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Schule

GEW Sachsen kündigt Arbeitszeitstudie für Lehrkräfte in Sachsen an

Die GEW Sachsen fördert eine Studie zu Arbeitsbelastung und Arbeitszeit von Lehrkräften an öffentlichen Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien in Sachsen, die im Sommer 2022 durchgeführt wird.

Dr. Frank Mußmann bei einem Vorbereitungsworkshop für die GEW-Arbeitszeitstudie
Dr. Frank Mußmann bei einem Vorbereitungsworkshop für die GEW-Arbeitszeitstudie

Die Arbeitszeitstudie ist ein zentraler Baustein der von der GEW Sachsen gestarteten Kampagne „Zeit für mehr Zeit”. In dieser setzen wir uns dafür ein, dass die Belastungen von Lehrerinnen und Lehrern, die sich durch den Lehrkräftemangel weiter verschärfen, eingedämmt werden und die Überlastung kein Dauerzustand bleibt. Der Start der Kampagne fand mit der Arbeitszeitkonferenz am 23. Mai 2022 in Dresden statt.

Ziele der wissenschaftlichen Studie

Da die Belastungen und die immer neuen Aufgaben von Lehrkräften für Politik und Öffentlichkeit kaum sichtbar sind, werden wir nun mit der Arbeitszeitstudie eine genaue Datengrundlage schaffen: Wie hoch ist die tatsächliche Wochenarbeitszeit von Lehrkräften in Sachsen? Welchen zeitlichen Umfang haben die verschiedenen Aufgaben? Wie sind die Arbeitszeitbedingungen vor Ort, wie hoch sind die Mehrbelastungen durch Klassenleitung und welche Folgen hat die hohe Arbeitsbelastung?

Die gewonnenen Daten werden wir medial in die Öffentlichkeit tragen, denn häufig ist die tatsächliche Arbeitsbelastung von Lehrkräften nicht sichtbar und wird weitestgehend ignoriert. Das wollen wir mit der Studie ändern und die Ergebnisse mit der Politik diskutieren. Nicht zuletzt befürchten wir, dass mit dem sich verstärkenden Lehrkräftemangel Forderungen nach noch stärkeren Belastungen aufkommen. Erste Anzeichen gibt es bereits: In Baden-Württemberg hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann gerade Mehrarbeit von Teilzeitlehrkräften ins Spiel gebracht. Solchen Vorstellungen wollen wir in Sachsen klare Fakten entgegenhalten!

Unser Ziel ist, Lehrkräfte zu entlasten und eine bessere Perspektive für ihren Beruf zu geben. Die Arbeitszeitstudie ist dafür die Grundlage, weil sie erstmalig die Arbeitszeit und die verschiedenen Belastungsfaktoren speziell für Lehrkräfte in Sachsen wissenschaftlich erhebt. Zugleich liegen Vorschläge von uns bereits seit Jahren auf dem Tisch, bspw. eine Entlastungsstunde für die Klassenleitung und generelle zeitliche Entlastungen, wenn man zusätzliche Aufgaben an der Schule wahrnimmt. (Jens Risse, stellv. GEW-Landesvorsitzender auf der Arbeitszeitkonferenz am 23. Mai in Dresden)

Gibt es nicht schon ausreichend Daten?

Zwar gibt es bereits bundesweite Forschungsergebnisse zur Arbeitsbelastung und Arbeitszeit von Lehrkräften. Diese zeigen, dass Lehrkräfte in Deutschland im Durchschnitt deutlich über der Sollarbeitszeit arbeiten und damit permanent unbezahlte Überstunden ableisten (siehe E&W Sachsen Ausgabe 04/2022, S. 5). Dies führt zu einer immensen Belastung, zu Überlastungen und leider in vielen Fällen zu Langzeiterkrankungen. In den letzten Jahren wurden in anderen Bundesländern Arbeitszeitstudien an Schulen durchgeführt, doch für Sachsen liegen dazu keine aktuellen wissenschaftlichen Daten vor. Es gibt zwar einzelne Befragungen, die auch in Sachsen durchgeführt wurden, doch waren diese nicht schulartübergreifend und es fehlen ihnen die wissenschaftliche Validität sowie genaue quantitative und qualitative Aussagen. Mit der Arbeitszeitstudie werden auf Basis einer wissenschaftlich anerkannten Methodik nicht widerlegbare Fakten genau beschrieben und sichtbar gemacht.

Wer führt die Studie durch?

Die Studie wird von der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen unter Leitung von Dr. Frank Mußmann durchgeführt. Dr. Mußmann hat bereits mehrere Arbeitszeitstudien u. a. in Niedersachsen und Hessen geleitet und verfügt damit über einschlägige, fachliche Expertise (siehe www.kooperations­­stelle.uni-goettingen.de). Die GEW Sachsen fördert die Studie vollumfänglich. Die Erhebung erfolgt über einen Online-Fragebogen (ca. 35 - 45 min) ab Ende Juni 2022.

Eine Mehrheit der Lehrkräfte in Deutschland arbeitet seit Jahrzehnten oberhalb arbeitsrechtlicher Vorgaben. Die Idee, dass Lehrkräfte diese Mehrarbeit in den Ferien ausgleichen können, ist dabei nicht haltbar, denn unsere Erhebungen haben diesen Fakt bereits berücksichtigt. Mit der sächsischen Arbeitszeitstudie werden wir nun die Belastung und Arbeitszeit von Lehrkräften in Sachsen genauer unter die Lupe nehmen und dabei erstmalig einen starken Fokus auf außerunterrichtliche Zusatzaufgaben legen. (Dr. Frank Mußmann)

An welchen Schularten wird die Studie durchgeführt?

Untersucht werden öffentliche Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien in Sachsen. Aufgrund fehlender Referenzdaten bisheriger Studien und der hohen Diversität von Förderschulen und Berufsbildenden Schulen, ist die Untersuchung dieser beiden Schularten im Rahmen dieser Studie nicht möglich. Dies würde einen vielfachen Aufwand an Zeit und Finanzen voraussetzen und wäre nur in einem längeren und größeren Forschungsprojekt mit konkreter Zeiterfassung von Lehrkräften an diesen Schularten möglich. Für die politische Diskussion benötigen wir bereits in diesem Jahr Ergebnisse, da die Verhandlungen für den Sächsischen Doppelhaushalt 2023/24 laufen und bundesweit das Thema Zeiterfassung in Folge eines EuGH-Urteils vom Mai 2019 im Laufe dieses Jahres beginnen wird. Die Ergebnisse unserer Arbeitszeitstudie und die politischen Folgen müssen jedoch zwingend auch auf Förderschulen und Berufsbildende Schulen übertragen werden.

Wie kann ich an der Studie teilnehmen?

Aufgrund der wissenschaftlichen Methodik kann man als Lehrkraft nicht unmittelbar an der Studie teilnehmen. Vielmehr sucht die GEW Sachsen Multiplikator*innen, also Lehrkräfte an öffentlichen Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien, die bereit sind, den Zugang zu dem Online-Fragebogen im Kollegium der eigenen Schule (und nur der eigenen Schule) zu verteilen. Der jeweilige Zugang ist nur für diese Schule gültig, damit die Daten mehrerer Lehrkräfte derselben Schule miteinander verglichen werden können. Die Schulen werden in den Rohdaten jedoch pseudonymisiert, sodass daraus keine Rückschlüsse auf konkrete Schulen getroffen werden können. Es gibt somit keine Möglichkeit, sich Daten einer bestimmten Schule anzuschauen.

Wir benötigen möglichst viele teilnehmende Schulen und Lehrkräfte! Bei Interesse, Multiplikator*in für die Studie an der eigenen Schule zu sein, kann man sich an arbeitszeit(at)gew-sachsen(dot)de unter Angabe des eigenen Namens, der Schule und einer (privaten) Rückrufnummer melden. Alle Multiplikator*innen erhalten die Möglichkeit, sich in einer Online-Schulung (voraussichtlich 90 min) über die Studie und das Verfahren zu informieren.
 

Burkhard Naumann
Referent für Tarif- und Beamtenpolitik
arbeitszeit(at)gew-sachsen(dot)de