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Schule

Betrachtungen zum Englischunterricht in der Grund- und Sekundarschule

Vor einigen Jahren machten sich die Kultusministerien in den Bundesländern auf, nach erprobten Modellversuchen des Fremdsprachenunterrichts in den Primarschulen, diesen dort endlich verbindlich zu verorten.

„Experten stritten gut 30 Jahre über Zielvorstellungen, Unterrichtskonzepte und Titel und sind sich bis heute [für die Primarstufe] noch nicht endgültig einig.“[1] Auch wenn es seit 2006/2007 nunmehr in allen Bundesländern einen etablierten Fremdsprachenunterricht ab Klassenstufe drei gibt, entscheiden die Bundeländer – je nach geführtem Bildungsministerium – über Ausgestaltung, Vorgaben sowie Zielstellungen des frühen Englischunterrichtes. 
Dieses mannigfaltige Angebot wird dahingehend von bildungspolitischer Seite begleitet, indem ich als Lehrkraft keine durchgängigen Lehrwerke von Klasse 1 bzw. Klasse 3 bis Klasse 10 habe, bundesweite Standards und ausreichend ausgebildete Lehrkräfte auf sich warten lassen sowie die Abstimmung in den Lehrplänen innerhalb eines Bundeslandes sich als mittelschwere Herausforderung gestalten.

Diese Planheterogenität sehen wir Lehrer*innen in der unterschiedlichen Ausgestaltung des Lesens und Schreibens in Englisch. „Bis vor wenigen Jahren galt der Einsatz der Schriftsprache [in Englisch] als überaus problematisch […]. So hat das Schriftbild in den Jahrgangsstufen 1 und 2 lernunterstützenden Charakter, während bis Ende der Jahrgangsstufe 4 vorsichtig erste schriftliche Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt sein sollen.“[2] Sicherlich unterstützen die Verlage uns Pädagog*innen, indem diese mittlerweile mit Materialien jeder Preisklasse aufwarten und sich je nach Bundesland der bildungspolitischen Landschaft anpassen. Das Lesen und Schreiben im Zweitspracherwerb begleiten jedoch wir Lehrer*innen zentral auf Grundlage der Lehrpläne je nach der jeweiligen Schulart. Das ist also des Pudels Kern.

Während für die Primarstufe in Sachsen für Englisch in den allgemeinen fachlichen Zielen für das Lesen und Schreiben „[das] Entwickeln der Fähigkeit des Lesens im Sinne der Wiedererkennung des Schriftbildes und Entwickeln des reproduktiven Schreibens“[3] benannt werden, liest sich dies für die weiterführenden Schulen bereits präziser. Für das Lesen und den Umgang mit Texten wird als Ziel in den Klassenstufe 5 und 6 angeführt, dass „[d]ie Schüler […] alters­angemessene, verschiedenartige Text­­sorten traditioneller und digitaler Medien selbstständig lesen [können], die aus ihrer persönlichen Erfahrungswelt und ihren Neigungen basieren, Inhalte und Informationen aus einfachen Texten mit weitgehend bekanntem Sprachmaterial je nach Intention global oder selektiv entnehmen.“[4] Für das Schreiben wird hier ebenfalls deutlich ausgegeben, dass „[d]ie Schüler […] Sachverhalte aus ihrer Erfahrungswelt strukturiert, formal und sprachlich richtig verfassen können, vielfältige Textsorten nach Vorgaben in einfacher Form und weitgehend sprachlich korrekt verfassen.“ [5]

Während in der Primarstufe also die mündliche Produktivität sowie Hör- und Hör-/Seh­verstehen als Kernkriterien gesehen werden, ändert sich diese Perspektive besonders in den Kernkompetenzen des Lesens und Schreibens an der weiterführenden Schule. Der didaktisch-methodische Spagat in den Klassenstufen 5 und 6, den viele Englischkolleg*innen in den weiterführenden Sekundarschulen vollführen, um letztendlich die Bildungsziele des Lehrplans zu erreichen, ist bereits in den Anfangsjahren enorm gewesen. Die Forderung, in den Primarstufen vermehrt ein Augenmerk auf die Verschriftlichung im Fremdsprachenkontext zu legen, ist weder für die Kolleg*innen bei den wenigen Unterrichtsstunden (i.d.R. zwei Unterrichtsstunden wöchentlich, wenn nicht gekürzt) nicht leistbar, noch tut es jeder Schülerin und jedem Schüler im gleichen Maße gut, vor allem vor dem Hintergrund des abschließenden Schriftspracherwerbsprozesses. Weiterer Stress für Kolleg*innen im Primarbereich als auch eine sicherlich teilweise Überforderung der Schüler*innen seien nur zwei genannte Stichworte.

Trotz jahrelanger Erkenntnis ist man auf bildungspolitischer Ebene in der Angleichung der Lehrpläne auch 2019 in Sachsen im Bereich Lesen und Schreiben in der Fremdsprache nicht vorangekommen. Dabei wären gerade nach den zwei Jahren Pandemie, in denen viele Schüler*innen zu Hause saßen und nicht adäquat lernen durften bzw. konnten, eine Reform der Bildungsziele in einigen sächsischen Lehrplänen hier wünschenswert. Leidtragende sind Kolleg*innen, frustrierte Eltern und nicht zuletzt die sächsischen Schüler*innen, die sich durch präpandemische Lehrpläne wälzen, die mit der Lebenswirklichkeit immer weniger Schritt halten.

Eine zentrale Forderung könnte lauten, mittels entsprechend einzustellenden, qualifizierten Personals auf längere Sicht für Entlastung im Unterricht zu sorgen sowie Schüler*innen gezielt im Erwerb der Lese- und Schreibkompetenzen zu unterstützen. Zwar setzt das sächsische Programm „Aufholen-nach-Corona“ hier schon als Unterstützungssystem an. Doch bei Klassengrößen von 25 Schüler*innen im Durchschnitt, in denen in der 8. Stunde „Aufholen-nach-Corona“ für einzelne Schüler*innen stattfindet, ist dieses Programm lediglich ein „Schritthalten-mit-Corona“. Es ist wie Kurzatmigkeit beim Ausdauerlauf: Auf kurze Distanz ist Schritt mit den anderen zu halten, jedoch bleibt auf der langen Strecke der gewünschte Erfolg aus.

Nicht alles in den präpandemischen Lehrplänen war schlecht. Jedoch gehört einiges auf den Prüfstand. Ein Angleichen der Lehrpläne für Englisch im Primar- und Sekundarschulbereich in Sachsen mit verbindlichen, realistischen Zielsetzungen würde Klarheit für Schüler*innen und mehr Verlässlichkeit, vor allem für die Kolleg*innen Entlastung schaffen.

Ulf Wegener
Mitglied im LHPR, FG Grundschulen

Quellen:
[1] Haß, F., Fachdidaktik Englisch. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 2022, S. 36
[2] Ibidem, S. 37.
[3] SMK, Lehrplan Grundschulen Englisch, 2019, S. 2.
[4] SMK, Lehrplan Oberschulen Englisch, 2019, S. 8.
[5] Ibidem.

Kontakt
Ulf Wegener
Fachgruppe Grundschulen
Adresse (Lehrer an der Grundschule Brand-Erbisdorf)
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