Recht
Aufsichtspflicht in der Kita (Teil 2)
Bezugnehmend auf unseren Artikel zur Aufsichtspflicht in der vorherigen Ausgabe, beschäftigt sich dieser Text mit den Folgen einer Aufsichtspflichtverletzung.
Haftungsfragen rund um die Aufsichtspflicht
Ist tatsächlich die Aufsichtspflicht verletzt worden, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Folgen.
Diesbezüglich ist zwischen
a. zivilrechtlichen Folgen (Schadensersatz),
b. strafrechtlichen Folgen und
c. arbeits- und disziplinarrechtlichen Folgen
zu unterscheiden.
Außer bei c) „arbeits- und disziplinarrechtlichen Konsequenzen“ müssen neben der Aufsichtspflichtverletzung auch eine sog. Kausalität und ein Schaden vorliegen. Eine wichtige Frage für die Haftung ist daher, ob ein „Mehr“ an Aufsicht einen Schaden überhaupt hätte verhindern können. Es muss feststehen, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn die Aufsichtspflicht ausreichend wahrgenommen worden wäre.
a ) Zivilrechtliche Konsequenzen
Hierbei ist wiederum zu unterscheiden, bei wem der Schaden eingetreten ist.
Kommt der oder die Aufsichtsbedürftige zu Schaden, ist § 823 Abs. 1 BGB einschlägig. Dieser lautet:
„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Auch wenn man hier davon ausgehen könnte, dass ein aktives Tun des pädagogischen Personals verlangt wird, ist bereits ein Unterlassen aufgrund der Garantenstellung einem aktiven Handeln gleichgestellt.
Wenn die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich erfüllt sind, heißt das noch nicht, dass nun die betroffene pädagogische Person Schadensersatz leisten muss. Denn in der Regel greift jetzt für die Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen die gesetzliche Unfallversicherung. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII sind Kinder während des Besuches der Tageseinrichtung unfallversichert. Die gesetzliche Unfallversicherung tritt im Schadensfall ein, und zwar unabhängig von der Verschuldensfrage.
Dies ist der Haftungsfreistellung in den §§ 105, 106 SGB VII zu verdanken. Demnach haftet weder der Träger noch die Erzieher*innen oder die Kinder untereinander für eingetretene Personenschäden. Diese Regelung soll dem Betriebsfrieden in der Einrichtung dienen, da so keine Ansprüche zwischen Erzieher*innen und Kindern (Erziehungsberechtigten) bestehen. Im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Verletzungshandlung kann die gesetzliche Unfallversicherung aber den oder die Schädiger*in in Regress nehmen. Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt. Das ist der Fall, wenn nicht beachtet wird, was in der Situation jeder anderen Person hätte einleuchten müssen.
Sachschäden werden von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ersetzt, außer es handelt sich um sogenannte Körperersatzstücke wie beispielsweise eine Brille.
Diese mögliche Lücke kann mit einer Haftpflichtversicherung geschlossen werden, teilweise wird dies durch den Träger für die Beschäftigten übernommen. Die Mitglieder der GEW sind berufshaftpflichtversichert im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Den Umfang des Versicherungsschutzes können Sie Ihren Versicherungsunterlagen entnehmen.
Kommt eine oder ein Dritte*r zu Schaden, gilt § 832 BGB, welcher lautet:
(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.
(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.
Im Fall der Schädigung von (juristisch gesehen) Außenstehenden greift die Haftungsfreistellung des § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII nicht. Auch hier kann eine Berufshaftpflichtversicherung bei unangenehmen Forderungen helfen.
Wichtig zu erwähnen ist, dass für kommunale Kindertageseinrichtungen und Beschäftigte eines öffentlichen Trägers der sogenannte Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB iVm Art. 34 GG gilt. Demnach haftet die Kommune für die schuldhafte Verletzung der Aufsichtspflicht der aufsichtspflichtigen Erzieher*innen. Auch hier ist ein Regress im Innenverhältnis möglich, welcher durch eine Berufshaftpflichtversicherung umgangen werden kann.
b ) Strafrechtliche Konsequenzen
Strafrechtlich relevant kann ein Verhalten unter anderem immer dann werden, wenn Personen aufgrund der Aufsichtspflichtverletzung verletzt oder getötet werden. Dann kann der Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung, der fahrlässigen Körperverletzung oder der fahrlässigen Tötung (auch durch Unterlassen) einschlägig sein. Dafür muss die Aufsichtspflichtverletzung durch die Staatsanwaltschaft nachgewiesen werden. Zudem muss die tatsächlich gebotene Handlung auch möglich und zumutbar gewesen sein. An dieser Stelle zeigt sich auch nochmal die Wichtigkeit einer Überlastungsanzeige. Wenn Sie Ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen können, melden Sie dies!
c ) Arbeits- und dienstrechtliche Konsequenzen
Eine Verletzung der Aufsichtspflicht stellt eine Verletzung der Dienstpflicht dar. Auch wenn kein Schaden eingetreten ist, kann es zum Entzug von Leitungspositionen, Abmahnungen und – bei wiederholten oder gravierenden Verletzungen der Aufsichtspflicht – auch zu Kündigungen kommen.
Selbstverständlich erhalten unsere Mitglieder in derartigen Konstellationen Rechtsschutz. Wenden Sie sich in diesen Fällen aufgrund möglicher Fristen bitte umgehend an das Rechtsschutzteam in Ihrem Bezirk und in dringenden Fällen direkt an:
rechtsschutz(at)gew-sachsen(dot)de
Henriette Schuberth, Juristin
GEW-Landesrechtschutzstelle