtsausbildung  absolviert hat (Seiteneinsteiger*innen) oder nicht entsprechend der absolvierten Ausbildung verwendet wird. Die derzeit im Sächsischen Besoldungsgesetz ausgebrachten Ämter für Lehrkräfte gehen immer von einer der konkreten Lehramtsausbildung auch entsprechenden Verwendung aus (z. B. „Lehrer - mit der Befähigung für das Lehramt an Grundschulen bei einer entsprechenden Verwendung“ – A 12; „Studienrat - mit der Befähigung für das Lehramt an Gymnasien bei einer der jeweiligen Befähigung entsprechenden Verwendung“ – A 13). Damit bleibt also vermutlich weniger als ein Viertel der jetzigen Lehrerschaft übrig, das vom Alter her verbeamtungsfähig ist und auch die jeweiligen Laufbahnvoraussetzungen erfüllt.

Doch auch das allein reicht noch nicht aus, um die Ernennungsurkunde (zunächst auch - für mindestens ein Jahr - nur auf Probe) zu erhalten. Dafür bedarf es noch der persönlichen Eignung für die Berufung in ein Dienst- und Treueverhältnis zum Freistaat Sachsen.

Persönliche Eignung

Hierzu listet das Sächsische Beamtengesetz u. a. eine stattliche Reihe von Funktionen und Tätigkeiten in der DDR auf, bei denen vermutet wird, dass Personen, die diese Funktionen und Tätigkeiten ausgeübt haben, die für die Berufung in das Beamtenverhältnis erforderliche Eignung nicht besitzen. Diese Vermutung kann widerlegt werden. In diese Situation werden aufgrund der Altersgrenze aber keine Lehrkräfte in Sachsen mehr kommen.

Zur persönlichen Eignung gehört auch die Feststellung der gesundheitlichen Einigung durch eine amtsärztliche Untersuchung. Wird dabei festgestellt, dass der Gesundheitszustand des/der Untersuchten mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt, dass er/sie bei Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht in der Lage sein wird, bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand auch seine/ihre Dienstpflichten zu erfüllen, wird er/sie mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht verbeamtet werden.

Fazit

Allein aufgrund dieser drei grundlegenden Voraussetzungen für eine Verbeamtung lässt sich unschwer erkennen, dass – sollte der Freistaat Sachsen seine bisherige Haltung zum Beamtenstatus der Lehrkräfte aufgeben (was bei Redaktionsschluss noch nicht feststand) - nur eine Minderheit der jetzigen sächsischen Lehrerschaft verbeamtet werden könnte. Die Konsequenzen für die ohnehin angespannte Stimmung in den Lehrerzimmern kann sich jede/r ausmalen. Selbst wenn es gelingen sollte, dem Finanzminister für die nicht oder nicht mehr verbeamtungsfähigen Kolleg*innen einen angemessenen finanziellen Ausgleich beim monatlich verfügbaren Einkommen abzuringen – was nach aller bisherigen Erfahrung wenig realistisch erscheint – wäre damit noch lange kein echter Nachteilsausgleich zu erreichen, denn es bleiben die nach wie vor eklatanten Unterschiede bei der Altersversorgung.

Womit wir unweigerlich bei den finanziellen Folgen einer Verbeamtung sind – für die konkret betroffenen Lehrkräfte und für den Landeshaushalt. Dazu dann in der nächsten Ausgabe der E&W mehr.


 [1] Link:

www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/streikrecht-fuer-beamte

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