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Anmerkungen zum Beamtenstatus von Lehrkräften (Teil 3)

Wie angekündigt setzen wir unsere Anmerkungen zum Beamtenstatus mit einigen allgemeinen Ausführungen zu den sog. „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ fort. Seit geraumer Zeit wird auch öffentlich wieder verstärkt darüber diskutiert, ob der Beamtenstatus in seiner jetzigen Ausprägung überhaupt noch in die heutige Zeit passt – allzu verstaubt und überholt muten einige seiner nach wie vor auch in der Rechtsprechung scheinbar unumstrittenen Grundsätze an, die eigentlich nirgendwo explizit formuliert, sondern lediglich durch Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichtes, benannt und ausgestaltet worden sind – und nach wie vor die Grundlage von Entscheidungen in beamtenrechtlichen Streitfällen bilden. Nicht zuletzt deshalb ist oft von „alten Zöpfen“ die Rede, die endlich abgeschnitten gehören, wenn es um den Beamtenstatus im 21. Jahrhundert geht. Doch was bleibt von diesem Status übrig, wenn man all das modernisiert, was besonders verstaubt anmutet? Mit der ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Beamtenstreikrecht könnte hier ein neuer Meilenstein gesetzt werden. In der – weit nach Redaktionsschluss stattgefundenen - Anhörung am 17. Januar in Karlsruhe sind zumindest einige dafür wesentlichen Fragen aufgeworfen, diskutiert und in Ansätzen hoffentlich auch beantwortet worden. Die Vorankündigungen dazu ließen zumindest diesbezüglich Hoffnung aufkommen.

Wo stehen sie und woher kommen sie – die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums?

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Berufsbeamtentums sind im Artikel  33 GG zu finden:

  1. Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
  2. Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
  3. Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
  4. Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
  5. Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
    (Hervorhebung – SG)

Der Absatz 5 ist erst mit den Grundgesetzänderungen im Zuge der Föderalismusreform im September 2006 um den Zusatz „und fortzuentwickeln“ ergänzt worden.  

Bis heute hat sich zwar das Recht des öffentlichen Dienstes durchaus fortentwickelt – und das nicht unbedingt nur zur Freude der Beamten -, die „hergebrachten Grundsätze“ sind dabei jedoch relativ unangetastet geblieben. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom Dezember 1958, der bis heute gern und oft zitiert wird, diese Grundsätze als den „Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind“ definiert. Die in der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 in den Artikeln 128 bis 131 formulierten einheitlichen Grundsätze für die Beamten des Reiches und der Länder (siehe Kasten) sind somit durch die Formulierung im Artikel 33 Absatz 5 de facto im Grundgesetz verankert und verleihen den darauf beruhenden „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ Verfassungscharakter. Eine explizite Aufzählung dieser Grundsätze findet sich im Grundgesetz jedoch nicht. Sie sind vielmehr – anknüpfend an die in der Weimarer Verfassung formulierten – durch die Beamtengesetzgebung des Bundes und der Länder und durch die Rechtsprechung dazu ausgestaltet, interpretiert und weiterentwickelt worden.

Danach zählen heute noch zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums:

  • Die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis: Anders als beim Arbeitsverhältnis beruht das Beamtenverhältnis nicht auf einem zweiseitig ausgehandelten Vertrag, sondern auf einer Ernennung durch den Dienstherren, die mit einem besonderen Treuebekenntnis verbunden ist, das wiederum die Grundlage weiterer Grundsätze des Beamtenstatus ist. Die Ausgestaltung erfolgt durch Gesetze und Verordnungen.
  • Die volle Hingabe an den Beruf: Sie ist die Konsequenz aus dem besonderen Treuebekenntnis – ebenso wie
  • Das Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung
  • Die Neutralitätspflicht und die unparteiische Amtsführung: Beamte müssen sich in Ausübung ihres Amtes parteipolitisch neutral verhalten.
  • Das Lebenszeitprinzip: Beamte werden i.d.R. für ihr gesamtes Erwerbsleben angestellt.
  • Das Laufbahnprinzip: Es knüpft am Lebenszeitprinzip an und beschreibt de facto die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten des Beamten nach seiner Ernennung.
  • Das Leistungsprinzip: Es beruht auf Artikel 33 Absatz 2 GG und gilt sowohl beim Eintritt in den Staatsdienst, als auch beim Aufstieg in der Laufbahn. Es ist eng verbunden mit dem Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung.
  • Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn: Sie ist die Gegenleistung für die Treuepflicht des Beamten und verpflichtet den Dienstherrn, für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Darauf beruht
  • Das Alimentationsprinzip: Ein Beamter und seine Familie sind dem Amt / der Funktion angemessen zu besolden und zu versorgen.
  • Das Prinzip der amtsangemessenen Beschäftigung: Ist dem Beamten ein Amt auf Lebenszeit verliehen worden, hat er auch Anspruch darauf, entsprechend beschäftigt zu werden.
  • Das achtungs- und vertrauenswürdige Verhalten: Es wird auch über den Dienst hinaus erwartet.
  • Die Amtsverschwiegenheit: Sie gilt auch noch nach Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses.
  • Das Streikverbotmit dem sich gerade das BVerfG beschäftigt.
  • Das Recht auf Beamtenvertretungen: Auch Beamte dürfen sich in Gewerkschaften und Berufsverbänden organisieren und Personalräte wählen.
  • Das Recht auf Einsicht in die eigene Personalakte
  • Der gerichtliche Rechtsschutz: Auch Beamte können sich rechtlich zur Wehr setzen, wenn ihnen durch den Dienstherrn Unrecht geschieht. Zuständig für beamtenrechtliche Streitigkeiten sind die Verwaltungsgerichte.

Es handelt sich um eine Mischung von Rechten und Pflichten, die eng miteinander verknüpft sind. Allein die Aufzählung verdeutlicht, wie breit das Verständnis des „Kernbestandes der Strukturprinzipien“ inzwischen geworden ist. Dennoch haben sie de facto nur orientierenden Charakter, denn im Absatz 5 des Artikels 33 GG wird dem Gesetzgeber keine zwingende Beachtung dieser Grundsätze auferlegt, sondern durch die Formulierung „unter Berücksichtigung“ vielmehr ein deutlicher Ermessensspielraum eingeräumt.

Wie sieht es mit der Prinzipientreue aus?

Das Spektrum der Nutzung dieses Spielraums ist seit der Föderalismusreform deutlich breiter und widersprüchlicher geworden. Die Ausgestaltung des Beamtenrechts nutzen die Bundesländer inzwischen – trotz aller traditionellen Heiligtümer – munter und je nach Bedarf als Spar- und/oder Wettbewerbsinstrument. Besonders deutlich wird das bei der Ausfüllung des Alimentationsprinzips durch die einzelnen Bundesländer, die seit der Föderalismusreform II die alleinige Besoldungshoheit haben und diese je nach Kassenlage sehr unterschiedlich nutzen, was dem Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren wieder viel Arbeit und einigen Bundesländern Nachbesserungen bei der Besoldung beschert hat. So musste u. a. der besonders sparsame Freistaat Sachsen in 2016 und 2017 Nachzahlungen in nicht unerheblicher Höhe an seine Beamten leisten, weil er die Grenzen einer verfassungsgemäßen amtsangemessenen Alimentation in mehreren Jahren unterschritten hatte. Hier bewährte sich der hergebrachte Grundsatz des Rechtes auf Beamtenvertretungen, denn ohne die Unterstützung ihrer Gewerkschaften und Verbände wären die Verfassungsbeschwerden und die Verhandlungen zur Umsetzung der BVerfG-Beschlüsse sicher für die betroffenen Beamten nicht so erfolgreich verlaufen.    

Parallel zum Auseinanderdriften der Auslegung einzelner Grundsätze ist der Widerstand der Beamten und ihrer Interessenvertretungen – darunter auch die GEW, die bundesweit noch immer überwiegend Mitglieder im Beamtenstatus hat – gegen allzu „hergebrachte“ = nicht mehr zeitgemäße Grundsätze des Berufsbeamtentums gewachsen. Dabei gibt es Gemeinsamkeiten, insbesondere wenn es um die allgemeine Besoldungsentwicklung oder um Arbeitszeitfragen geht, aber auch deutliche Unterschiede, ja sogar offene Gegensätze bei den Schwerpunkten dieses Widerstandes. So kämpft die GEW z. B. gegen das generelle Streikverbot für Beamten, während der Beamtenbund mit seinen vielen Einzelverbänden ein erbitterter Gegner einer solchen zeitgemäßen Weiterentwicklung ist. In einem Beschluss zum Dienstrecht hat der dbb-Gewerkschaftstag im Dezember 2017 deshalb erneut bekräftigt:

„Das Streikverbot ist tragende Säule und Legitimationsgrundlage des Berufsbeamtentums; es steht für den dbb nicht zur Disposition.“

Diese Position hat der neugewählte Vorsitzende des dbb, Ulrich Silberbach, auch im Vorfeld der Anhörung des Bundesverfassungsgerichtes in mehreren Interviews vehement verteidigt.  

Die öffentlichen Arbeitgeber freuen sich natürlich über diese starke Unterstützung für die Aufrechterhaltung des für sie recht komfortablen Dienstherrenstatus. Selbst wenn sie ihn allzu selbstherrlich missbrauchen, z. B. bei der Auslegung des Alimentationsprinzips oder der Fürsorgepflicht, ist für sie eine oft erst nach Jahren und relativ geräuschlos erteilte Rüge des Bundesverfassungsgerichtes allemal schmerzfreier als ein kraftvoller Beamtenstreik, der ihre politische Fehlleistung sofort öffentlich dokumentiert.

Die „hergebrachten Grundsätze“ sind dennoch nicht in Stein gemeißelte eherne Gesetze, sondern durchaus entwicklungsfähig. Die Realität hinter den zumeist recht verstaubt klingenden Begriffen ist heute schon bei vielen Grundsätzen eine andere als z. B. noch vor der Föderalismusreform 2006/09. Der Wettbewerb der Länder hat hier schon deutliche Spuren hinterlassen. Jenseits einer radikalen Antwort auf die berechtigte Frage, ob das Berufsbeamtentum überhaupt noch in die heutige Zeit passt, gibt es eine ganze Menge guter Ansätze, das Beamtenrecht so zu modernisieren, dass es den Bedürfnissen einer öffentlichen Verwaltung im 21. Jahrhundert gerecht wird. Der DGB und die GEW  haben hierzu vernünftige Vorschläge unterbreitet.  

Ob und wie wir diese Artikelreihe in der Märzausgabe fortsetzen, werden die für Ende Januar angekündigten Ergebnisse des Prüfauftrages der CDU-Fraktion an die Staatsregierung vom 06. Dezember 2017 entscheiden.


Auszug aus der „Weimarer Reichsverfassung“ vom 11. August 1919:

Artikel 128
Alle Staatsbürger ohne Unterschied sind nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigung und ihren Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zuzulassen.
Alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte werden beseitigt.
Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses sind durch Reichsgesetze zu regeln.

Artikel 129
Die Anstellung der Beamten erfolgt auf Lebenszeit, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung werden gesetzlich geregelt. Die wohlerworbenen Rechte der Beamten sind unverletzlich. Für die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten steht der Rechtsweg offen.

Die Beamten können nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und Formen vorläufig ihres Amtes enthoben, einstweilen oder endgültig in den Ruhestand oder in ein anderes Amt mit geringerem Gehalt versetzt werden.

Gegen jedes dienstliche Straferkenntnis muß ein Beschwerdeweg und die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens eröffnet sein. In die Nachweise über die Person des Beamten sind Eintragungen von ihm ungünstigen Tatsachen erst vorzunehmen, wenn dem Beamten Gelegenheit gegeben war, sich über sie zu äußern. Dem Beamten ist Einsicht in seine Personalnachweise zu gewähren.

Die Unverletzlichkeit der wohlerworbenen Rechte und die Offenhaltung des Rechtswegs für die vermögensrechtlichen Ansprüche werden besonders auch den Berufssoldaten gewährleistet. Im übrigen wird ihre Stellung durch Reichsgesetz geregelt.

Artikel 130
Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei.
Allen Beamten wird die Freiheit ihrer politischen Gesinnung und die Vereinigungsfreiheit gewährleistet. Die Beamten erhalten nach näherer reichsgesetzlicher Bestimmung besondere Beamtenvertretungen.

Artikel 131
Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienste der Beamte steht. Der Rückgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten. Der ordentliche Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden.

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