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Landeshaushalt

Interview mit Uschi Kruse zum sächsischen Doppelhaushalt 2023/24

Der sächsische Doppelhaushalt 2023/24 wurde noch vor der Weihnachtspause vom Landtag verabschiedet.

(Foto: Steffen Giersch, CC BY-SA 2.0)

Was macht ihn so wichtig für die Bildungspolitik?
Mit dem Doppelhaushalt werden die Rahmenbedingungen für die Bildung im Freistaat in den nächsten zwei Jahren bestimmt. Mit ihm wird darüber entschieden, wie die Bedingungen in den Kitas sind – und zwar sowohl die personellen als auch die sächlichen. Es wird mit ihm darüber entschieden, wie viele Lehrerinnen und Lehrer, Assistenzkräfte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den nächsten zwei Jahren an den Schulen beschäftigt werden, ob neu gebaut werden kann oder wieviel Geld die Träger für Renovierungen haben. Und mit dem Doppelhaushalt wird auch entschieden, wie viele unbefristete Stellen und welche Investitionen es im Hochschulbereich gibt. Deswegen sind die Haushalte immer so wichtig. Die Gelder für den Bildungsbereich kommen zum größten Teil vom Land Sachsen – in all unseren Organisationsbereichen. Deswegen sehen wir da so genau hin.

Das ist sicherlich nicht so einfach. Allein der Einzelplan 05 des Kultusministeriums umfasst 431 Seiten und ist nur ein Plan von insgesamt 15.
Es ist bedauerlich, dass die Haushalte für viele Bürgerinnen und Bürger nicht durchschaubar sind. Wenn man sie wirklich verstehen will, muss man sich schon über Jahre hinweg eingearbeitet haben, um zum Beispiel festzustellen, wie es mit Geldern für Vertretungen im Schulbereich aussieht. So ganz transparent ist das Verfahren nicht. Jetzt wird zum Beispiel verkündet, es gäbe 1.000 Erzieherinnen und Erzieher mehr. Das wird durch den Haushalt selbst aber nur indirekt geregelt. Richtig ist: Es gibt mehr Geld, mit dem die Träger 1.000 zusätzliche Stellen für Erzieherinnen und Erzieher bezahlen können und es gibt die Ankündigung, dass im Kitagesetz eine entsprechende Änderung erfolgen soll. Die Haushalte bestimmen nicht nur, wie es den Beschäftigten und den Kindern und Jugendlichen in den kommenden zwei Jahren geht. Sie haben oft Wirkungen weit darüber hinaus. 

Deswegen auch die von der GEW organisierte Demo vor dem Landtag im letzten September…
Genau. Deswegen haben wir auch noch einmal dort ein deutliches Zeichen gesetzt, dass es mehr Investitionen in Bildung gibt.

Der Doppelhaushalt enthält für den Bildungsbereich mehr Ausgaben als ursprünglich vorgesehen. Ist die GEW Sachsen mit ihm zufrieden?
Da muss man zwischen den einzelnen Bereich unterscheiden. Im Vergleich zum Haushaltsplanentwurf ist im Bereich der frühkindlichen Bildung eine ganze Menge passiert. Die höheren Ausgaben, die jetzt geplant sind, werden allerdings vor allem dafür verwendet, um erhöhte Energieausgaben und Essenskosten zu tragen und damit eine Erhöhung der Elternbeiträge weitgehend abzuwenden. Das ist – um es ganz deutlich zu sagen – eine sehr gute Botschaft. Ein weiterer Teil der bewilligten Gelder wird dafür verwendet, um die Situation so zu erhalten, wie sie ist: Dass die Vor- und Nachbereitungszeiten für pädagogische Fachkräfte weiter finanziert werden, obwohl Gelder des Bundes wegfallen, ist gut, aber noch keine Verbesserung, sondern lediglich das Erhalten des gegenwärtigen Zustands. Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass an dieser Stelle ein weiterer Schritt gemacht wird. Immerhin gibt es jetzt einen Einstieg in eine bessere Personalausstattung. Das ist noch lange nicht das, was wir uns vorstellen. Aber insgesamt muss man das, was nach dem ersten Entwurf ausgehandelt worden ist, würdigen. Wir sind froh, dass die zuständigen Sprecher*innen der Parteien sich nicht davon abbringen ließen, wenigstens einen Teil des Koalitionsvertrages umzusetzen.

Und im Schulbereich?
Es verwundert wirklich, wie wenig das Kultusministerium für die ca. 3.000 zusätzlichen Stellen gekämpft hat, die es selber noch im Januar 2022 für dringend erforderlich gehalten hat. Wohlgemerkt: vor dem Angriff auf die Ukraine und damit bevor die Herausforderung entstand, den vielen tausend geflüchteten Kindern und Jugendlichen Bildungsangebote zu machen. Jetzt wird vom Kultusministerium medial Konfetti für 730 neue Lehrer*innenstellen in die Luft geworfen, ohne die steigende Zahl der Schüler*innen dazu ins Verhältnis zu setzen. Im Schulbereich ist der Doppel­haushalt weit davon entfernt, den Personal-Bedarf zu decken. Das hat erhebliche Wirkung auf die Arbeitsbedingungen unserer Kolleg*innen und auf die Lernbedingungen der Kinder und Jugendlichen. Das SMK hat sich darauf eingelassen, nur die Stellen auszubringen, die vermutlich besetzt werden können. Damit gibt man die Orientierung an dem, was gebraucht wird auf und kehrt zu einem Verfahren zurück, das schon vor zehn Jahren verheerend war. 

Woran liegt es?
Über Jahrzehnte war es Politik der sächsischen CDU, die geringste pro-Kopf-Verschuldung in der Bundesrepublik Deutschland zu haben. Dagegen stemmen sich die Grünen und die SPD in der Koalition tapfer. Sie sind aber nicht in der Lage, allein die rigideste Schuldenbremse der Republik aus der Verfassung zu streichen. Der Freistaat könnte im Kita-Bereich deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, um einen ­besseren Personalschlüssel zu finanzieren oder räumliche Verbesserungen (z. B. mehr Lärmschutz) zu ermöglichen. Das Gleiche gilt für den Schulbereich. Man könnte natürlich z. B. Stellen für Schulsozialarbeit an allen Schularten schaffen und nicht nur für bestimmte. Aber das macht Sachsen nicht, weil es weiterhin eines der wichtigsten Ziele ist, die Schulden, die man coronabedingt aufnehmen musste, möglichst schnell wieder abzubauen.
Wir alle bezahlen für die Sparpolitik der letzten Jahrzehnte bis heute. Dass wir solch eine katastrophale Personalsituation insbesondere im Schulbereich haben, hat damit zu tun, dass man immer gespart hat. Man hat nie perspektivisch geguckt und mehr Lehrkräfte eingestellt als man formal gebraucht hat. Diejenigen, die man bspw. 1995 nicht eingestellt hat, fehlen heute. Solch eine Sparpolitik bezahlt man später mit hohen Preisen, das kann man u. a. auch an der Verbeamtung sehen.

Wie sieht es im Bereich Hochschule und Forschung aus?
Dort gibt es einen großen Unterschied: Hier sind die Möglichkeiten, flexibel zu reagieren, gar nicht so groß, weil es langfristige Zielvereinbarungen zwischen dem Freistaat und den einzelnen Hochschulen gibt. Dadurch sind auch bestimmte personelle Parameter vorgegeben.

Der Doppelhaushalt ist nun verabschiedet und gilt für die nächsten zwei Jahre. Was passiert in der Zwischenzeit?
Man kann die im Haushalt festgeschriebenen Gegebenheiten nicht aus dem Weg räumen, aber unterschiedlich umsetzen. Unsere Aufgabe wird es sein, genau auf diese Umsetzung Einfluss zu nehmen. Die 1.000 Stellen, die im Kitabereich zusätzlich finanziert werden, müssen auch bei den Kitas ankommen, so dass die Kolleginnen und Kollegen eine spürbare Entlastung erfahren. Und wir können dafür sorgen, dass sich im Schulbereich die Bedingungen für die einzelnen Kolleginnen und Kollegen nicht weiter verschlechtern, obwohl der Haushalt vorgibt, dass sich die Lehrer-Schüler-Relation zwangsläufig verschlechtert. Dazu beizutragen, dass wenigstens die vorhandenen Stellen z. B. durch Menschen besetzt werden, die in anderen Ländern eine (Lehrer-)Ausbildung gemacht haben, ist wichtig

Aber Fakt ist: Unser Ziel muss sein, politisch gegen Einsparungen in künftigen Doppelhaushalten zu wirken. Wir brauchen Investitionen in Bildung und wenn einst die Kinderzahlen sinken, darf nicht wieder abgebaut werden. Aber bis dahin haben wir ja auch noch eine Landtagswahl, wo jede*r von uns darüber entscheiden kann, ob er eine Politik, die vorrangig auf Sparen setzt, weiterhin unterstützt – oder eben nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!