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Fortbildung der AJuM Sachsen zur Kinder- und Jugendliteratur aus der DDR für den Deutschunterricht

Die Landesstelle der AG Jugendliteratur und Medien lud zu einem Seminar mit Prof. Karin Richter in Leipzig, zu dem am 16. September 20 Mitglieder und Interessenten kamen.

Das Thema stellte sich auch unter den Teilnehmern als Generationsfrage dar. Bei den im Entstehungsland sozialisierten Literaturfreunden stehen viele Bücher in den Regalen und rufen sofort Erinnerungen wach. Auch ihre Kinder und Enkel wurden im Laufe der Jahre reichlich beschenkt. Der heutigen Studentengeneration sagen die meisten Autoren und Titel gar nichts. Ideologiekritisch geschulte Neuleser sind dann überrascht, oftmals nicht die erwarteten DDR-Klischees zu finden, und haben die Chance auf einen neuen Zugang.

Die Literaturwissenschaftlerin und Kindheitsforscherin von der Universität Erfurt widmet sich in einem bisher zweibändigen breiten Überblick (Schneider 2016) literarischen Schätzen und hat zu Einzelthemen auch schon in der kjl&m (einer GEW-Fachzeitschrift) publiziert. Auf Grundlage dieser Analysen stellte sie zuerst Entwicklungslinien, Themen und Autoren vor. Wenngleich die literaturgeschichtliche Einleitung schnell in vertiefende Diskussionen führte, stand doch der Praxisbezug im Vordergrund der Veranstaltung.

Die von der Autorin mit Studentinnen erarbeiten Unterrichtsmodelle (Band 2) stellen Bücher vor, die durch ästhetische Qualität und kindgerechtes Erzählen überzeugen. Gegenüber klassischen und zeitgenössischen Bearbeitungen ist die Mythen-Adaption durch Franz Fühmann, Hannes Hüttner, Werner Heiduczek und ihre Illustratoren als immer noch herausragend einzuschätzen. Der einem breiten Publikum bekannte, mehrfach bearbeitete und verfilmte Krabat-Sagenstoff führt den Kenner zu den sorbischen Quellen (Jurij Brezan, Mercin Nowak-Njechornski).

Erstaunlich sind die pädagogischen Erfahrungen mit einem DDR-Klassiker wie Die Reise nach Sundevit von Benno Pludra (Erstauflage 1965), den Kinder in einem Schulprojekt nacherzählt und weitererzählt haben. Jedes Kind nahm die Geschichte anders wahr, nämlich wie die eigenen Probleme gespiegelt sind, und fand den ersten Zugang über die Bilder. Die wenigen Details, die auf die Entstehungszeit verweisen und jedem erwachsenen Wortklauberer auffallen, sind nebensächlich.

So finden sich bei genauerer Retrospektive etliche Werke, in denen gesellschaftliche Verhältnisse - etwa in einer Neubaustadt - vor einem Zeithorizont erkennbar sind, und die trotzdem aktuell sein können. Meister des phantastischen Erzählens (wie Christa Kozik, Peter Hacks) haben die innere Welt des Kindes geradezu zeitlos erkannt. Zur Vermittlung von Zeitgeschichte eignen sich all diese Kinderbücher eher nicht. Sie sind (ohne DDR-Stempel) empfehlenswert, wenn sie den Lesebedürfnissen der heute Heranwachsenden nachkommen. Von den meisten der Auswahl sind Nachauflagen, die teilweise neu, nicht unbedingt besser illustriert wurden, erhältlich. Es gibt eine ganze Reihe von Originalen der Nationalliteratur neu zu entdecken.

Christian Pommerening (Ajum-Landesstelle Sachsen)