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Seiteneinsteiger*innen

Lehrer werden in Sachsen – mit LEIDENschaft?

Diesen Worten folgend wurden allein von 2015 bis 2018 3.102 Seiteneinsteiger*innen an sächsischen Schulen neu angestellt. Eine Gruppe, die sich mit dem Seiteneinstieg in eine oft neue, eine ungewisse Berufs- und Ausbildungssituation begab – wohl wissend, dass sie für einen Zeitraum von etwa zwei Jahren oftmals weniger Lohn erhalten als in ihren alten Jobs und dass es eine hohe Doppelbelastung von berufsbegleitendem Studium und neuem Arbeitsbereich bedeuten würde. Die Gründe für den Seiteneinstieg waren neben dem großen Interesse an Fragen von Bildung und Pädagogik teilweise auch die Aussicht auf bessere Arbeitsbedingungen.

Wie zahlreiche andere Bundesländer hat auch Sachsen in den vergangenen Jahren einen eklatanten Lehrermangel zu verzeichnen. Es handelt sich dabei um eine typische Erscheinung, die denen anderer, unter Lehrermangel leidenden, Bundesländer ähnelt: Mangel und Überangebot an Lehrer*innen wechseln sich immer wieder ab. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf demografische Veränderungen, auf die Fehlplanung und Einsparpolitik der Landesregierung und auf große Lohnunterschiede zwischen den Ländern, die in Sachsen beispielsweise zu Abwanderung beziehungsweise zu weniger Interesse an dem Beruf führten.

Um diesem entgegenzusteuern, hat sich die sächsische Landesregierung in den vergangenen Jahren verschiedener Instrumente bedient. Zum einen werden seit Frühjahr 2019 Lehrkräfte verbeamtet, um den Beruf attraktiver zu machen. Dies gilt aber auch nur bis zur Altersgrenze von 42 Jahren und erfolgt zunächst für eine Pilotphase von 5 Jahren. Ältere Kollegen*innen sind davon ausgeschlossen. Eine zweite Stellschraube, die einen sehr wichtigen Schritt darstellte, war die Höhergruppierung der Grundschullehrkräfte seit 2019. Diese sind jetzt ihren Kolleg*innen an anderen Schulen in öffentlicher Trägerschaft in der Tarifgruppe gleichgestellt.
Die dritte Stellschraube sind wir – die Seiteneinsteiger*innen. Wir sollen die vielen Lücken an sächsischen Schulen füllen, um so den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten. Allein 2019 haben sich 1.648 Seiteneinsteiger*innen auf eine Stelle beworben. Dem gegenüber waren es nur 1.223 grundständig ausgebildete Lehrkräfte.
Geworben wurden wir mit einer qualitativ hohen wissenschaftlichen Zusatzausbildung in der Grundschuldidaktik, einem direkt an die wissenschaftliche Ausbildung anschließenden Vorbereitungsdienst im Rahmen unserer dreijährigen Ausbildung an unserer Stammschule sowie einer letztlichen Gleichstellung mit den grundständig ausgebildeten Lehrkräften.

Die Erfahrungen jedoch, die wir gegenwärtig machen, sind gekennzeichnet von Intransparenz seitens des Arbeitgebers (Landesamt für Schule und Bildung vertretend für den Freistaat Sachsen), Unsicherheiten bezüglich unserer beruflichen Zukunft und starker Überlastung aufgrund der Triade von Arbeit – Studium – Familie. Schaut man sich einmal in Sachsen um, differiert die Ausbildungssituation von Stadt zu Stadt, von Jahrgang zu Jahrgang. Ein einheitliches Vorgehen ist nicht erkennbar. Damit geht auch einher, dass es keine klaren Regelungen gibt, auf die man sich beziehen könnte, wenn es um die Einforderung von Rechten geht. So sind zum Beispiel die Seiteneinsteiger*innen in Dresden und Chemnitz nicht als Studierende an der Universität eingeschrieben, in Leipzig jedoch schon. Studentische Rechte wie die Mitbestimmung über Hochschulgremien sind somit ausgehebelt.

Die derzeit größte Belastung ist jedoch die Unsicherheit bezüglich unserer Situation nach dem Studium. Entgegen verbaler Zusagen bei anfänglichen Informations- und Einstellungsgesprächen erhalten wir bezüglich des unmittelbaren Anschlusses des Vorbereitungsdienstes an die wissenschaftliche Ausbildung keine klaren Aussagen. Unklar ist: Werden soziale Faktoren bei der Zuweisung einer Schule beachtet? Welche Rolle spielen unsere Noten im Studium? Was passiert, wenn nur für einen Teil von uns Stellen an Schulen frei sind? Darüber werden keine Aussagen getroffen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass viele von uns Familie haben und nicht in der Lage sind, von heute auf morgen die Stadt zu wechseln. Das Absolvieren der Ausbildung innerhalb der drei Jahre stellte ebenfalls für viele von uns eine wichtige Voraussetzung beim Jobwechsel dar. Ein zeitliches Herauszögern unseres Abschlusses bedeutet für uns sowohl eine finanzielle Belastung, da wir niedriger gruppiert sind, als auch, dass sich einige Kolleg*innen aufgrund der Altersgrenze nicht mehr verbeamten werden lassen können.
Zudem wird uns der wichtige praktische Teil unserer Ausbildung auf unbestimmte Zeit vorbehalten und demnach in Kauf genommen, dass eine große Gruppe nicht fertig ausgebildeter Lehrkräfte in sächsischen Schulen lehrt.

Im Grunde genommen findet so ein Stück weit nicht nur eine Entwertung unserer Ausbildung, sondern auch des Berufs Lehrer*in und der Grundschule im Allgemeinen statt. Ist dies politisch so gewollt und geplant? Ein weiterer Aspekt all dieser Unklarheiten um die wissenschaftliche Ausbildung und den Seiteneinstieg in Sachsen ist die letztlich eben doch nicht gegebene Gleichstellung von uns Seiteneinsteiger*innen mit den grundständigen Lehrer*innen: Mit Abschluss unserer Ausbildung erhalten wir eine Lehrbefähigung, die uns an Sachsen bindet. Es handelt sich um ein Zertifikat, welches nicht gleichzusetzen ist mit dem ersten und zweiten Staatsexamen. Die Freiheit der Berufswahl ist dadurch lokal auf das Bundesland Sachsen begrenzt.

All diese Faktoren führen bei uns zu Unsicherheiten, vielerorts zu emotionaler Belastung, zu Druck und letztlich auch zu Studienabbrüchen.
Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Gleichbehandlung mit den grundständig ausgebildeten Hoch-schulabsolvent*innen, die bei der Zuweisung zum Vorbereitungsdienst bevorzugt werden, eine, die wir stellen müssen. Welche Gleichbehandlung liegt vor, wenn wir aufgrund unseres Status „berufsbegleitend“ bei der Vergabe zweitrangig eingestellt werden? Wenn wir trotz Ausbildung und Vorbereitungsdienst nur in Sachsen arbeiten dürfen? Die in diesem Jahr eingestellten Seiteneinsteiger*innen trifft es sogar noch schlechter, da sie nur noch einen auf zwei Jahre befristeten Vertrag erhielten. Die Möglichkeit, diese Lehrkräfte dann wieder in die Arbeitslosigkeit zu schicken, wenn genügend grundständige Lehrer*innen nachziehen, ist offensichtlich und bewusstes Instrument der Regulierung.

Das wollen wir nicht hinnehmen. Wir fordern Transparenz und klare Aussagen hinsichtlich der Kriterien für die zeitnahe Zulassung zum Vorbereitungsdienst! Wir fordern, dass wir mit Abschluss des Vorbereitungsdienstes mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften gleichgestellt werden – und zwar auf allen Ebenen! Wir fordern, dass es uns ermöglicht wird, unsere Ausbildung an unseren Stammschulen zu beenden und zwar innerhalb der drei vorgegebenen Jahre! Wir fordern, dass wir mit unseren Sorgen und Problemen ernst genommen werden und dass die Landesregierung uns nicht als Lückenfüller verwendet, sondern Strukturen schafft, die uns eine gute Ausbildung ermöglichen! Wir lassen uns nicht zu Lehrer*innen zweiter Klasse machen! Eine uns vollständig qualifizierende Ausbildung zu bieten, die uns motiviert, in diesem eigentlich so schönen Beruf zu bleiben, sollte eigentlich Priorität des Freistaates im Umgang mit uns sein.
Bist auch Du Seiteneinsteiger*in Sachsen und willst die Bedingungen nicht länger hinnehmen? Dann melde Dich bei uns! Wir tauschen uns regelmäßig über unsere Situation aus und überlegen zusammen nächste Schritte. In Leipzig gründen wir jetzt eine Arbeitsgruppe in der GEW. Je mehr wir sind, desto besser werden wir gehört!

Schreibe uns und sei mit dabei:
seiteneinstieg-leipzig(at)gew-sachsen(dot)de

Claudia Maaß
AG „Seiteneinstieg in der GEW Leipzig“

 

Kontakt
Claudia Maaß
Mitglied Kreisvorstand
Adresse (Lehrerin an der Geschwister-Scholl-Oberschule Liebertwolkwitz)