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15 Thesen zur Digitalisierung und Medienbildung an sächsischen Schulen

1) Die Chancen und Möglichkeiten digitaler Medien müssen genutzt, die Risiken bzw. Gefahren der digitalen Mediennutzung minimiert werden!

Trotz fortschreitender Digitalisierung aller Lebensbereiche und somit auch der Schulen hat die Vermittlung grundlegender Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) und sozialer Kompetenzen (Kommunikation, Zusammenarbeit, Achtung/gegenseitiger Respekt) Vorrang.
Im Prozess der Digitalisierung von Schulen sind die folgenden Prinzipien zu beachten:

  • Primat einer qualitativ hochwertigen Bildung mit guten Lern- und Arbeitsbedingungen an  allen Schulen
  • Erhalt der staatlichen Bildung
  • Chancengleichheit
  • Achtung der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte aller Akteure
  • Inklusion
  • Sicherheit/Wohlbefinden von Lehrenden und Lernenden
  • Befähigung zum kritischen Umgang mit neuen Medien
  • Ausstattung der staatlichen Schulen ist Aufgabe des Schulträgers.

Bei der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sind die Risiken von Computersucht und kommunikativer Verarmung durch exzessiven Gebrauch digitaler Medien zu thematisiren. Es ist notwendig, unsere Lehrkräfte dafür aus-, fort- bzw. weiterzubilden. Die dafür notwendigen Konzepte, Materialien und Freiräume sind zu schaffen.
Die Wirkung digitaler Medien auf junge Menschen mit sozial-emotionalen Problemen und Lernbeeinträchtigungen ist zu bedenken und muss Berücksichtigung bei der Erarbeitung von Unterrichtskonzeptionen finden.


2) Die Digitalisierung von Schulen ist Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck!

Digitale Medien müssen sinnvoll in den Gesamtkontext von Bildungs- und Schulprogrammen und der jeweiligen Lehrpläne und Unterrichtskonzepte eingebunden werden. Die mediale Ausstattung unserer Schulen muss eng mit entsprechenden pädagogischen Konzepten verbunden sein. Für die GEW Sachsen steht der Mensch bei der Digitalisierungsdiskussion im Mittelpunkt. So ist eine qualifikationsfordernde und -fördernde Arbeits- und Technikgestaltung human umzusetzen. Dabei müssen die Beteiligungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten der betroffenen Beschäftigtengruppen innerhalb der Schulen geachtet werden.

Im Sinne dieser „humanen Digitalisierung“ ist die berufliche Handlungs- und Gestaltungskompetenz der Lehrer*innen und Pädagog*innen in der Bildung zu berücksichtigen. Dafür müssen demokratische Beteiligungsprozesse im Rahmen der Entwicklung von Lehrplänen und Lernmethoden geschaffen, ausgebaut und verstetigt werden. Bei der inneren und äußeren Gestaltung und Entwicklung der Schulen besteht stets das Primat der Pädagogik vor der Technik.


3) Die Chancen der Digitalisierung zur Erreichung von Barrierefreiheit in Schule und Unterricht sind konsequent zu nutzen!

Eine Chance der Digitalisierung liegt in der Verbesserung der Barrierefreiheit von Schule und Unterricht. Die GEW Sachsen fordert die bestmögliche Nutzung dieses Potentials zur Teilhabe. Es sind Strategien zu entwickeln, wie Zugangsbarrieren (sozialer/sprachlicher/pädagogischer u.a. Art) abgebaut und Zugangs- und Beteiligungsmöglichkeiten ausgebaut werden können. Zudem bedarf es einer sorgfältigen Analyse und der schlussfolgernden Bekämpfung neuer Ausgrenzungsrisiken infolge der Digitalisierung.


4) Lehrpläne dienen der Bildung mündiger und verantwortungsbewusster Bürger*innen. Ein wichtiger Inhalt ist der kritisch-konstruktive Umgang mit digitaler Technik und analogen oder digitalen Medien anstatt des ausschließlichen Erwerbs technischer, informatorischer und wirtschaftlich verwertbarer Fertigkeiten.

Bildungs- und Lehrpläne sind so zu gestalten, dass sie der Bildung mündiger und verantwortungsbewusster Bürger*innen dienen. Dazu gehören der Erwerb technischer/informatorischer/wirtschaftlich verwertbarer Fertigkeiten und ein kritisch konstruktiver Umgang mit digitalen Medien und Tools.
Eine „medienpädagogische Grundqualifizierung“ und „informatorische Grundbildung“ für Schüler*innen ist notwendig. Dies umfasst u.a. die Bereiche Daten und Codierung, Algorithmen, Rechner und Netze, Datenschutz, Informationsgesellschaft und Datennetze.
Im Bereich der beruflichen Bildung ist die Förderung einer berufsbezogenen Medienkompetenz als Teil der beruflichen Handlungskompetenz von besonderer Bedeutung.
Der Erwerb dieser Qualifikationen kann nicht nur Inhalt des Faches „Informatik“ sein, sondern muss sich in möglichst allen Fächern und Lernfeldern widerspiegeln. Es ist der Tendenz entgegenzuwirken, Kinder und Jugendliche mittels digitaler Medien „passgenau“ für die Wirtschaft zu formen, anstatt demokratische und mündige Bürger*innen zu bilden.


5) Alle Konzepte zur Digitalisierung müssen Bildungsgerechtigkeit gewährleisten. Die Digitalisierung darf kein Einfallstor für Lobbyismus an den Schulen sein.

Die Umsetzung von Bildungsqualität, Chancengleichheit, Nachhaltigkeit und öffentlicher Verantwortung im Rahmen der Digitalisierung ist unabhängig von der Ausstattung der Lernenden und Beschäftigten mit privaten Geräten. Schüler*innen und Lehrkräfte haben die Möglichkeit, ihre privaten Geräte im Rahmen von Schule und Unterricht zu nutzen. Das Prinzip „Bring your own device“ darf allerdings nicht zum Leitprinzip der Digitalisierung an unseren Schulen werden. Eine gleichwertige bzw. vergleichbare digitale Ausstattung aller Schüler*innen ist unbedingt zu gewährleisten. Hierbei müssen Schulträger und Freistaat zusammen finanziell verantwortlich handeln.
Ansonsten besteht die Gefahr, dass Firmen bzw. Privatinvestoren bestimmen, was und wie gelehrt und gelernt wird und nicht die Verantwortlichen in Schule und Verwaltung. Die wirtschaftlichen Interessen an der Sammlung von Daten über externe, kommerzielle Anbieter sind zu beachten und entsprechende Datenschutzmaßnahmen zu formulieren.


6) Digitalisierung und Medienbildung erfordern die Einrichtung der notwendigen sachlichen und personellen Grundausstattung. Die Schulträger und der Freistaat Sachsen stehen dafür in der Verantwortung. Für die Installation und die Funktionsfähigkeit der digitalen Technik sind die Schulträger verantwortlich. Die PITKos sind keine Systemadministrator*innen!

Die digitale Infrastruktur an allen Schulen muss bedarfsgerecht und öffentlich finanziert bzw. verantwortet sein. Eine tragende Rolle spielt dabei der Gesundheitsschutz für Lehrende und Lernende. Es ist darauf zu achten, dass alle digitalen Arbeits-, Lehr- und Lernplätze den ergonomischen Anforderungen entsprechen. Dafür sind leistungsfähige lokale Unterstützungssysteme und Support notwendig. Aufgrund des zu erwartenden hohen Kostenanfalles ist hier auch der Freistaat Sachsen als Investitionsträger gefragt und in der Verantwortung.


7) Eine vertiefte und kritische Medienbildung ist fächer- und jahrgangsübergreifende Aufgabe aller Schularten und der Lehrer*innenbildung.

Alle Lehrer*innen und Pädagog*innen müssen unterstützt werden, digitale Medien sinnvoll für:

  • Informationsbeschaffung
  • Produktion von Medien
  • Differenzierung/methodische Anreicherung des Unterrichts

nutzen zu können.
Die Lernenden sollen befähigt werden, sich:

  • souverän
  • urteilskompetent
  • kreativ
  • sinnvoll

in digitalen Welten zu bewegen.
Alle Beteiligten an Schule müssen für die Möglichkeiten und Gefahren im Netz sensibilisiert und stark gemacht werden. Dies impliziert auch ein vertieftes Verständnis für die ökonomischen und gesellschaftlichen Dimensionen der Informations- und Kommunikationstechnologie.


8) Digitalisierung und Medienbildung erfordern eine ständige Wissensanpassung. Der Freistaat Sachsen trägt die Verantwortung für die Integration der entsprechenden Inhalte in die Lehrer*innenausbildung und ein breites und qualitativ hochwertiges Fortbildungsangebot für alle Lehrkräfte.

Die GEW Sachsen fordert eine angepasste Ausbildung der Lehrenden. So muss eine „medienpädagogische Grundqualifizierung“ fester Bestandteil der Lehrer*innenausbildung werden. Für die Lehrkräfte an unseren Schulen sind bedarfsgerechte Fortbildungsangebote und belastungsgerechte Fortbildungszeiten zu gewährleisten.


9) Der Erwerb neuer Qualifikationen im Bereich Medienbildung/Digitalisierung darf weder Lehrer*innen noch Schüler*innen überfrachten. Gegebenenfalls ist der Wegfall anderer Qualifikationen/Fertigkeiten zu prüfen.

Bei der Evaluierung und Neugestaltung der Lehrpläne ist darauf zu achten, dass die Medienbildung als Querschnittsaufgabe in alle Fächer und Lernfelder Eingang findet. Die Hinzunahme neuer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen darf nicht zu einer Überfrachtung führen. In diesem Sinne ist kritisch zu prüfen, welche Lehrplaninhalte nicht mehr zeitgemäß sind und gestrichen werden können.


10) Die Chancen des E-Learning und von Lernplattformen für einen modernen Unterricht sind bewusst und verantwortungsvoll zu nutzen. Sie können den Unterricht ergänzen, aber nicht ersetzen.

Im Bereich des informellen Lernens spielen digitale Medien im Alltag der Kinder und Jugendlichen schon jetzt eine immer stärkere Rolle. Digitale Angebote bieten die Chance, Lernen in der Schule individueller und kooperativer zu gestalten. Dafür bedarf es digitaler Lernumgebungen bzw. Lernmanagementsysteme, die die verschiedenen Anwendungen integrieren und sinnvoll organisieren. Sie ermöglichen, dass Lehrer*innen den Lernfortschritt der Schüler*innen nachvollziehen können und bieten eine datenschutzkonforme Kommunikationsoption. Dementsprechend muss jede Schule an einem landesweit bereitgestellten Lernmanagementsystem teilhaben können.
Auch die besten digitalen Lernangebote können in der Schule nicht den Unterricht durch Lehrkräfte ersetzen. Digitale Lernangebote schaffen dem Personalmangel keine Abhilfe. In welcher Intensität die Schüler*innen selbstgesteuert mittels digitaler Settings lernen, bleibt der pädagogischen Verantwortung der Lehrer*innen überlassen. Lehrer*innen sind auch als Lernbegleitende von unschätzbarem Wert.


11) Lehrkräfte und Schüler*innen haben im Unterricht und im schulischen Umfeld das Recht, vor Gefahren und Rechtsproblemen der Digitalisierung geschützt zu werden.

Vor der Einführung und Nutzung von Bildungssoftware an Schulen sind einheitliche, verbindliche und nachvollziehbare Verfahrensvorschriften notwendig. Die Verantwortung für die Einhaltung des Datenschutzes und Urheberrechts darf nicht allein den Lehrkräften überlassen werden. Der Freistaat Sachsen steht in der Pflicht, durch eindeutige Formulierungen in Gesetzen und Verordnungen Rechtssicherheit für alle an Schule Beteiligten zu gewährleisten. Dies betrifft u.a. die Nutzung elektronischer Klassenbücher, das Arbeiten über Clouds und Bildungsplattformen und den dienstlichen E-Mail-Verkehr. Die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen sind dabei konsequent zu beachten.


12) Der Zugang zu digitalen Bildungsangeboten muss für Schüler*- und Lehrer*innen generell kostenfrei sein.

Bisher ist das Schulbuch das zentrale Leitmedium von Schule, weshalb es unter die Lehr- und Lernmittelfreiheit des Schulgesetzes fällt. Im Zuge der Digitalisierung ist an dieser Stelle umzudenken. Die digitale Infrastruktur an Schulen darf nicht länger von der Finanzlage des Schulträgers oder privaten Spenden abhängig sein. Sie muss vom Freistaat im Rahmen der Lern- und Lehrmittelfreiheit zur Verfügung gestellt werden. Die digitale Infrastruktur geht über Hardware und digitale Schulbücher hinaus. Sie schließt die Aus-, Fort- und Weiterbildung des Lehrpersonals, die Wartung und Pflege sowie Lernmanagementsysteme ein. Es reicht nicht, lizenzierte Angebote von Schulbuchverlagen zugänglich zu machen. Vielmehr müssen Open Educational Ressources stärker gefördert werden, mit denen Lehrer*innen und Schüler*innen ganze Lernumgebungen teilen und weiterentwickeln können. Öffentlich geförderte Lehr- und Lernangebote sind grundsätzlich unter offenen Urheberrechtslizenzen (z.B. Creative Commons) bereitzustellen.


13) Lehrer*innen müssen grundsätzlich, im Rahmen ihrer pädagogischen Freiheit, mitentscheiden können, ob und in welchem Umfang sie digitale Lehr- und Lernmittel im Unterricht und in dessen Vor- und Nachbereitung nutzen.

Die Grundlage für die inhaltliche und methodisch-didaktische Gestaltung des Unterrichts bilden die jeweils geltenden Lehrpläne. Darüber hinaus liegt es im Ermessen und der Verantwortung der Lehrkräfte selbst zu entscheiden, auf welche Weise der Unterricht methodisch umgesetzt und aufbereitet wird.
Die Nutzung des Schulportals muss weiterhin auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen.


14) Der Entgrenzung von Arbeitszeiten für Lehrer*innen ist konsequent entgegenzuwirken!

Unseren Kolleg*innen muss ausreichend Arbeitszeit („Systemzeiten“) für die Erprobung und Nutzung von Technologien, Medien und digitalen Lernarrangements zur Verfügung stehen. Die Sicherung des Wohlbefindens und der Gesundheit der Beschäftigten ist u.a. durch Maßnahmen zur Eindämmung von vermehrter Flexibilität, Arbeitszeitausweitung, Arbeitsverdichtung und Entgrenzung zu gewährleisten.


15) Der verantwortungsvolle Umgang mit sozialen Netzwerken muss in Schulen vermittelt werden. Deshalb ist ein striktes Verbot der Nutzung nicht angebracht.

Die Nutzung von sozialen Netzwerken ist eine Alltagskomponente der Kommunikation in einer digitalisierten Welt. Aus diesem Grund ist ein striktes Verbot zur Nutzung innerhalb des schulischen Rahmens weder praktisch umsetzbar, noch bildungspolitisch und pädagogisch sinnvoll. Vielmehr brauchen die Schulen Rechtssicherheit im Umgang und Konzepte zur Nutzung der sozialen Netzwerke. Es gilt, unsere Schüler*innen für eine bewusste Nutzung dieser Netzwerke fit zu machen und für den Schutz vor Gefährdungen, wie politischer Radikalisierung, Datenmissbrauch, Überwachung, Cybermobbing usw. zu sensibilisieren.

Um diese Thesen erfolgreich umzusetzen, erfordert es das Engagement unserer Bildungsgewerkschaft auf allen Arbeitsebenen. Deshalb verständigt sich die GEW Sachsen auf folgende praktische Umsetzungsmaßnahmen:

  • Die GEW Sachsen vernetzt sich in Fragen der Digitalisierung der Schulen eng mit den anderen Landesverbänden und der Bundesorganisation der GEW. Zudem bringen wir uns aktiv in das GEW – Bundesforum für digitale Bildung ein.
  • Die Rechtsaspekte des Themenkreises „Digitalisierung“ (u.a. Datenschutz – z.B. Umgang mit E-Mail und Kurznachrichtendiensten/Urheberrecht/ Umgang mit sozialen Netzwerken/Lernplattformen) werden innerhalb der kommenden Wahlperiode in die Personalratsschulungen und den Kanon für Lehrer*innen im Vorbereitungsdienst aufgenommen. Hierbei ist zwingend externer Sachverstand einzuholen!
  • Eine entsprechende Publikation/Broschüre zu den oben genannten Themen wird in Zusammenarbeit der Referate „Schulische Bildung“, „Gewerkschaftliche Bildungsarbeit“ und „Information und Öffentlichkeitsarbeit!“, abgestimmt auf die sächsische Rechtslage, erstellt.
  • Die Durchführung eines Lehrerbildungstages zur Digitalisierung/Medienbildung ist zwingend notwendig, eine entsprechende Fachfortbildung ist in die bestehenden Fortbildungssysteme der GEW Sachsen zu integrieren.
  • Der Gewerkschaftstag der GEW Sachsen bittet die GEW-Fraktion im LHPR zu prüfen, in welchen Bereichen Potential für Dienstvereinbarungen zu Aspekten der Digitalisierung besteht. Zu prüfen ist auch, welche Elemente der Digitalisierung (z.B. Einführung von Software) mitbestimmungspflichtig oder mitwirkungspflichtig sind.
  • Die GEW Sachsen setzt sich dafür ein, dass die sächsische Staatsregierung die Ziele der KMK-Strategie „zur Bildung in der digitalen Welt“ verbindlich und zeitgemäß umsetzt und die angestrebten Medienkompetenzen als Bildungsziele in den Curricula verankert.
  • Die GEW Sachsen setzt sich für eine Ausweitung der Anrechnungsstunden für Kolleg*innen ein, die an den Schulen an Medienbildungs- und Digitalisierungskonzepten arbeiten bzw. als PITKo tätig sind.