Unsere Wahl: Bessere Bildung!
Forderungen der GEW Sachsen zur Landtagswahl
Bildung an erster Stelle! Zur Landtagswahl am 1. September hat die GEW Sachsen Forderungen für die nächste Landesregierung beschlossen und geht mit diesen in die Diskussion mit den demokratischen Parteien.
Im Zuge der anstehenden Landtagswahl am 1. September 2024 steht der Freistaat Sachsen vor einer entscheidenden Weichenstellung für die Zukunft des Bildungswesens im Freistaat. Angesichts einer Gesellschaft, die immer vielfältiger wird und in der diese Vielfalt als Bereicherung für eine offene, demokratische und pluralistische Gesellschaft verstanden werden sollte, sehen wir uns gegenwärtig mit zunehmenden Herausforderungen konfrontiert. Die Spaltung unserer Gesellschaft vertieft sich, soziale und globale Herausforderungen nehmen zu und das Vertrauen in staatliches Handeln schwindet. Bildungseinrichtungen sind davon als Lern- und Lebensort für die nächsten Generationen und als Katalysator für die zivilisatorische Entwicklung im besonderen Maße betroffen. Ihr Auftrag, die Grundlage für soziale Teilhabe, Frieden, Demokratie und Fortschritt zu schaffen, ist stark gefährdet. Der Mangel an Personal, Zeit und finanzieller Untersetzung blockiert pädagogische Entwicklungsarbeit, individuelle Förderung und Teamarbeit in den Bildungseinrichtungen. In der Politik wiederum gibt es keinen Konsens darüber, auf die gravierenden Krisen unserer Zeit mit mutigen und vorausschauenden Entscheidungen zu reagieren. All diese Entwicklungen gefährden nicht nur den sozialen Zusammenhalt und die soziale Teilhabe, sondern bieten auch den Nährboden für diejenigen, die unsere Demokratie untergraben wollen.
Es ist an der Zeit, Bildung an die erste Stelle der Landespolitik zu setzen und damit die Grundlage einer starken, demokratischen und solidarischen Gesellschaft zu sichern.
Vor diesem Hintergrund fordert die GEW Sachsen eine entschlossene Antwort der Landespolitik: Bildungsgerechtigkeit muss ins Zentrum der politischen Agenda rücken. Dies bedeutet, dass Bildung als oberste Priorität behandelt werden muss – von der frühkindlichen Bildung über die Schul- und Hochschulbildung bis hin zur beruflichen und Erwachsenenbildung. Um die dafür notwendigen personellen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen sowie die Innovation für die Digitalisierung, für pädagogische Entwicklungsarbeit und für Unterstützungssysteme anzuschieben, ist ein neues Bildungspaket mit zusätzlichen Haushaltsmitteln notwendig. Darin können bereits vorhandene Maßnahmen ausgebaut, evaluiert und verstetigt sowie neue Maßnahmen entwickelt werden. Als Bildungsgewerkschaft sind wir konstruktive Partnerin in diesem Prozess.
Die GEW Sachsen setzt sich für die Einführung eines Sozialindex’ ein, der zusätzliche Ressourcen gezielt dorthin lenkt, wo sie am meisten benötigt werden, um soziale Disparitäten beim Bildungserfolg effektiv zu bekämpfen. Darüber hinaus ist die Förderung der politischen Bildung von zentraler Bedeutung, um junge Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen, die in der Lage sind, demokratische Werte zu leben und sich gegen antidemokratische Tendenzen stark zu machen.
Ein weiterer zentraler Punkt unserer Forderungen ist die Stärkung der Mitbestimmung der Beschäftigten im Bildungsbereich. Pädagogische Fachkräfte, Lehrer*innen, Hochschulbeschäftigte sowie alle weiteren im Bildungsbereich Tätigen müssen die Möglichkeit haben, aktiv an der Gestaltung und Weiterentwicklung des Bildungssystems mitzuwirken. Nur so kann eine Bildungspolitik geschaffen werden, die den realen Bedürfnissen und Herausforderungen gerecht wird und die Professionalität und das Engagement der Beschäftigten wertschätzt.
Die GEW Sachsen ruft daher alle politischen Kräfte auf, sich diesen Herausforderungen zu stellen und gemeinsam für ein gerechtes, inklusives und zukunftsfähiges Bildungssystem in Sachsen zu arbeiten. Die Landtagswahl 2024 bietet eine einmalige Gelegenheit, die Weichen für eine positive Entwicklung zu stellen. Es ist an der Zeit, Bildung an die erste Stelle der Landespolitik zu setzen und damit die Grundlage einer starken, demokratischen und solidarischen Gesellschaft zu sichern.
Um das zu erreichen, stellt die GEW Sachsen folgende Anforderungen an die nächste Landesregierung:
Personalvertretungsgesetz grundlegend reformieren
- Stärkung der Mitbestimmung von Personalräten durch Streichung zahlreicher Ausnahmeregelungen
- Ausbau der Mitbestimmung durch Personalräte für studentische Beschäftigte und für Referendar*innen im Lehramt
- Kompensationspflicht von Stellenanteilen an Hochschulen, die durch Personalratsfreistellungen für die jeweilige Struktureinheit bzw. das jeweilige Projekt wegfallen
- Erhöhung der Freistellung von Lehrerpersonalräten an Schulen von 0,5 auf 1,0 Unterrichtsstunden je Woche für zehn Beschäftigte im Zuge der Stärkung der eigenverantwortlichen Schule
Anhörungsverfahren transparenter gestalten
- Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung von Synopsen mit einer Gegenüberstellung der aktuellen Rechtslage und Hervorhebung der zu behandelnden Änderungen in Anhörungsverfahren für Gesetze und Verordnungen der Landesregierung sowie des Landtages
Arbeitszeit modernisieren
- flächendeckende Erfassung der Arbeitszeit im Landesdienst
- schrittweise Reduktion der Wochenarbeitszeit, zunächst im Landesdienst auf 39 Stunden analog zu Bund und Kommunen
- Ausweitung und Evaluierung neuer Arbeitszeitmodelle in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften des öffentliches Dienstes
- gleichberechtigte Möglichkeit von Sabbaticals für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst
Personalabbau verhindern
- Ausbau der Reserve im Personalschlüssel auf 10 %
- Investition sinkender Kinderzahlen in Qualität verbindlich regeln
Personalausstattung verbessern
- Einführung eines rechtsverbindlichen (maximalen) Betreuungsschlüssels
- Ausbau der Vor- und Nachbereitungszeit
- Herausrechnung der Tätigkeiten der Praxisanleitung aus dem Personalschlüssel
- Entlastung der Leitungskräfte
Praxisintegrierten Ausbildung (PiA) gesetzlich verankern
- Zahlung einer Vergütung während der Praxisphasen in der vollschulischen Ausbildung
- Gewinnung und Bindung von Lehrenden für die Ausbildung
Fachkräftegewinnung ausbauen
- bessere Anerkennung von im Ausland erworbenen und berufsfeldnahen Abschlüssen
- Empfehlung an die Träger zum Einsatz multiprofessioneller Teams in Kitas
Ganztag als Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit nutzen
- Vorbereitung und Umsetzung des gesetzlichen Betreuungsanspruchs im Ganztag unter Einbezug der Gewerkschaften und der kommunalen Spitzenverbände
- konzeptionelle, personelle und finanzielle Unterstützung der Verzahnung zwischen Schule und Hort
- Ausbau gezielter Unterstützungsangebote auf Basis des Sächsischen Bildungsplans
Kitasozialarbeit ausbauen
- Ausbau der Kita-Sozialarbeit auf gesetzlicher Basis
- Schulsozialarbeit an allen Schulen ausbauen
- volle Landesfinanzierung des Schlüssels von einer Vollzeitstelle pro 300 Schüler*innen bis 2030
- gesetzliche Verpflichtung der Schulsozialarbeit an allen Schulen
- zusätzliche Mittel für Schulsozialarbeit an Schulen mit besonderen Herausforderungen (Sozialindex)
Planungssicherheit schaffen
- Ausgleich unplanmäßiger Mehrkosten der Kommunen durch Landesmittel
Lehrkräfte und Schulleitungen entlasten
- Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften und Schulleitungen
- Entlastung durch zusätzliches Personal an allen Schulen für pädagogische Teamarbeit, Einzelangebote und die Übernahme von Verwaltungsaufgaben
- Erhalt von Altersermäßigungen und schulbezogenen sowie personenbezogen Anrechnungsstunden
- Einführung der Klassenleiterstunde, die schon seit Jahren versprochen wird
- Verminderung von Klassen- und Gruppengrößen
Multiprofessionelle Teams (MPT) an allen Schulen einführen
- Weiterentwicklung der Schulassistenz zum Programm Multiprofessionelle Teams und Verstetigung mit eigenen Haushaltsstellen
- Aufgabendefinition und adäquate Eingruppierung für pädagogische und therapeutische Fachkräfte, Verwaltungsfachkräfte und IT-Fachkräfte sowie nicht einschlägig qualifizierte Assistenzkräfte
- Schaffung mindestens einer MPT-Vollzeitstelle je Schule, über deren Schwerpunkt die Schule eigenständig entscheiden kann sowie zusätzlicher MPT-Stellen für Schulen mit besonderen Herausforderungen (Sozialindex)
Personalentwicklung langfristig planen
- Entwicklung und rechtsverbindliche Umsetzung eines tragfähigen Personalentwicklungskonzeptes für Schulen
Schule von morgen aktiv gestalten
- Entschlackung der Lehrpläne für stärkeren Fokus auf Kompetenzentwicklung der Schüler*innen: Kreativität, Kommunikation, Teamfähigkeit, Selbstwirksamkeit, Verantwortungsbereitschaft
- Ausbau und Stärkung der inklusiven Beschulung und des längeren gemeinsamen Lernens an Gemeinschaftsschulen
Lehrer*innenbildung reformieren
- Festsetzung der Rahmenbedingungen und Zielvorgaben für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften in einem Lehrkräftebildungsgesetz
- Wechsel von einer schulartspezifischen Ausbildung zur Schulstufenausbildung mit gemeinsamem Lehramt für die Sekundarstufen I und II
- Stärkung der Zentren für Lehrer*innenbildung an den Universitäten und eine phasenübergreifende institutionelle und personelle Verzahnung von Studium, Referendariat und Beruf
- Referendariat auf Augenhöhe mit systematischer Kooperation und Selbstregulation statt Fremdbewertung sowie Weiterentwicklung des Mentor*innensystems mit höheren Anrechnungsstunden
- Schaffung einer mindestens dreijährigen, verbindlichen Berufseinstiegsphase mit langsam ansteigendem Regelstundenmaß und unterstützender Begleitung
Grundfinanzierung ausbauen und sichern
- bessere Ausstattung von Hochschulen und Universitäten
- deutliche stärkere Unterstützung der Studierendenwerke durch höheren Bedarf an Beratungen und Wohnraum
- Abschaffung sämtlicher Studiengebühren
Attraktivität für Beschäftigte erhöhen
- Schaffung verlässlicher und planbarer Karrierewege statt des bisher vorherrschendem „laissez faire“
- verbindliche Planung von Promotions- und Qualifikationsstellen
- Tarifvertrag für alle Beschäftigten an Hochschulen, Universitäten und universitären Forschungseinrichtungen durch Eindämmung der Umgehung tarifvertraglicher Regelungen und Abschluss eines Tarifvertrages für studentische Beschäftigte
Akademische Selbstverwaltung modernisieren
- Einführung der Viertelparität aus Hochschullehrer*innen, Studierenden, akademischen Mitarbeiter*innen sowie Mitarbeiter*innen in Verwaltung und Technik in allen Hochschulgremien
- Ablösung der Lehrstühle durch eine Departmentstruktur
Fünf Tage Bildungszeit einführen
- volle Übernahme des Volksantrags als gesetzliche Grundlage für ein Recht auf bezahlte Bildungsfreistellung zur individuellen Fort- und Weiterbildung bzw. zur ehrenamtlichen Qualifikation
- landesweite Vorgabe zur Umsetzung an Bildungseinrichtungen in ganz Sachsen, damit Vertretung bzw. Ausfall nicht individuell verantwortet wird, sondern bei der Personalplanung von vornherein verbindlich einberechnet wird
04229 Leipzig