Gesamtergebnis
In der abschließenden Anhörung des Schulausschusses des Sächsischen Landtages sagte Uschi Kruse in ihrem Resümee: „Ein ‘modernes, flexibles und zukunftsfestes Schulgesetz‘ wird nicht erreicht. Am ‘bewährten Fundament‘ festzuhalten scheint wichtiger gewesen zu sein, als sich die Fragen zu stellen, in welchem Umfang sich das Fundament tatsächlich- und zwar für alle Schüler*innen- bewährt hat und ob es den Herausforderungen noch gerecht wird, vor denen das Bildungssystem auch wegen der Änderungen in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen heute steht. Auch der geänderte Gesetzentwurf bleibt so zwangsläufig hinter den Erwartungen von Eltern, Schüler*innen und Lehrkräften zurück. Dass damit große Enttäuschungen verbunden sind, kann nicht verwundern.“
[*Zitate im Zitat: aus Begründung des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen]
Mitwirkung
Die GEW Sachsen hat sowohl den im Landtag vertretenen Parteien als auch dem Kultusministerium ihre Stellungnahme zugesandt und diese bei verschiedenen Diskussionsveranstaltungen offensiv vertreten. Zu jeder Sachverständigenanhörung des Schulausschusses waren Vertreter*innen der GEW eingeladen und haben dort für konkrete Verbesserungen an den Schulen geworben. Wir haben uns zu den Themen Inklusion, längeres gemeinsames Lernen und zur Bildungsempfehlung geäußert und sowohl zum Ursprungsantrag als auch den meisten Änderungsvorschlägen Position bezogen.
Schwerpunkte
Die GEW hatte bereits vor Beginn der Diskussion bestimmte Schwerpunkte gesetzt, an denen die Änderungen zu messen sind. Folgende Regelungen sieht die Schulgesetznovelle zu ausgewählten Aspekten vor:
Schaffung und Garantie notwendiger Voraussetzungen und Rahmenbedingungen
Qualitative Schulentwicklung ist aus Sicht der GEW ohne garantierte Bereitstellung der dafür notwendigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen nur beschränkt möglich. Bereits jetzt können viele Schulen den steigenden Anforderungen kaum oder nur durch das hohe Engagement und die persönlichen Opfer von Lehrkräften gerecht werden. Die vorgesehenen Neuregelungen erfordern zusätzliche sächliche und personelle Ressourcen, die im neuen Schulgesetz allerdings nicht oder nur durch „Soll- Vorschriften“ festgeschrieben werden. Bei Soll- Regelungen ist in Anbetracht der Erfahrungen bei der Umsetzung der Schulintegrationsverordnung aus unserer Sicht große Skepsis geboten.
Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
Das neue Schulgesetz bekennt sich in stärkerem Maße zum gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Förderbedarf. Die Einführung der Inklusion soll zeitlich gestaffelt stattfinden. In den nächsten Jahren sollen sich alle Schulen zu Kooperationsverbünden zusammenschließen und an den Grundschulen soll Schritt für Schritt auf die vorschulische Diagnostik in den Bereichen Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung verzichtet werden. Allerdings werden die Ressourcen zur Bewältigung des besonderen Förderbedarfs nicht garantiert. Stattdessen wird die Integration von Kindern mit Förderbedarf an das Vorhandensein genau der organisatorischen, personellen und sächlichen Voraussetzungen gebunden, an denen es derzeit fehlt..
Zulassung von Gemeinschaftsschulen/ anderen integrativen Schulformen (bis zur Sekundarstufe II) als Regelschulen
Das neue Schulgesetz verhindert Gemeinschaftsschulen nach wie vor, obwohl diese Schulen regelmäßig nur dort entstehen würden, wo Eltern, Schulträger und Lehrkräfte sich für diese Schulart entscheiden. Gemeinschaftsschulen wenigstens zu ermöglichen, hätte das sächsische Schulsystem nicht auf den Kopf gestellt, aber die Wünsche vieler Eltern, Pädagogen und von zwei Oppositionsparteien aufgegriffen und vielerorts auch dazu beitragen, ein wohnortnahes Schulangebot sicherzustellen.
Senkung der Klassenobergrenzen
Die in § 4a (2) genannte Klassenobergrenze liegt immer noch bei 28 Schüler*innen und damit wesentlich zu hoch. Auch die Ausnahmeregelungen zur Überschreitung bleiben erhalten, während eine Unterschreitung weiterhin ausgeschlossen wird. Die gestiegenen Anforderungen durch Inklusion und Migration erfordern indes deutlich kleinere Klassen und Gruppen. Mindestens im Zusammenhang mit der stärkeren gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Förderbedarf wäre eine gesetzliche Reduzierung auf maximal 25 Kinder pro Klasse erforderlich.
Stärkung von Schulstandorten, die besondere Herausforderungen zu bewältigen haben
Die Lernerfolge von Kindern und Jugendlichen sind nicht nur von der Klassengröße, sondern auch von der Qualität des Unterrichts, der Unterschiedlichkeit der Schülerschaft, der Anzahl der Pädagogen in der Klasse und dem soziales Schulklima abhängig. Das neue Schulgesetz nimmt diese Erkenntnisse der Bildungsforschung nicht auf. Regelungen zur Lehrerzuweisung entsprechend besonderer sozioökonomischer Bedingungen (u.a. Bildungsarmut, Migration) fehlen nach wie vor. Damit werden u.a. Brennpunktschulen weiterhin allein gelassen.
Aufwertung und Stärkung der Schulsozialarbeit
Das neue Schulgesetz greift die Forderung nach verstärkter Schulsozialarbeit auf. Entsprechende Ressourcen „sollen“ für alle Schularten und Schulstufen in angemessenem Umfang zur Verfügung stehen. Betont wird insbesondere der Einsatz von Schulsozialarbeiter*innen an jeder Oberschule. Allerdings ist sowohl die Gesamtregelung als auch die Sonderregelung für die Oberschulen als Soll- Vorschrift formuliert.
Schulstandorte
Die Regierungskoalition ist bemüht, Schulstandorte im ländlichen Raum zu erhalten. Das sog. Schulmoratorium wird in die Neufassung des Gesetzes aufgenommen, so dass außerhalb von Mittel- und Oberzentren Grundschulstandorte mit jahrgangsübergreifendem Unterricht fortgeführt werden können, wenn sie die sonst üblichen Mindestschülerzahlen nicht erreichen. Im ländlichen Raum können Oberschulen nun auch einzügig und Gymnasien in der Eingangsklassenstufe befristet auf ein Schuljahr zweizügig fortgeführt werden. Damit werden Schulschließungen an einigen Standorten verhindert werden können. Gleichzeitig vergrößern sich allerdings auch die Unterschiede bei den Lernbedingungen zwischen ländlichem Raum, den Städten und vor allem den Großstädten.
Neue Inhalte
Im neuen Schulgesetz wird § 1 „Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule“ erweitert. Zu begrüßen sind u.a. die Betonung der Vermittlung von Alltags- und Lebenskompetenz, der Berufs- und Studienorientierung, der Gesundheits- und Bewegungsförderung, der Verkehrserziehung, der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Medienbildung. Positiv ist auch, dass „die Schüler*innen [lernen sollen] allen Menschen vorurteilsfrei zu begegnen, unabhängig von ihrer ethnischen und kulturellen Herkunft, äußeren Erscheinung und ihren religiösen und weltanschaulichen Ansichten…“ Dem Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) folgend hätte in diese Aufzählung auch der Respekt vor sexuellen Identität aufgenommen werden müssen
Wie weiter?
Die GEW wird die Umsetzung der Neuregelungen kritisch begleiten. Besonders an den Stellen, an denen das Gesetz Soll- Vorschriften enthält, werden wir auch im Lehrer- Hauptpersonalrat auf die Sicherstellung der entsprechenden Ressourcen dringen. Zunächst bieten wir in den nächsten Wochen Schulungen für Örtliche Personalräte an, damit diese die vorgesehene größere Eigenständigkeit der Schulen sachkundig begleiten können.