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Frauen*kampftag

Vom Frauentag zum Muttertag zum Kauftag oder doch zum Streiktag?

Der 8. März gilt seit reichlich 100 Jahren als Internationaler Frauentag. Doch wie sieht es heute mit diesem Kampftag und der Gleichberechtigung von Frauen aus? Alexandra Hanke, AG Gleichstellung, und Mine Hänel, Junge GEW, zu Historie und aktuellem Umgang.

Vom Frauentag zum Muttertag zum Kauftag? 

von Alexandra Hanke, AG Gleichstellung in der GEW Sachsen

1911 fand unter der Initiative von Clara Zetkin und Käte Duncker der erste Frauentag in Deutschland statt. Die zentrale Forderung war das Frauenwahlrecht, welches 1919 dann durchgesetzt werden konnte. Eine weitere war die generelle Gleichberechtigung von Frau und Mann: Im westlichen Teil Deutschlands durften Frauen bis 1962 kein eigenes Konto haben, bis 1969 benötigte die Frau die Zustimmung ihres Mannes, um eine Arbeit ausüben zu dürfen, seit 1997 erst ist Gewalt in der Ehe eine Straftat. Auch das umstrittene Thema Abtreibung wird immer wieder neu diskutiert.

In der DDR sah dies etwas anders aus. Frauen waren berufstätig und Unterstützungssysteme wie ganztägige Kindergärten waren vorhanden, aber Frauen blieben in der Doppelbelastung, denn an dem traditionellen Frauenbild veränderte sich nur wenig. In beiden Teilen Deutschlands fanden sich trotz der unterschiedlichen Voraussetzungen nur wenige Frauen in Führungspositionen.

Auch der Internationale Frauentag wurde unterschiedlich praktiziert. Im Westen Deutschlands geriet dieser nach 1945 zunächst in Vergessenheit; an seine Stelle trat der Muttertag (diese einseitige Wahrnehmung der Frau als Mutter resultierte unter anderem aus dem Nationalsozialismus!). Erst die Zweite Frauenbewegung hauchte dem Frauentag wieder Leben ein, indem sie diesen zur Durchsetzung von politischen Zielen nutzte. In der DDR sah dies anders aus.

„Man sollte den Frauen und Müttern eine kleine Freude bereiten, früher Betriebsschluss oder kleine Geschenke, Beförderungen, Losungen in den Betrieben anbringen, Betriebsräte sollen feierliche Erklärungen abgeben […], überhaupt soll diese ganze Ehrung der Frauen in den Betrieben von den Männern ausgehen.“ Elli Schmidt, Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands in der DDR

Diese Formulierungen sprechen allerdings auch nicht für eine wirkliche Gleichberechtigung, denn hätte es die tatsächlich gegeben, dann wäre dieser Tag obsolet gewesen.

Mehr als hundert Jahre nach dem ersten Frauentag in Deutschland kann man sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Tages stellen. Noch immer lässt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu wünschen übrig und zwar geht diese nach wie vor auf Kosten der Frauen. Care-Arbeit ist auch heute noch Frauensache und wird kaum wahr- bzw. als selbstverständlich hingenommen. Auch mit gleicher Bezahlung hapert es; in nicht tarifgebundenen Betrieben werden Frauen noch immer schlechter bezahlt – bei gleicher Arbeit erhalten sie 21% weniger Lohn als Männer, dies entspricht 77 Tagen Arbeit ohne Entgelt! Noch immer finden sich nur wenige Frauen in Leitungspositionen, was auch nicht verwunderlich ist, wenn sie die Care-Arbeit zusätzlich leisten müssen.)

Frauen verdienen nicht nur weniger, sie müssen auch für bestimmte Produkte mehr bezahlen, sogenanntes Gender Pricing. Dies gilt zum Beispiel für Menstruationsprodukte, auf diese wurde bis letztes Jahr eine Luxussteuer erhoben – mit der Begründung: Kondome kaufe jeder (!), während Tampons und Co. nur eine bestimmte Konsument*innengruppe benötige – ohne Worte. Immerhin: Seit diesem Jahr werden eben jene Artikel nur mäßig besteuert. In manchen Ländern wie Kenia, Indien, Kanada und Australien ist Gender Pricing abgeschafft – dafür lohnt es sich auch schon auf die Straße zu gehen!

Der Frauentag am 8. März – noch zeitgemäß? Auf traurige Art ja. Und der Kapitalismus macht auch davor nicht Halt: Frauen werden an diesem Tag besonders als Konsumentinnen in den Blick genommen und angesprochen durch besondere Rabatte und Sonderangebote. Statt ein Kampftag zu sein, wird er zum Kauftag.  

Doch es liegt an uns, diesem Tag wieder einen zeitgemäßen Sinn zu verleihen und für Gleichberechtigung aller Geschlechter zu einzutreten, Forderungen für verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen aufzustellen. Jedoch gilt dies nicht nur für diesen einen Tag, denn eine Flasche Sekt ist schnell leer getrunken. Diese Forderungen sollte jede von uns jeden Tag in die Tat umsetzen, das heißt zum Beispiel bei Vorgesetzten die eigenen Rechte einzufordern; den Mut zu haben, sich für eine Leitungsposition zu bewerben, Verantwortung zu übernehmen und sich politisch zu engagieren.

Das Ziel sollte sein, dass ein solcher Tag kein expliziter Feiertag mehr sein muss.

Auch in Leipzig und anderen sächsischen Städten wird es zum diesjährigen Internationalen Frauentag viele Veranstaltungen und Demonstrationen geben. Es ist unser Thema und unser Anliegen, deshalb – raus auf die Straßen, in die Öffentlichkeit und sich Gehör verschaffen auf vielfältige Art und Weise.


 

Feministisch Streiken – damals und heute

von Mine Hänel, AG Junge GEW in der GEW Sachsen, und Leonie Schlender, Feministisches Streikbündnis Leipzig

Gewerkschaften und der Kampf um Gleichberechtigung verbindet eine lange Geschichte. 1903 streikten Textilarbeiterinnen im sächsischen Crimmitschau für die Reduzierung der Arbeitszeit auf zehn Stunden. »Sie sind schlimmer wie die Männer«, so ein Fabrikant über die Frauen, von denen wir heute noch lernen können.

Die Geschichte des modernen Frauenstreiks begann mit dem Aufstand isländischer Frauen und Queers im Jahr 1975: 90% legten ihre Arbeit nieder, um lautstark gleichen Lohn und geteilte Sorgearbeit einzufordern. Die internationale Bewegung nahm neue Fahrt auf, als 2018 in Spanien und Argentinien Millionen auf die Straße gingen um für körperliche Selbstbestimmung und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu kämpfen. Die Spanierinnen wurden von Gewerkschaften unterstützt, die zu zweistündiger Arbeitsniederlegung aufriefen. 2019 erlangt der Frauenstreik internationale Reichweite: in über 60 Ländern gingen Millionen Frauen und Queers auf die Straße, auch in Sachsen.

Der 8. März fällt in diesem Jahr auf einen Sonntag. Nur ein scheinbar freier Tag, denn gearbeitet wird dennoch: Bezahlte wie unbezahlte Haus-, und Sorgearbeit, die mehrheitlich von Frauen und Queers gestemmt wird, ist unverzichtbar. Wir wissen:

Wenn wir streiken, steht die Welt still!“

UNSER PROTEST HAT VIELE GESICHTER:

Die Junge GEW und die FEM*Streikbündnisse rufen auf, in der ersten Märzwoche LILA zu tragen. Redet in Euren Einrichtungen und Betrieben über Gleichberechtigung mit Kolleg*innen und jungen Menschen. Macht mit euren Kolleginnen eine kämpferische Mittagspause oder gemeinsam nur Dienst nach Vorschrift. Sprecht mutig darüber, was Eurem selbstbestimmten Leben im Weg steht! Solidarisiert Euch miteinander! Kommt zur Demo! Oder legt einfach mal die Füße hoch. Die Aktionsformen können so vielfältig sein, wie wir es sind!

 

FEM*STREIKBÜNDNIS

Das feministische Streikbündnis ist ein bundesweit und international vernetzter Zusammenschluss von Einzelpersonen, Gruppen, Vereinen und Gewerkschaften, die eine Sache verbindet:  Der Kampf um Gleichberechtigung. Als feministische Bewegung solidarisieren wir uns mit den Kämpfen gegen Rassismus, Klassismus und ökologische Ausbeutung. Gemeinsam erkämpfen wir eine nachhaltige Welt gleichberechtigter Chancen!

 

POLITISCHER STREIK

Politische Streiks gelten in Deutschland als illegitim, aber nicht verfassungswidrig. Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen eines Streiks sind hingegen genau definiert, so darf eine Gewerkschaft erst nach gescheiterten Tarifverhandlungen und einer Urabstimmung zum Streik aufrufen.Das feministische Streikbündnis kann unter anderem aufgrund seiner Verfasstheit als Bündnis nicht zum klassischen Streik aufrufen. Aber es gibt viele kreative Ideen, wie Ihr dennoch Euren Protest zeigen könnt. Demonstrieren (außerhalb der Erwerbsarbeitszeit) ist natürlich erlaubt – und das werden wir, laut, bunt und kämpferisch!

 

AKTIONEN UND DEMONSTRATIONEN IN LEIPZIG, DRESDEN UND CHEMNITZ

Leipzig:           www.feministischerstreikleipzig.wordpress.com, www.facebook.com/femstreikle
14 Uhr Treffen, 15 Uhr Start Demo, Kurt-Eisner/Karl-Liebknechtstr. (feministisches Streikbündnis Leipzig)

Dresden:        www.f-streikdresden.de, www.facebook.com/frauenstreikdresden
11 Uhr Streikfrühstück im Hof der HfBK (F*Streik Netzwerk Dresden)
12 bis 16 Uhr Kundgebung auf dem Altmarkt in Dresden (DGB Sachsen): „Frauenkampftag –WIR fairändern, fairsorgen, fairgüten, fairteilen“ – mit Musik, PoetrySlam und vielen, vielen Informationen rund um das Thema Frauen und Gleichstellung: sachsen.dgb.de 

Chemnitz:      www.facebook.com/femstreikchemnitz, www.instagram.com/fem_streikchemnitz

Halle/Saale:   
18 Uhr Marktplatz: Demo für Alle, 20 Uhr Treffen, 20:30 Uhr Start, Steintor: "take back the night" Tanz-Demo nur für Frauen und Queers

Einige GEW-Kreisverbände organisieren auch Feiern um den 8. März:

  •  Kreis Zwickau: Wir bitten Ihre Teilnahme aus organisatorischen Gründen bis zum 17.03.2020 anzumelden unter: Tel.: 03764 76294 oder E-Mail: troeger-b(at)t-online(dot)de

Glauchau:
24. März 2020, 16:30 – ca. 18:00 Uhr, Begegnungsstätte der Volkssolidarität, Angerstraße 15

Limbach-Oberfrohna:
26. März 2020, 16:30 – ca. 18:00 Uhr, Parkschänke, Tierparkstraße 2

Crimmitschau: 24. März 2020, 15:30 – ca. 17:00 Uhr. Haus der Sozialen Dienste, Zwickauer Straße 51

Zwickau: 24. März 2020, 16:30 – ca. 18:00 Uhr, Markt Café & Restaurant, Markt 1

  • Kreis Erzgebirge: Um die Organisation besser planen zu können, bitte ich um Rückmeldung bis spätestens Sonntag, 22. März 2020 bei Karin Zahn, Tel. 037342 7696 (Anrufbeantworter ist geschaltet)!

Mittwoch, 25. März 2020, 15:30 Uhr, Gaststätte zum „Frohnauer Hammer“

  • Kreis Aue-SchwarzenbergRückmeldungen bitte bis 10. März 2020 an Heidrun Arz unter Tel. 03772 3831452 (Anrufbeantworter ist geschaltet).

18. März 2020, um 15:00 Uhr in der Volkssolidarität Schwarzenberg (Käthe-Kollwitz-Straße 8)


2. April 2020Frauen und Gute Arbeit in Sachsen, Betriebs- und Personalrätinnenkonferenz des DGB Sachsen, Volkshaus Dresden: https://sachsen.dgb.de/themen_1/++co++519893ec-4299-11ea-9156-52540088cada

 

Kontakt
Mine Hänel
Bundessprecherin Junge GEW
Adresse Nonnenstraße 58
04229 Leipzig
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Alex Hanke
Leiter*in der AG Gleichstellung
Adresse
(Lehrer*in am Sportgymnasium Leipzig)
Adresse Nonnenstr. 58
04229 Leipzig