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Migration

Lehrkräfte weiterhin unvorbereitet

Die Ukraine-Krise verweist sehr klar auf die Bedürfnisse der Gruppe der Mütter und ihrer Kinder. Deutlich wird aber auch, dass die Bildungsinstitutionen an den Grenzen ihrer Leistungsmöglichkeiten arbeiten: Zahlreiche Kinder und Jugendliche ohne Deutschkenntnisse müssen innerhalb kürzester Zeit in KiTas, Grundschulen und weiterführenden Schulen aufgenommen und mit Unterrichts- und Betreuungsangeboten versorgt werden. Dazu hat sich die Landesregierung verpflichtet. Wer jedoch zahlt die Miete für diese Zusage?

Spätestens seit 2015 tragen die Lehrkräfte im Schuldienst und in Bildungsinstitutionen die Hauptlast der Aufgaben der schulischen Integration. Durch den Mehraufwand in der Corona-Pandemie sind ihre Ressourcen jedoch ausgereizt und sie haben kaum noch Zeit für die Fort- und Weiterbildungen, z. B. zu Fragen des Erwerbs von Deutsch als Zweit- und Bildungssprache, Diagnostik oder sprachsensiblem Fachunterricht. 

Aber bereits im Lehramtsstudium reichen die Kapazitäten für diese Themen nicht aus: An der TU Chemnitz, TU Dresden oder Universität Leipzig werden einige – sehr wenige – Spezialisten in diesen Themen ausgebildet. Angesichts der Aufgaben gleicht das dem vielbemühten Tropfen auf den heißen Stein! 
Die Qualitätsoffensive Lehrkräftebildung hat nicht zu der angestrebten und erhofften deutlichen Qualitätssteigerung im Studienbereich Sprachbildung an den Universitäten geführt. Im Gegenteil: Stellenanteile wurden für diesen Bereich gekürzt. Damit reduziert sich die Reichweite dieser Themen im Studium weiter. Nach wie vor verlassen zu wenige Lehramts-Absolventinnen und Absolventen die Universität, ohne sich jemals mit Spracherwerbsfragen ihrer zukünftigen Schülerinnen und Schüler beschäftigt zu haben. Obwohl ansonsten gut ausgebildet, sind diese Novizen-Lehrkräfte nicht in der Lage, ihren pädagogischen Aufgaben der Vermittlung des Deutschen als Zweit- und Bildungssprache oder der sprachsensiblen Unterrichtsführung nachzukommen. Sie haben es selbst nicht gelernt. Sie können keinen Unterricht anbieten, von dem alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen profitieren können, sodass ihr Wissens- und Kompetenzzuwachs auf der Strecke bleibt.

Auf dem Papier und rein rechnerisch mag das Thema der Sprachbildung in den Curricula und Studienplänen auftauchen: Die universitäre Praxis sieht jedoch anders aus. Angesichts hoher Studierendenzahlen bleibt für den recht jungen Studienbereich Sprachbildung und Deutsch als Zweit- und Bildungssprache wenig übrig. Zu wenig, um das Thema in die Breite und dann weiter an die Schulen zu tragen. In der Konsequenz heißt das, dass auch die Schulen nicht durchgängig für die Sprachbildung tätig werden können, weil ihnen die gut ausgebildeten Akteure fehlen. 
Als Investition in die Zukunft muss dieser Bereich an den Universitäten langfristig aufgestockt werden. Kurzfristige Feuerwehr-Lösungen gibt es genug! Aber langfristig werden die pädagogischen Grundlagen im Studium gelegt. Nur so können die zukünftigen Lehrkräfte auch bei der Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen erfolgreich arbeiten. 

Angesichts des grassierenden Fachkräftemangels, der durch die Corona­krise noch offensichtlicher wurde, sind auch zusätzliche Fachkräfte gefragt:
Aktiviert werden müssen die in Sachsen wohnhaften international ausgebildeten und in ihren Herkunftsländern berufserfahrenen Pädagoginnen und Pädagogen, die in Schule und Bildungsinstitutionen tätig werden können. Mit erfolgreichen Abschlüssen in Sprach- und Integrationskursen haben sie das Potential zur Entspannung der Personalnot und zur Vermittlung von fachlichen, sprachlichen und institutionellen Fragen. Die Entlastung kommt allen zugute und ist in der täglichen Arbeit positiv zu spüren. 

Anke Börsel 
Zentrum für Integrationsstudien der TU Dresden 
anke.boersel(at)tu-dresden(dot)de
Lisa Gulich 
RefAMI, GEW Sachsen
lisa(dot)gulich(at)gew-sachsen(at)de

Kontakt
Lisa Gulich
Referat Antidiskriminierung, Migration und Internationales