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Bildungschancen

Mehr Geld für Bildung

Seit gut einem Jahr wird viel über Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen gesprochen. Die Sorge, dass Kinder und Jugendliche nicht abgehängt werden, ist völlig berechtigt. Dass die Probleme so spät wahrgenommen werden, ist allerdings verwunderlich. Denn: Neu sind die Ungerechtigkeiten nicht.

Dass Kinder mit Sprachproblemen in die Kindertageseinrichtungen kommen, ist genauso wenig neu wie die Tatsache, dass friedliches Zusammenleben in Familien mehr oder minder gut erlernt wird. Kinder, die heute keinen ruhigen Arbeitsplatz für Fernunterricht haben, hatten diesen auch vor der Pandemie nicht. Schon vor Corona konnten nicht alle Eltern ihre Kinder im gleichen Maße anregen und schon vor Corona hatten es Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund schwerer, wenn ihre Eltern sie aufgrund einer Sprachbarriere in schulischen Belangen weniger unterstützen konnten. Alleinerziehende und ihre Kinder waren schon vor der Pandemie im besonderen Maße von Hartz IV abhängig und auch die Ungleichheit bei der Ausstattung mit digitalen Endgeräten oder beim Zugang zu schnellem Internet konnte man lange vor März 2020 nachlesen.

Ein Blick zurück hilft allerdings wenig. Nun ist ausschlaggebend, welche ernsthaften Anstrengungen unternommen werden, um die größer gewordene Gerechtigkeitslücke zu schließen und die entstandenen Defizite auszugleichen. Der Doppelhaushalt 2021/22, der im Mai vom Landtag beschlossen wird, wird entscheidend für die Bildungsbedingungen der Kinder und Jugendlichen aber auch für die Arbeitsbedingungen der Pädagogischen Fachkräfte und der Lehrkräfte in den kommenden eineinhalb Jahren sein. Wenn Förderangebote weiterhin fehlen, wenn Gruppen und Klassen größer werden, wenn für individuelle Beratung und für die Koordinierung zusätzlicher Unterstützung Zeit fehlt, dann sind die Herausforderungen kaum zu bewältigen und dann ist die Überlastung der Beschäftigten vorhersehbar.

Weil wir davon überzeugt sind, dass die Bewältigung der Corona-Folgen nicht einfach „oben drauf“ gepackt werden kann, setzt sich die GEW Sachsen seit Monaten für Verbesserungen am Entwurf des Doppelhaushaltes ein. Die Einzelpläne für die Ministerien sind die entscheidende Grundlage für die personelle und sächliche Ausstattung von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hoch­schulen. Stellen oder Mittel, die nicht im Haushalt verankert sind, stehen für Verbesserungen oder wenigstens zum Erhalt des Status Quo schlichtweg nicht zur Verfügung.
   
Als einzige Organisation im Bildungsbereich haben wir in zwei Landtagsanhörungen auf Verbesserungen gedrungen. Wir haben außerdem nicht nur die für Schule und Bildung sowie für Hochschule zuständigen Ausschüsse angeschrieben (E&W berichtete), sondern uns an Bildungs- und Finanzpolitiker*innen gewandt und damit auch Änderungsanträge initiiert.

Die Minimalforderungen der GEW in Kurzform:

  1. Im Bereich der frühkindlichen Bildung erwarten wir die Umsetzung des im Koalitionsvertrag gegebenen Versprechens zur Verbesserung des Personalschlüssels. Als ersten Schritt ist aus Sicht der GEW die Kompensation für krankheitsbedingten Ausfall in Höhe von 5 % für Krippen, Kindergärten und Horte erforderlich.
  2. Im Schulbereich ist zunächst die Normalität herzustellen. Bei der Bereitstellung von Stellen sind die steigenden Schülerzahlen zu berücksichtigen. Der Grundbereich und der Ergänzungsbereich sind vollständig auszuweisen.
  3. Die Notwendigkeit einer Klassenleiterstunde hat durch die Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Ohne diese ist der Beratungsbedarf für Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern nicht zu realisieren.
  4. Die Belastung der Schulleitungsmitglieder ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Koordinierende und beratende Aufgaben werden zur Bewältigung der Pandemie an Bedeutung gewinnen und sind nur bei Entlastungen zu bewältigen.
  5. Die Stellen für Schulpsychologie sind gesondert und nicht zu Lasten der Lehrerstellen auszuweisen und wegen des deutlich steigenden Bedarfes auf einen Schlüssel von max. 5.000 Schüler*innen pro Psycholog*in zu erhöhen.
  6. Das Programm Schulassistenz ist auszuweiten und muss gesondert – nicht zu Lasten der Lehrerstellen – ausgewiesen werden, weil es nicht auf den Ersatz von Lehrer*innen zielt, sondern auf besondere Unterstützung.
  7. Zusätzlich zur angekündigten „Bildungsmilliarde“ des Bundes ist ein sächsisches Förderprogramm zur Überwindung von Bildungsdefiziten aufzulegen. Bei fehlendem Personal können die Mittel kapitalisiert werden. Sie sind den Schulen nach sozialen Kriterien zuzuweisen und können von diesen auch in Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern verwendet werden.
  8. Im Hochschulbereich sind die Unterstützung der Studentenwerke und hier vor allem höhere Zuschüsse für Investitionen dringend erforderlich, um dem nach wie vor existierenden Investitionsstau gerecht zu werden.
  9. Die Mittel für Qualität der Lehre, Chancengleichheit und Inklusion an Hochschulen sind aufzustocken, um den dringende Finanzbedarf zu decken.

Die Umsetzung dieser Vorschläge der GEW erfordern im laufenden und im kommenden Haushaltsjahr zusätzlich jeweils ca. 350 Millionen Euro.
Auch Verbesserungen bei der Förderung des Kita- und Schulhausbaus und bei der Förderung der schulischen Digitalisierung sind zusätzlich einzupreisen und kosten den Freistaat Millionen. Bei gesunkenen Steuereinnahmen viel Geld.

Wenig Geld allerdings im Vergleich zu den Milliarden, die zur Bewältigung der Pandemiefolgen auf Bundes- und Landesebene auf den Weg gebracht worden sind – für kleine in Not geratene Unternehmen und auch für große Konzerne.   
Eine gute Zukunft für Kinder und Jugendliche muss die Gesellschaft diese Anstrengung wert sein. Eine gute Zukunft für Kinder und Jugendliche erfordert nicht nur Reden. Sie erfordert: Mehr Geld für Bildung!

Uschi Kruse
Landes­vorsitzende