Danach zählen heute noch zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums:
- Die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis: Anders als beim Arbeitsverhältnis beruht das Beamtenverhältnis nicht auf einem zweiseitig ausgehandelten Vertrag, sondern auf einer Ernennung durch den Dienstherren, die mit einem besonderen Treuebekenntnis verbunden ist, das wiederum die Grundlage weiterer Grundsätze des Beamtenstatus ist. Die Ausgestaltung erfolgt durch Gesetze und Verordnungen.
- Die volle Hingabe an den Beruf: Sie ist die Konsequenz aus dem besonderen Treuebekenntnis – ebenso wie
- Das Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung
- Die Neutralitätspflicht und die unparteiische Amtsführung: Beamte müssen sich in Ausübung ihres Amtes parteipolitisch neutral verhalten.
- Das Lebenszeitprinzip: Beamte werden i.d.R. für ihr gesamtes Erwerbsleben angestellt.
- Das Laufbahnprinzip: Es knüpft am Lebenszeitprinzip an und beschreibt de facto die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten des Beamten nach seiner Ernennung.
- Das Leistungsprinzip: Es beruht auf Artikel 33 Absatz 2 GG und gilt sowohl beim Eintritt in den Staatsdienst, als auch beim Aufstieg in der Laufbahn. Es ist eng verbunden mit dem Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung.
- Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn: Sie ist die Gegenleistung für die Treuepflicht des Beamten und verpflichtet den Dienstherrn, für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Darauf beruht
- Das Alimentationsprinzip: Ein Beamter und seine Familie sind dem Amt / der Funktion angemessen zu besolden und zu versorgen.
- Das Prinzip der amtsangemessenen Beschäftigung: Ist dem Beamten ein Amt auf Lebenszeit verliehen worden, hat er auch Anspruch darauf, entsprechend beschäftigt zu werden.
- Das achtungs- und vertrauenswürdige Verhalten: Es wird auch über den Dienst hinaus erwartet.
- Die Amtsverschwiegenheit: Sie gilt auch noch nach Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses.
- Das Streikverbot – mit dem sich gerade das BVerfG beschäftigt.
- Das Recht auf Beamtenvertretungen: Auch Beamte dürfen sich in Gewerkschaften und Berufsverbänden organisieren und Personalräte wählen.
- Das Recht auf Einsicht in die eigene Personalakte
- Der gerichtliche Rechtsschutz: Auch Beamte können sich rechtlich zur Wehr setzen, wenn ihnen durch den Dienstherrn Unrecht geschieht. Zuständig für beamtenrechtliche Streitigkeiten sind die Verwaltungsgerichte.
Es handelt sich um eine Mischung von Rechten und Pflichten, die eng miteinander verknüpft sind. Allein die Aufzählung verdeutlicht, wie breit das Verständnis des „Kernbestandes der Strukturprinzipien“ inzwischen geworden ist. Dennoch haben sie de facto nur orientierenden Charakter, denn im Absatz 5 des Artikels 33 GG wird dem Gesetzgeber keine zwingende Beachtung dieser Grundsätze auferlegt, sondern durch die Formulierung „unter Berücksichtigung“ vielmehr ein deutlicher Ermessensspielraum eingeräumt.
Wie sieht es mit der Prinzipientreue aus?
Das Spektrum der Nutzung dieses Spielraums ist seit der Föderalismusreform deutlich breiter und widersprüchlicher geworden. Die Ausgestaltung des Beamtenrechts nutzen die Bundesländer inzwischen – trotz aller traditionellen Heiligtümer – munter und je nach Bedarf als Spar- und/oder Wettbewerbsinstrument. Besonders deutlich wird das bei der Ausfüllung des Alimentationsprinzips durch die einzelnen Bundesländer, die seit der Föderalismusreform II die alleinige Besoldungshoheit haben und diese je nach Kassenlage sehr unterschiedlich nutzen, was dem Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren wieder viel Arbeit und einigen Bundesländern Nachbesserungen bei der Besoldung beschert hat. So musste u. a. der besonders sparsame Freistaat Sachsen in 2016 und 2017 Nachzahlungen in nicht unerheblicher Höhe an seine Beamten leisten, weil er die Grenzen einer verfassungsgemäßen amtsangemessenen Alimentation in mehreren Jahren unterschritten hatte. Hier bewährte sich der hergebrachte Grundsatz des Rechtes auf Beamtenvertretungen, denn ohne die Unterstützung ihrer Gewerkschaften und Verbände wären die Verfassungsbeschwerden und die Verhandlungen zur Umsetzung der BVerfG-Beschlüsse sicher für die betroffenen Beamten nicht so erfolgreich verlaufen.
Parallel zum Auseinanderdriften der Auslegung einzelner Grundsätze ist der Widerstand der Beamten und ihrer Interessenvertretungen – darunter auch die GEW, die bundesweit noch immer überwiegend Mitglieder im Beamtenstatus hat – gegen allzu „hergebrachte“ = nicht mehr zeitgemäße Grundsätze des Berufsbeamtentums gewachsen. Dabei gibt es Gemeinsamkeiten, insbesondere wenn es um die allgemeine Besoldungsentwicklung oder um Arbeitszeitfragen geht, aber auch deutliche Unterschiede, ja sogar offene Gegensätze bei den Schwerpunkten dieses Widerstandes. So kämpft die GEW z. B. gegen das generelle Streikverbot für Beamten, während der Beamtenbund mit seinen vielen Einzelverbänden ein erbitterter Gegner einer solchen zeitgemäßen Weiterentwicklung ist. In einem Beschluss zum Dienstrecht hat der dbb-Gewerkschaftstag im Dezember 2017 deshalb erneut bekräftigt:
„Das Streikverbot ist tragende Säule und Legitimationsgrundlage des Berufsbeamtentums; es steht für den dbb nicht zur Disposition.“
Diese Position hat der neugewählte Vorsitzende des dbb, Ulrich Silberbach, auch im Vorfeld der Anhörung des Bundesverfassungsgerichtes in mehreren Interviews vehement verteidigt.
Die öffentlichen Arbeitgeber freuen sich natürlich über diese starke Unterstützung für die Aufrechterhaltung des für sie recht komfortablen Dienstherrenstatus. Selbst wenn sie ihn allzu selbstherrlich missbrauchen, z. B. bei der Auslegung des Alimentationsprinzips oder der Fürsorgepflicht, ist für sie eine oft erst nach Jahren und relativ geräuschlos erteilte Rüge des Bundesverfassungsgerichtes allemal schmerzfreier als ein kraftvoller Beamtenstreik, der ihre politische Fehlleistung sofort öffentlich dokumentiert.
Die „hergebrachten Grundsätze“ sind dennoch nicht in Stein gemeißelte eherne Gesetze, sondern durchaus entwicklungsfähig. Die Realität hinter den zumeist recht verstaubt klingenden Begriffen ist heute schon bei vielen Grundsätzen eine andere als z. B. noch vor der Föderalismusreform 2006/09. Der Wettbewerb der Länder hat hier schon deutliche Spuren hinterlassen. Jenseits einer radikalen Antwort auf die berechtigte Frage, ob das Berufsbeamtentum überhaupt noch in die heutige Zeit passt, gibt es eine ganze Menge guter Ansätze, das Beamtenrecht so zu modernisieren, dass es den Bedürfnissen einer öffentlichen Verwaltung im 21. Jahrhundert gerecht wird. Der DGB und die GEW haben hierzu vernünftige Vorschläge unterbreitet.
Ob und wie wir diese Artikelreihe in der Märzausgabe fortsetzen, werden die für Ende Januar angekündigten Ergebnisse des Prüfauftrages der CDU-Fraktion an die Staatsregierung vom 06. Dezember 2017 entscheiden.