Daniels Tarif 1x1
Heute: Wer legt die Lehrkräftearbeitszeit fest?
Was Sie schon immer über die Lehrkräftearbeitszeit an Schulen wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten. Wer legt sie fest? Wo steht was? Wieso heißt es nicht Pflichtstunden? Was ist mit der weiteren Arbeitszeit? Wann sinkt endlich die Unterrichtsverpflichtung?
Ok, alles können wir in meiner Kolumne auch nicht beantworten. Aber wir versuchen gemeinsam, Licht ins Dunkel des Mysteriums der Arbeitszeit für angestellte Lehrkräfte zu bekommen.
Die Lehrkräftearbeitszeit ist im Beamtenrecht geregelt. Es gibt eine „Sächsische Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung“ und dort steht u.a. drin, wie viele Unterrichtsstunden an welcher Schulform zu leisten sind. Zum Beispiel heißt es dort: „Das Regelstundenmaß beträgt für Lehrkräfte an Grundschulen 27 Unterrichtsstunden, Oberschulen 26 Unterrichtsstunden, Gymnasien 26 Unterrichtsstunden.“ Es wird also nach Schulformen unterschieden.
In Sachsen ist man wie immer nett, denn bei uns heißt es „Regelstundenmaß“ und nicht „Pflichtstunde“ wie anderenorts. Pflichtstunde klingt ja so autoritär, ist es auch, wie wir gleich sehen werden, aber es soll bitteschön wenigstens nicht so in Sachsen benamst sein. Getreu dem unvergessenen Motto: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten“. Ups.
Und der Freistaat hat es in der Hand. Denn die Arbeitszeit wird par ordre du mufti für die verbeamteten Lehrkräfte festgelegt und dies steht schon ganz vorn in besagter Verordnung: „Auf Grund des § 40 Absatz 5 des Sächsischen Schulgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 (SächsGVBl. S. 298), der durch Artikel 1 Nummer 52 des Gesetzes vom 26. April 2017 (SächsGVBl. S. 242) geändert worden ist, verordnet das Staatsministerium für Kultus.“ Hübsch formuliert, nicht wahr?
Die GEW wird zwar angehört, wenn es zu Änderungen dieser Verordnung kommt, mehr aber auch nicht. Die Arbeitszeit für Lehrkräfte wird einseitig festgelegt: „verordnet“. Wie ein Medikament. Es findet nicht auf Augenhöhe statt, wie bei den anderen Arbeitszeitregelungen für die Tarifbeschäftigten, wo Gewerkschaften und Arbeitgeber miteinander verhandeln und sich oft erst nach Streiks einigen. Denn Streiks erhöhen die Verhandlungsbereitschaft beim Arbeitgeber, höflich formuliert. Ihr kennt mich.
„Aber ich bin doch eine angestellte also tarifbeschäftigte Lehrkraft und nicht verbeamtet!“ könnte man einwenden. Ja. Stimmt. Es gibt da halt so einen kleinen Kniff. Die Unterrichtsverpflichtung für verbeamtete Lehrkräfte gilt nämlich auch für die angestellten Lehrkräfte aufgrund einer alten Sonderregelung im Tarifvertrag. Im § 44 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) steht Folgendes zum Thema Arbeitszeit für Lehrkräfte: „Die §§ 6 bis 10 finden keine Anwendung. Es gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten in der jeweils geltenden Fassung.“
Somit gelten die „normalen“ Arbeitszeitregelungen nicht für Lehrkräfte. Das Beamtenrecht wird über diese seltsame Tarifregelung also hinsichtlich der Arbeitszeit voll zur Anwendung gebracht. Dennoch ist es indirekt wiederum eine tarifliche Arbeitszeit, denn diesen TV-L haben die Gewerkschaften ja auch unterschrieben, auf Augenhöhe mit der Arbeitgeberseite. Und für alle Connaisseure der Tarifhistorie: Es ist schon eine sehr alte Regelung, die auch im 2006 dahingeschiedenen Bundesangestelltentarifvertrag (BAT Gott hab ihn selig) zu finden war, nämlich die berühmte „SR 2 l I“. Fast der gleiche Wortlaut wie im TV-L, der im November 2006 in Kraft trat und den BAT ablöste.
Ja, was mit der umfangreichen weiteren Arbeitszeit außerhalb der Pflichtstunden, äh, sorry, des Regelstundenmaßes ist, wo wir alle ein Liedchen singen können, was dort für Arbeit noch drinsteckt, darüber schweigt man sich in Dresden vornehm aus und mag es wohl am liebsten gar nicht erfassen. Dies ist aber nochmal ein extra Thema und wer unsere schicke EuW aufmerksam in den letzten Jahren gelesen hat, konnte schon viel dazu finden.
04229 Leipzig