Zum Inhalt springen

Fragen und Antworten zum Verbot der Genderzeichen (Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich) an öffentlichen Schulen

Seit den 2000er Jahren werden von vielen Menschen, Institutionen und Unternehmen zunehmend Genderzeichen verwendet. Die Gründe dafür sind verschieden. So sollen Genderzeichen in Personenbezeichnungen sicherstellen, dass Menschen aller geschlechtlichen Identitäten in der Sprache sichtbar sind und sich angesprochen fühlen. Sie werden zudem buchstäblich als Symbol eingesetzt, um Diskriminierung von trans, inter- und nonbinären Personen zu kritisieren und stereotype Rollenbilder in Frage zu stellen.

Nicht wenige Menschen verwenden Genderzeichen auch, um die Paarformen der gendergerechten Sprache zu vereinfachen (Lehrer*innen statt Lehrerinnen und Lehrer). Der Rat für deutsche Rechtschreibung stuft die Genderzeichen allerdings noch nicht als Kernbestand der deutschen Orthografie ein.

Vor den Sommerferien 2023 hat das Sächsische Ministerium für Kultus (SMK) daher bereits zum zweiten Mal in einem Erlass ausdrücklich die Verwendung von Genderzeichen an der Schule verboten. Dies hat vielerorts zu Verunsicherung geführt, da verschiedene Umsetzungsfragen nicht eindeutig geklärt wurden. Durch Anfragen im Landtag und Nachfragen beim SMK gibt es mittlerweile Antworten auf einige dieser Fragen aus der Praxis. 
Die Antworten in diesem Artikel basieren auf fachspezifischen und vertrauenswürdigen Quellen und sind sorgfältig recherchiert. Sie ersetzen aber nicht die rechtsverbindliche Information und Beratung beim Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB).

Welchen Inhalt hatte der 1. Genderzeichenerlass des SMK von 2021?

In diesem Schreiben des SMK an alle Schulleiter*innen wird zunächst auf einen einschlägigen Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2016 verwiesen: „Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung.“ Unter Bezugnahme auf Artikel 3 des Grundgesetzes hebt das SMK hervor, dass „geschlechterbezogene Benachteiligungen und Stereotypisierungen“ im schulischen Leben zu vermeiden seien, um dem Potential aller Lernenden gerecht zu werden. Es wird betont, dass im Sinne einer geschlechtergerechten Schreibweise an Schulen folgende Möglichkeiten zu Anwendung kommen sollen: Paarformen wie „Schülerinnen und Schüler“, geschlechtsneutrale Formulierungen wie „Lehrkräfte“sowie Passivformen und Umschreibungen.

Das SMK verweist im Erlass sodann darauf, dass im vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegebenen Amtlichen Regelwerk aktuell die Verwendung von Sonder- und Satzzeichen (insbesondere Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich) nicht empfohlen wird. Auf dieser Grundlage wird vom SMK angewiesen, dass „diese Zeichen [...] im Bereich der Schule und in offiziellen Schreiben von Schulen nicht zu verwenden [sind].“

Was war die Neuerung im 2. Genderzeichenerlass des SMK von 2023?

Während der erste Erlass an die Schulleitungen gerichtet war, ist dieser zweite Erlass an alle „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ im SMK und im LaSuB gerichtet. Es wird unter Nummer 1 erneut erlassen, dass in der eigenen schriftlichen Kommunikation von Schulen und Schulaufsichtsbehörden dem Amtlichen Regelwerk zu folgen sei. Gesondert wird auf die Ablehnung der Sonder- und Satzzeichen zur gendergerechten Schreibung hingewiesen. Hervorgehoben ist der Satz: „Die Schulen sind bei Bedarf auf die geltende Erlasslage hinzuweisen.“ Unter Nummer 2 wird erlassen, dass Dritte, die von SMK oder LaSuB mit der Kommunikation im Schulsystem beauftragt werden, „nach Möglichkeit“ vertraglich verpflichtet werden, das Amtliche Regelwerk und hier insbesondere den Ausschluss der Sonderzeichen für die gendergerechte Sprache beachten sollen.

Unter Nummer 3 wird angewiesen, dass SMK und LaSuB in Zuwendungsbescheiden an Dritte, denen die Kommunikation im Schulsystem ermöglicht wird, regelmäßig eine „sog. Genderklausel“ als Auflage erlassen. Ziel der Klausel sei es, dass die schulbezogenen Texte von Dritten nicht in Widerspruch zum Amtlichen Regelwerk stünden und dadurch „zur Verunsicherung der Schülerschaft“ führen würden.

Für wen gelten die Erlasse (nicht)?

Ein Erlass ist eine interne Anordnung in einer Behörde, durch die eine einheitliche Verwaltungstätigkeit sichergestellt werden soll. Als besondere Form der Verwaltungsvorschrift ist sie für Außenstehende nicht verbindlich. Der Gender-Erlass gilt daher für die an öffentlichen Schulen tätigen Lehrkräfte und sonstige Pädagog*innen im Landesdienst sowie für die Mitarbeiter*innen von SMK und LaSuB. Personen, Vereine oder Institutionen, die zwar an Schule tätig sind, aber in keinem Vertragsverhältnis mit SMK oder dem LaSuB stehen, sind nicht betroffen. Vertraglich nicht gebundene Vereine und Firmen müssen sich also genauso wenig wie Hort oder Schulsozialarbeit an das Genderzeichenverbot halten, wenn sie für Projekttage oder Informationsveranstaltungen an die Schulen kommen oder Beratung anbieten. Gewählte Gremien wie der Elternrat, Schülerrat oder Personalrat sind ebenfalls nicht an diese Weisung gebunden.

Ist das SMK der Auffassung, dass Schüler*innen in Leistungskontrollen Punkteabzug erhalten sollen, wenn Sie Sonder- oder Satzzeichen zum Gendern verwenden?

Der GEW liegen Aussagen des SMK vor, dass Lehrkräfte diese Verwendung zwar als Fehler markieren sollen, aber nicht als Fehler werten. Gegenüber der Zeitung taz (27.12.2023) hat das SMK ebenfalls diese Aussage getroffen.

Ergibt sich aus den beiden Gender-Erlassen ein Verbot des sogenannten Gender-Gaps (kurze Pause zwischen Wortstamm und Suffix „in“, gesprochen wie die Pause bei „Spiegelei“ zwischen Spiegel und Ei) in der gesprochenen Sprache?

Nein. In beiden Erlassen ist ausdrücklich nur von „Schriftstücken“ und „offiziellen Schreiben“ die Rede. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Erlass ausschließlich auf die Regelungen zur Rechtschreibung bezieht.

Könnte es dem Neutralitätsgebot oder dem Beutelsbacher Konsens widersprechen, wenn Lehrkräfte den Gender-Gap in der gesprochenen Sprache verwenden?

Nein. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Berlin (24.03.2023 - VG 3 L 24/23) ist aus der Verwendung einer inklusiven genderneutralen Sprache durch Lehrer*innen eine politische Meinungsäußerung nicht zwingend abzuleiten, da diese Verwendung auch lediglich dem Umstand geschuldet sein kann, dass die Lehrkraft alle Lernen­den angemessen adressieren möchte. Und auch wenn die Verwendung einer genderneutralen Sprache eine politische Meinungsäußerung wäre, sieht das VG Berlin keine Überschreitung des Neutralitätsgebots, da die genderneutrale Sprache im öffentlichen Sprachgebrauch bereits so verbreitet sei, dass andernfalls auch die Nichtverwendung dieser als eine politische Meinungsäußerung und ggf. Überschreitung des Neutralitätsgebotes gelten müsse.

Ergibt sich aus den Gender-Erlassen, dass Lehrkräfte im Unterricht keine Texterzeugnisse von Dritten (Lehrbücher, journalistische Texte etc.) mehr verwenden dürfen, in den eine inklusive genderneutrale Sprache unter Verwendung von Sonder- oder Satzzeichen vorkommt?

Nein. Nach Aussage des SMK liegt es in der pädagogischen Verantwortung der Lehrkräfte, welches Unterrichtsmaterial zum Einsatz kommt (Landtags-Drs. Nr. 7/7599). Richtlinie hierfür ist der Erziehungs- und Bildungsauftrag gemäß dem § 1 Sächsisches Schulgesetz. In Absatz 5 heißt es hier: „Die Schüler sollen insbesondere lernen: [...] – allen Menschen vorurteilsfrei zu begegnen, unabhängig von ihrer ethnischen und kulturellen Herkunft, äußeren Erscheinung, ihren religiösen und weltanschaulichen Ansichten und ihrer sexuellen Orientierung sowie für ein diskriminierungsfreies Miteinander einzutreten.“ Und in Absatz­ 6 heißt es zudem: „Die Schule ermutigt die Schüler, sich mit Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, mit Politik, Wirtschaft, Umwelt und Kultur auseinanderzusetzen, befähigt sie zu zukunftsfähigem Denken und weckt ihre Bereitschaft zu sozialem und nachhaltigem Handeln.“ Auch der Gender-Erlass von 2021 betont, dass es Aufgabe der Schule sei, für die Thematik einer geschlechtergerechten Kommunikation ohne Benachteiligungen und Stereotypisierungen zu sensibilisieren.

Wie geht das SMK bei der Kontrolle des Genderzeichenverbotes vor?

Die Umsetzung der Erlasse durch vertraglich gebundene Externe wird von SMK und LaSuB kontrolliert, die über etwaige Schadensersatzansprüche, Vertragsstrafen oder die Rückforderung entscheiden. Die Kontrolle der Umsetzung durch Schüler*innen und Lehrkräfte soll nach Aussage des SMK dagegen in der Eigenverantwortung der Schulen liegen (Landtags-Drs. Nr. 7/7599). Gegenüber der taz wurde seitens des SMK lediglich geäußert, dass Lehrkräfte „von der Schulleitung dazu angewiesen würden, entsprechend des Erlasses zu handeln“. Tatsächlich sind der GEW bisher keine ausdrücklichen Abmahnungen oder Disziplinarverfahren gegen Lehrkräfte wegen der Missachtung der Verbote bekannt. In einem von der GEW vertretenen Fall aufgrund der Weigerung das ein Verbot zu beachten, sollte einer Person eine spezielle Aufgabe entzogen werden. Hier wurde eine Lösung gefunden. Die Landesrechtsschutzstelle empfiehlt GEW-Mitgliedern Rechtsschutz zu beantragen, falls sie wegen Missachtung des Genderzeichenverbotes arbeits- oder dienstrechtlich sanktioniert oder in sonstiger Weise benachteiligt werden.

Lese-Empfehlungen zum Thema:
https://www.gew.de/geschlechterbewusste-sprache
https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de – Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter. Ein Leitfaden für die Schule. 
https://www.rewi.hu-berlin.de/de/lf/ls/lbk/gutachten-genderstar-amtssprache_ergebnisse_lembke2021.pdf

Juri Haas
Leiter der Landesrechtsschutzstelle der GEW Sachsen
 rechtsschutz(at)gew-sachsen(dot)de

Als Landesrechtsschutzstelle der GEW beraten wir Mitglieder gern in Bezug auf das „Genderzeichenverbot“. 
Bei rechtlichen Fristsachen wende Dich bitte direkt an das Geschäftsteam der Landesrechtsschutzstelle unter 
0341-4947324 (9:00 bis 15:00 Uhr) oder rechtsschutz@gew-sachsen.de
In allen anderen Fällen wende Dich bitte an das für Dich zuständige regionale Rechtsschutzzentrum: 
www.gew-sachsen.de/rechtsschutz


Quellen:
KMK 2016: Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6.10.2026)
SMK 2021: Geschlechtergerechte Sprache und Schreibung (Anlage 4 zum SL-Schreiben vom 25. August 2021)
Sächsischer Landtag 2021: Geschlechtergerechte Sprache an Schulen (Kleine Anfrage und Antwort, Drucksache Nr. 7/7599)
VG Berlin 2023: Beschluss vom 24.03.2023 - VG 3 l24/23 (schulaufsichtsrechtliches Einschreiten, genderneutrale Sprache, Lehrmaterialien, Schreib- und Sprechweise, Gesetzesvorbehalt, Entscheidungsspielraum, Amtssprache, Organisationsrecht, ...)
SMK 2023: Geschlechtergerechte Sprache und Schreibung im Verwaltungsbereich und in den Schulen (An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im SMK und LaSuB - Schreiben vom 06.07.2023)
Wiemann, Rieke: Genderverbot an Schulen: Kampf für Gerechtschreibung. Sachsen und Sachsen-Anhalt untersagen geschlechtergerechte Sprache an Schulen. Doch einige Lehrer:innen widersetzen sich, in: taz 27.12.2023. (https://taz.de/Genderverbot-an-Schulen/!5972029/)