Mitten in den Semesterferien hat die CDU-FDP-Koalition mehrere Änderungsanträge zu ihrem eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Am 07.09. wurden mehrere Änderungsanträge im Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien eingereicht, die jeweils für sich betrachtet jedwedem rationalem Handeln widersprechen.
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Zielvereinbarungen zwischen Hochschulen und dem Wissenschaftsministerium werden vereinfacht. So kann das Wissenschaftsministerium, wenn sich Hochschule und Ministerialbürokratie nicht einigen, die Hochschulen verpflichten, entsprechende Ziele und Änderungen vorzunehmen. Sollten die Hochschulen nicht in der Lage dazu sein, weil zum Beispiel das Geld vom Freistaat Sachsen fehlt, so kann der Hochschule auch noch eine Sanktion, zum Beispiel noch weniger Geldzuweisungen, auferlegt werden.
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Sogenannte Langzeitgebühren werden eingeführt, obwohl es in Sachsen gar keine Langzeitstudierende gibt. In Sachsen gibt es bei Überschreitung der Regelstudienzeit um mehr als 4 Semester ein Nichtbestehen der Prüfung, so dass man spätestens nach 6 Semestern exmatrikuliert wird. Die Tatsache, dass viele Studierende auf Grund der unzureichenden Studienfinanzierung neben dem Studium arbeiten müssen, selbst Eltern sind, Angehörige pflegen müssen, chronisch krank oder anderweitig beeinträchtigt sind, lässt die Regierung außer Acht und führt ab dem 4. Semester über der Regelstudienzeit 500 Euro Studiengebühren ein. Das bedeutet, dass gerade die Studierenden, die ihr Studium abschließen wollen und in der Studienendphase durch viele Prüfungen und Abschlussarbeit ausgelastet sind, in den letzten beiden Semestern noch zusätzlich mit 1000 Euro belastet werden.
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Es wird eine Austrittsmöglichkeit aus der Verfassten Studierendenschaft eingeräumt. Dies hört sich zunächst nicht sehr weitreichend an, bedeutet aber, dass jemand, der unzufrieden mit der Politik der Studierendenschaft – einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – ist, aus dieser austreten kann. Man kann dies damit vergleichen, dass jede/r, die/der mit der Politik der CDU/FDP-Regierung unzufrieden ist, aus dem Freistaat austreten könnte (und dabei noch die Steuern und Abgaben, die an den Freistaat fließen, sparen kann). Begründet wird dies mit der Behauptung, dass es eine Stärkung der Freiheit der Studierenden darstelle, da man sich aktiv für eine Mitgliedschaft im Staat entscheiden müsse. Als Folge werden in Zukunft die solidarisch finanzierten Semestertickets abgeschafft werden müssen und betroffene Studierende nun noch stärker belastet werden – Zitat von Herrn Mackenroth (CDU): „mit dem Austrittsrecht geschaffene Möglichkeit des Verzichts auch auf das Semesterticket ein Wahlrecht und damit ein Stück zusätzlicher Freiheit für die Studierenden – es ist nicht einzusehen, dass und warum etwa Studierende, die in Campusnähe wohnen, weiterhin das Semesterticket derjenigen mitfinanzieren sollen, die den Campus nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können.“
Der Ausschuss stimmte am 10.09. – also nur drei Tage nach Einreichen der Anträge und ohne Konsultation der Betroffenen oder Anhörung von Experten – diesen zu und empfahl dem Landtagsplenum die Annahme der so geänderten Vorlage. Der Sächsische Landtag befaßte sich am 26.09. in der zweiten Lesung mit dem Gesetz und beschloß dieses endgültig.
Besonders bedenklich ist die Tatsache, dass CDU und FDP im Ausschuss auch auf die Stimmen der NPD zählen konnten, die schon in ihrem Wahlprogramm für den Fall ihres Wahlerfolgs eine Abschaffung der Studierendenschaften und die Einführung von Studiengebühren formuliert hatte, so dass man in diesem Fall davon sprechen kann, dass CDU und FDP genau auf Linie der NPD liegen. Außerordentlich besorgniserregend ist dies angesichts der Tatsache, dass gerade die Nationalsozialisten 1934 die Studierendenschaften erst genauso schwächten, um sie anschließend gleichzuschalten... Das in den alten Bundesländern sofort 1945 die Verfassten Studierendenschaften im Rahmen des Re-Education-Programms eingeführt worden sind, um jungen Menschen Demokratie und Prozesse in demokratischen Organisationen am praktischen Beispiel zu zeigen, hat die Regierung bzw. haben die sie tragenden Fraktionen wohl schlicht übersehen, oder haben wir in Sachsen genug Demokratie und Mitsprache? Die heutigen Studierendenvertretungen sind im Zuge der friedlichen Revolution Ende der 80er Jahre aus Räten von Studierenden entstanden, die sich für Systemveränderungen einsetzten. Dass diese nun ausgerechnet von der ach so freiheitsliebenden CDU abgeschafft werden ist blanker Hohn.
Die GEW unterstützt alle Aktivitäten, aktiv gegen dieses Gesetz vorzugehen.
Marco Unger, stellvertretender Vorsitzender der GEW Sachsen
(leicht akktualisierte Fassung eines Beitrags in „E&W Sachsen“ 10/2012)