Zum Inhalt springen

Schule

Eine Frage der Einstellung

Zweimal im Schuljahr findet ein Verfahren zur Einstellung in den Schuldienst des Freistaates Sachsen statt. Dazu wird in der Vorbereitung vom SMK ein Einstellungserlass mit dem Lehrer-Hauptpersonalrat verhandelt. Dieser Erlass regelt die Bedingungen für das Verfahren von der Bewerbung bis zur Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages oder der Berufung ins Beamtenverhältnis. Der sächsische Landtag hat die verfassungsmäßige Aufgabe, die notwendigen Stellen im Haushalt des Freistaates einzuplanen und abzusichern.

Theoretisches Verfahren

Eigentlich ist das ganz einfach: Zuerst stellt man fest, welches Lehrerarbeitsvermögen im System vorhanden ist. Man weiß jetzt also, welche Ressourcen, gegliedert nach Schularten und Fächern, zur Verfügung stehen.

Dann schaut man sich die Schüler*innen, verteilt auf Schularten und Klassenstufe, an und vergisst dabei die Schüler*innen der neuen 1. Klassen nicht. Und auch der Wechsel an die weiterführenden Schulen muss abgebildet werden. Problematisch, aber lösbar, ist das an den Berufsbildenden Schulen, weil das Lehrjahr nicht so berechenbar anfängt, wie das Schuljahr.

Basierend auf der Zusammensetzung der Schülerschaft regeln gesetzliche Grundlagen (VWV Bedarf und Schuljahresablauf, Klassenbildungsverordnung, VWV Stundentafel, Schulintegrationsverordnung …) die Berechnung des theoretisch benötigten Lehrerbedarfs zur Abdeckung des Grund- und des Ergänzungsbereiches.

Tatsächliches Verfahren

Die Praxis sieht allerdings anders aus. Dafür gibt es mehrere Gründe. Hauptgrund ist der Mangel an geeigneten Bewerbern für alle Schularten seit vielen Jahren. Dieser Mangel hat dazu geführt, dass eine bedarfsgerechte Personalausstattung der Schulen durch den Staat praktisch aufgegeben wurde, und das mit allen Konsequenzen für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Das halbjährliche Einstellungskontingent ist eben nicht die Differenz aus Bedarf und zur Verfügung stehendem Arbeitsvermögen. Es bemisst sich an den Absolventenzahlen der sächsischen Universitäten und der Hoffnung, wie viele davon sich in Sachsen bewerben.

Und selbst diese gekürzten Kontingente werden nicht vollständig besetzt. Dadurch entsteht wachsender Mangel im ganzen System, besonders verschärft in den ländlichen Regionen und an den Schularten Oberschule und Förderschule. Nach unseren Berechnungen müssten für eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Personal sofort 3.000 Lehrkräfte eingestellt werden. Dann wären die Grundbereiche und Ergänzungsbereiche an allen Schulen abdeckbar.

Zum Stichtag im Herbst war der Grundbereich an keiner Schulart vollständig abgedeckt (Ergebnis u. a. planmäßige Kürzungen in Stundenplänen). An den Förderschulen in den Standorten Dresden und Bautzen lag die Abdeckung des Grundbereiches unter 90 Prozent! Vom stark gekürzten Ergänzungsbereich bleibt in der Praxis nichts übrig, weil eine Reserve für Erkrankung von Lehrkräften nicht geplant ist. Die Quote kranker Lehrkräfte liegt etwa bei 6 %, an den Förderschulen sogar bei 9 %. Die Wirkung im System ist offensichtlich. Von personellen Ressourcen für Integration und Inklusion, für die Diagnostik sonderpädagogischen Förderbedarfs und eine vollständige Ausreichung von DAZ-Unterricht ist aktuell nicht wirklich die Rede.

Verschärft wird die Situation durch steigende Schülerzahlen im Land. Allein dieses Schuljahr sind es 3.363 Schüler*innen mehr an den Schulen in Sachsen, allein dafür bräuchte man etwa 200 zusätzliche Lehrkräfte. Der Trend der steigenden Schülerzahlen wird, sehr unterschiedlich in den Regionen des Freistaates, noch Jahre anhalten. Allein bis 2025 werden laut Prognose des statistischen Landesamtes zusätzlich 13.800 Schüler*innen an unseren Schulen sein.

Logische Folge wäre der entsprechende Stellenaufwuchs für Lehrkräfte. Die Möglichkeiten der Einstellungen hängen davon ab, wie viele Stellen und wie viele zusätzliche Stellen vom Landtag mit dem Haushalt beschlossen werden.

Problem schulscharfe Ausschreibung

Ein besonderer Effekt entsteht durch das Verfahren der schulscharfen Stellenausschreibungen. Für die Oberschulen wird nur ein Teil der Stellen schulscharf ausgeschrieben. Der größte Teil der Stellen an Oberschulen wird in einem Listenverfahren besetzt. Für die Gymnasien gilt: Alle Stellen werden nur schulscharf ausgeschrieben, ein korrigierendes und ergänzendes Listenverfahren gibt es nicht. Damit wird auf eine Lenkungsmöglichkeit bewusst verzichtet. Das führt im Ergebnis dazu, dass Stellen an den Gymnasien unbesetzt bleiben und deshalb an den Gymnasien die Quote der offenen Stellen gestiegen ist, obwohl es geeignete Bewerber*innen gäbe. Die GEW fordert deshalb, auch für die Gymnasien ein Listenverfahren nachzuschalten.

Perspektive

Aktuell startet die Debatte zum nächsten Doppelhaushalt in Sachsen. Wie andere Ministerien hat auch das SMK seinen Haushaltsentwurf eingereicht. Die Forderungen für die Jahre 2023 und 2024 sind sehr hoch, obwohl die Ankündigungen im Koalitionsvertrag nicht einmal eingepreist sind. Der Einstieg in die Gewährung von Klassenleiterstunden, die volle Ausreichung des Ergänzungsbereichs, die Reduzierung von bestimmten Klassenstärken oder auch die Verringerung der Unterrichtsverpflichtung der Referendar*innen würden weitere 2.000 Stellen erfordern.

Was davon wirklich im beschlossenen Haushalt ankommt, hängt davon ab, wie sich die politische Debatte entwickelt. Dass die GEW auf verschiedenen Wegen Einfluss nehmen wird, liegt auf der Hand.

Jens Risse
Stellv. Landesvorsitzender
Mitglied im LHPR

jens.risse(at)gew-sachsen(dot)de

Kontakt
Jens Risse
Schatzmeister
Adresse Nonnenstraße 58
04229 Leipzig
Telefon:  0341 4947-404
Mobil:  0172 4726707